200 Jahre Klosterkammer

Warum die Kirchen nicht so aussehen wie Landstraßen ...

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Altes unterhalten – eine gewaltige Aufgabe. Das gilt für Kirchen ebenso wie für Straßen. Warum in Sachen Gotteshäuser Niedersachsen einen Vorteil hat, erklärt der Präsident der Klosterkammer, Hans-Christian Biallas. Seine außergewöhnliche Behörde wird nun 200 Jahre alt.


Vermögen verwalten, Kirchen, Soziales
und Bildung unterstützen: So fasst
Präsident Hans-Christian Biallas
die Aufgaben der Klosterkammer
zusammen. | Foto: Wala

Einer Ihrer Vorgänger hat über die Klosterkammer gesagt: Nach außen Behörde, nach innen Kirche. Sehen Sie das heute genauso?

Das war Axel von Campenhausen, der diesen Satz geprägt hat. Etwas salopper formuliert: Die beiden großen Kirchen zählen zur Stammkundschaft der Klosterkammer. Wir haben ein Alleinstellungsmerkmal, weil es so etwas wie die Klosterkammer deutschland- und wohl auch europaweit nicht gibt. Das hat mit unserer Geschichte nach der Reformation zu tun. Die Neigung kirchlich enteignetes Vermögen in eine Stiftung zu stecken – und nicht einfach in das landesherrliche Vermögen – war nicht sehr ausgeprägt.

Warum wurde in Hannover ein anderer Weg gewählt?

Vorweg: Die Klosterkammer verwaltet vier Stiftungen. Die mit über 90 Prozent weitaus größte ist der Allgemeine Hannoversche Klosterfonds. Die Regentin Elisabeth von Calenberg hat 1542 verfügt, dass die durch die Reformation enteigneten katholischen Klöster als Damenstifte weitergeführt werden sollen – unter einer evangelischen Ordnung. Sie hat wie andere Landesherren enteignet, keine Frage. Aber sie hat das Vermögen in eine Stiftung überführt, die die Frauenklöster als geistliche Orte erhalten sollen.

Das war aus heutiger Sicht eine weise Entscheidung?

Das war zumindest eine ungewöhnliche Entscheidung. Ohne sie würde es uns nicht geben. Auch unser Zweck, Geld für kirchliche und wohltätige Zwecke ausgeben, hat bereits Elisabeth von Calenberg bestimmt und später Georg IV. bekräftigt. Georg IV. war es auch, der die formale Verwaltung des Klosterfonds und damit die Klosterkammer 1818 gegründet hatDeshalb erhalten wir heute noch selbstständig unsere 800 historischen Gebäude, darunter viele Kirchen. Würden wir das nicht machen, müsste das Land Niedersachsen diese große Aufgabe übernehmen. Vielleicht würden dann die Klöster und Kirchen so aussehen wie viele Landesstraßen.

Nun ist die Klosterkammer heute auch unternehmerisch tätig – sie verpachtet Grundstücke, unterhält Forstflächen und Wirtschaftsbetriebe. Welche Prinzipien stecken hinter dieser Tätigkeit?

Erst einmal sind wir eine Behörde – und eine Behörde kann keine Geschäfte machen. Wir sind aber nicht nur eine Stiftung, sondern auch eine Vermögensverwaltung. Daher müssen wir überlegen, wie wir mit den Stiftungsgeldern  mittel- und langfristig Erträge generieren. Allein mit Zinsen aus Geldanlagen ist das seit langem nicht mehr möglich.

Also haben Sie Unternehmen gegründet …

Wir haben Ausgründungen vorgenommen, die die Entwicklung der Klosterkammer positiv beeinflussen. Das sind Gesellschaften mit beschränkter Haftung – und alle steuerpflichtig. Alle unsere Unternehmen stehen im Wettbewerb mit anderen Firmen. So haben wir beispielsweise die „Cellerar“ gegründet, unter deren Dach unsere Hotel- und Gastronomieeinrichtungen gebündelt sind. Wir haben mit unseren eigenen Einrichtungen angefangen und später sind Gastronomiebetriebe anderer Stiftungen dazu gekommen – weil auch diese Stiftungen einen Partner benötigten, der solche Betriebe wirtschaftlich unterhalten kann.

Welche weiteren Gesellschaften gibt es?

Wir haben eine Immobilientochter, um Grundstücke zu entwickeln und zu vermarkten. Zudem möchten wir neue Erbbaurechte generieren.. Wir sind davon überzeugt, dass Erbbaurechte ein geeignetes Instrument der Vermögensverwaltung sind. Aus der Liegenschaftsverwaltung mit Erbbaurechten ist eine weitere Tochtergesellschaft hervorgegangen Mit dieser Firma machen wir jetzt Erbbaurechtsverwaltung für Dritte – auch für die katholische Kirche. Unterm Strich: Es sind neue Arbeitsplätze entstanden. Aber klar ist auch: Die Unternehmen müssen wirtschaftlich arbeiten.

Gehört es denn, wie 2012, zu den Aufgaben einer Klosterkammer eine Brauerei zu kaufen, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist?

