Zukunft der Werktagsmessen

„Vielleicht gibt es bald wieder Hausmessen"

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In Werktagsmessen sitzen fast nur ältere Menschen. Hat dieses Angebot noch Zukunft? Ein Gespräch mit Joachim Kieslich, Pfarrer in Twistringen, über die Bedeutung und den Mut, Neues auszuprobieren.


Werktagsmesse am Abend in Lemförde: Pfarrer Marc Weber kommt ohne Messdiener aus, die Lesung liest Schwester Maria vom Hospizdienst. Zu den Besuchern gehören natürlich auch die Ordensschwestern aus Hunteburg. Foto: Andrea Kolhoff

Wer besucht die Werktagsmessen in Ihrer Pfarrei?

Das ist in der Regel die Altersgruppe 60 plus. Traditionell gut besucht ist die Werktagsmesse am Montagabend in Twistringen, da sitzen schon mal 50 bis 60 Leute in der Kirche. Wohingegen ich neulich in Harpstedt mit drei Gläubigen Eucharistie gefeiert habe. Zurzeit können wir Werktagsgottesdienste in unserer Pfarrei täglich anbieten.

Gibt es für Sie eine Grenze, ein Messangebot letztendlich zu streichen?

Ich würde nicht sofort sagen, wir streichen die Messe, wenn auf einmal nur noch zwei Leute kommen – weil es in der nächsten Woche schon wieder fünf sein können. Während der Aktion „Maria 2.0“ war an allen vier Kirchenorten etwas los.
Vorerst halten wir an der Struktur unserer Werktagsmessen fest. Wir wollen die Gemeindemitglieder, die stark von der Eucharistie geprägt sind, nicht vor den Kopf stoßen. Und sie dürfen sich auch nicht abgehängt fühlen. Wenn etwas nicht mehr funktionieren sollte, müssen wir darüber diskutieren, ob man die Werktagsmessen nicht auf Twistringen konzentrieren und Fahrdienste organisieren könnte. Und wir müssen auch überlegen, ob es sich auf Dauer lohnt, kirchliche Gebäude zu erhalten – vor allem wenn größere Investitionen anstehen.  

Noch einmal zum Verständnis: Was unterscheidet die Werktagsmesse vom Sonntagsgottesdienst?

Der Sonntag ist unser Ruhetag, und die Sonntagsmesse ist ein wichtiger Bestandteil dieses Tages. Sie wird feierlich zelebriert. Wer werktags kommt, nimmt sich Zeit mitten im Alltagsbetrieb. Diese Messen sind dann eher eine Ruhepause vor Gott. Sie haben weniger Elemente, sind kürzer, laufen ruhiger ab. Diese Schlichtheit ist gewünscht.
Die Gläubigen sind einfach da, in aller Stille, hören den Schriftlesungen zu, bringen ihre Gedanken des Tages ein. Danach gehen sie zum Einkaufen auf den Markt, nehmen Arzttermine wahr oder trinken noch einen Kaffee zusammen. Sie erwarten nicht, dass wir die Werktagsmessen aufpeppen. Um junge Menschen und junge Familien zu erreichen, müssen wir sowieso andere Formen und Zeiten ausprobieren.

Ein Blick in die Zukunft: Wird es die Werktagsmessen in der heutigen Form in 15 oder 20 Jahren noch geben?

Sicher nicht. Spätestens wenn wir merken: Es passt nicht mehr, wenn sich die wenigen in einer riesigen Kirche wie der in Twistringen nicht mehr wohlfühlen. Vielleicht gibt es dann wieder Hausmessen, in denen sich Gläubige im kleinen Kreis versammeln, um das Wort Gottes in der Mahlgemeinschaft zu feiern.


Joachim Kieslich, Pfarrer in Twistringen
Foto: Anja Sabel

Muss es immer eine Eucharistiefeier sein? Welche anderen Formen wären noch denkbar?

Neben besonderen Formen wie beispielsweise Marienandachten im Mai an Außenaltären im Freien – was in Twistringen durchaus eine Tradition hat – kann ich mir auch Wortgottesfeiern mit hauptamtlichen oder ehrenamtlichen Wortgottesdienstleitern vorstellen. Wir praktizieren das übrigens schon jetzt in Bassum und Harpstedt: immer sonntags im Wechsel mit einer heiligen Messe.

Wie kommt das an?

Viele Menschen reagieren positiv und sagen, dass ihnen auch der Wortgottesdienst – übrigens ohne Kommunionausteilung – guttut. Ohnehin gibt es in der Diaspora den Mut, Dinge auszuprobieren und Experimente zu wagen. Ältere Gemeindemitglieder fahren allerdings oft in einen anderen Ort, wenn eine Wortgottesfeier auf dem Plan steht.

Warum ist das so?

Für sie zählt nur die Eucharistie – alles andere nicht. Ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Natürlich ist es wichtig, einen guten Bezug zur Eucharistie zu haben, aber es kommt eben nicht nur darauf an. Viele haben das schon verstanden. Wer sich hingegen nur auf Eucharistiefeier und Priester ausrichtet, tut sich schwer mit Neuerungen.

Interview: Anja Sabel