Da haben wir aus der Insolvenz ein Traditionsunternehmen übernommen – durchaus mit Unterstützung der Landespolitik. Wir haben sehr genau geprüft, ob das wirtschaftlich leistbar ist. Wenn ein solches Unternehmen in die Insolvenz geht, gibt es meist einen Grund: einen großen Investitionsstau. Das war auch hier der Fall. Nach und nach haben wir einiges gemacht, vieles bleibt noch zu tun. Schließlich befinden wir uns im Wettbewerb mit anderen Brauereien. Ursprünglich wollten wir neben unserer fast 250 Jahre bestehenden Brennerei in Wöltingerode eine Hausbrauerei etablieren. Stattdessen haben wir die letzte Westharzer Brauerei mit einer 400-jährigen Geschichte übernommen. Wir hoffen, dass wir uns mit einem qualitativ hochwertigen Bier am Markt etablieren können.

Sie sprechen hier von politischen Anregungen. Wie groß ist denn der Einfluss, den die Politik auf die Landesbehörde Klosterkammer nehmen möchte?

Seit 200 Jahren versucht die Politik Einfluss auf die Klosterkammer zu nehmen. Das ist auch verständlich. Ich war 18 Jahre Abgeordneter im Landtag, da kenne ich die Begehrlichkeiten. 1972 hat der Staatsgerichtshof die verfassungsrechtlich geschützte Unabhängigkeit der Klosterkammer festgestellt. Damit ist klargestellt, was geht und was nicht geht.

Sie schütten als Klosterkammer 3,2 Millionen Euro an soziale, kirchliche und kulturelle Zwecke aus. Was sind da die Kriterien?

Die Stiftungszwecke ergeben sich aus dem Patent des Klosterfonds: Kirchliches, Soziales und der Bereich Bildung und Schule. Wir haben in den letzten Jahren sehr daran gearbeitet, unsere Vergaberichtlinien so transparent wie möglich zu gestalten: Wichtig war uns vor allem, dass wir mehr Personal in der Förderabteilung haben. Wenn wir Projekte richtig unterstützen wollen, müssen wir die Antragsteller gut beraten – damit die Projekte noch besser werden. Sie sollen langfristig gute Wirkung in der Gesellschaft entfalten – und nicht als Feuerwerk verpuffen.

Wie sind denn die Entscheidungswege?

Das hängt von der Höhe der Förderung ab. Bis 5000 Euro, also die Kleinstförderung, macht es die Fachabteilung im Haus. Für Anträge bis 50000 Euro gibt es einen Zuwendungsausschuss. Förderanträge über 50000 Euro werden durch ein die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen repräsentierendes Kuratorium begutachtet und bewertet. Gerade dieses Kuratorium hat sich in den letzten Jahren bewährt.

Die Ausstellung zum Jubiläum der Klosterkammer trägt den Titel „Die Schatzhüterin“. Welche Schätze werden denn gehütet, welche Bedeutung hat die Kunst?

Zur Klosterkammer gehören 12000 Kunstwerke, die zu bewahren und zu pflegen sind: Bilder, Wandteppiche, liturgisches Gerät und vieles mehr. Natürlich sind die Klöster voller Schätze. Aber ihre Zahl ist noch viel größer. Vieles lagert in Magazinen. Grundsätzlich aber gilt: Gäbe es die Klosterkammer nicht, wären diese Schätze vielleicht nicht verloren – aber wahrscheinlich nicht mehr beisammen. Es gibt viele Beispiele, bei denen Kunstschätze versteigert worden sind. Wir haben den Schatz zusammengehalten.

Wie gestaltet sich denn die Zusammenarbeit mit dem Bistum Hildesheim? Der Klosterkammer gehören ja neun Kirchen, die von der Diözese genutzt werden.

Die katholischen Schwestern und Brüder sind hier sehr geachtet und geschätzt. Das sieht man auch daran, dass wir die Kirchen verlässlich erhalten. Historische Gebäude zu erhalten ist eine große Aufgabe – und das machen wir. Nun besitzen wir durch die Übernahme der Klöster viele Grundstücke in und um Hildesheim und erzielen hohe Einnahmen. Das sehen wir als Verpflichtung, uns in Hildesheim, einem Kernland der Klosterkammer, zu engagieren. Dort, wo wir Geld verdienen, wollen wir es wieder investieren. Das betrifft den Unterhalt von Gebäuden ebenso wie das Zusammenführen des Hildesheimer Kirchenschatzes, wenn beispielsweise bei Auktionen alte Handschriften oder ähnliches auftauchen. Wir unterstützen das Dommuseum und die Dombibliothek gerne, diesen Schatz wieder zu ergänzen. Da sind wir genauso Schatzhüterin.

Interview: Rüdiger Wala

 


Hans-Christian Biallas

Seine Wahl zum Klosterkammerpräsidenten 2011 durch die damalige schwarz-gelbe Landesregierung war umstritten: „Fehlbesetzung“, „Ämterpatronage“, „jemand, der polarisiert“, waren die Vorwürfe aus der Opposition. Hans-Christian Biallas war zu diesem Zeitpunkt für die CDU 18 Jahre im Landtag und gehörte nach eigenen Angaben eher zur „Abteilung Attacke“ – einer, der sich lautstark in die Debatten eingemischt hat. Mit ihm rückte aber ein Kirchenmann an die Spitze der Landesbehörde Klosterkammer: Der 1956 in Hannover geborene Biallas studierte Evangelische Theologie und Rechtswissenschaften. Von 1983 bis 1994 war er Pastor der Kirchengemeinde in Cuxhaven-Altenbruch und seit 1986 zugleich stellvertretender Superintendent des Kirchenkreises Cuxhaven.