Über Kirchenpatrone, Patrozinium und Namensgeber
Warum tragen Kirchen einen Namen?

In der kommenden Ausgabe beginnen wir mit einer Serie über eher unbekannte Kirchenpatrone. Aber warum haben Kirchen ein sogenanntes Patrozinium? Müssen das immer Heilige sein? Und welche Namensgeber gibt es im Bistum? Einige Antworten.

Woher kommt der Begriffe Patron und Patrozinium?
Warum Kirchen einen „Patron“ haben, wird schon aus der Wortwurzel deutlich. Aus dem lateinischen übertragen bedeutet Patron nichts weiter als „Schutzherr“. Patrozinium (von lateinisch: patrocinium = deutsch: Beistand) ist somit die Schutzherrschaft eines Patrons oder einer Patronin – in erster Linie über eine Kirche, aber im erweiterten Sinn auch über eine Schule, einen Kindergarten oder ein Krankenhaus.
Hatten Kirchen schon immer schützende Namensgeber?
Nicht immer, aber es hat sich geschichtlich sehr früh entwickelt. Aus zwei Quellen – zum einen weltlich: In der Antike galten Patrone als Schutzherrn beziehungsweise einflussreiche und fürsorgliche Männer. Im 4. Jahrhundert übertrug man dieses Verständnis auf die Märtyrer. Denn die Märtyrer bilden die zweite, die kirchliche Quelle: Bereits in der alten Kirche war es Brauch, an ihren Gräbern um Beistand zu erflehen.
Wie wurden diese beiden Quellen zusammengeführt?
Der heilige Ambrosius von Mailand (339–397) war der erste, der die Tradition des Patronates auf die Kirche bezog. Der Vorstellung des Kirchenvaters hatte ein Märtyrer seinen Schutzbefohlenen auf Erden beizustehen, so wie es seit den ersten Tagen der Kirche die Gottesmutter Maria, der „Nährvater“ Josef, die Apostel und Johannes der Täufer getan haben: „Die siegreichen Opfer [= der Märtyrer] sollen an den Platz rücken, wo Christus das Opfer, ist: dieser, der für alle gelitten hat, auf dem Altar, jene unter dem Altar, weil sie durch sein Leiden erlöst sind.“ Etwa ab Mitte des 6. Jahrhunderts entwickelte sich die kirchliche Tradition derReliquienübertragung. Nicht mehr nur am Grab eines Märtyrers wurde Eucharistie gefeiert. Märtyrergebeine wurden zum Altar in die Gemeindekirche gebracht, um „Herrschafts- und Schutzverhältnis über die einzelne Kirche“ zu begründen. Spätestens im 8. Jahrhundert wurde dieses Schutzverhältnis auf alle Heiligen übertragen. Sie werden neben Christus und den Engeln zu den Seelenbegleitern und Fürbittern. Doch nicht nur Märtyrer und Heilige werden zu Patronen. Kirchen werden auch auf Glaubensgeheimnisse gebaut (Dreifaltigkeit, Auferstehung, Hl. Kreuz).
Wie ist in der Vergangenheit eine Kirche an ihren „Namen“ gekommen?
Durch die Tradition der Reliquienübertragung haben sich die frühen Christengegemeinden ihre Patronin oder ihren Patron quasi selbst gewählt. Viele Gemeinden gründen sich so auf die Gottesmutter Maria, als selige Jungfrau und Königin der Heiligen. Auch die regionale Nähe zu einem Heiligen hatte große Bedeutung. Oftmals waren es aber auch der oder die Stifter, die mit ihren Geldmitteln für eine Kirche auch das Patronat nahelegten: Adlige Stifter im Mittelalter bevorzugten ritterliche Heilige, wie Martin und Georg. Kaufleute, gerade im Norden Deutschlands aufgrund der Hanse, stifteten häufig Nikolauskirchen – der Heilige ist Patron der Seefahrer. Im Missionsgebieten wurde häufig Taufkirchen errichtet, die dem Schutz von Johannes dem Täufer geweiht waren. Zudem gab es Zeiten, in denen die Verehrung von bestimmten Heiligen populär oder politisch gewollt war – zum Beispiel bei der Mutter Marias, der heiligen Anna oder dem heiligen Josef. So wurde die Verehrung von Josef durch das österreichische Kaiserhaus der Habsburger gefördert, in Deutschland wurden ihm nach dem Kulturkampf viele Kirchen geweiht.
Haben sich Regeln für das Patrozinium einer Kirche herausgebildet?
Mit der Zeit ja. Drei Grundsätze werden an das Patrozinium einer Kirche angelegt: Canonische Vorschriften über Ernennung eines Kirchenpatrons bestehen folgende: Der Patron muss ein Heiliger sein (oder ein Glaubensgeheimnis), es muss die Meinung der beteiligten Gemeinde und die Genehmigung der Congregatio Rituum beim Heiligen Stuhl eingeholt werden. Im Prinzip ist das heute noch so. Über das Patronat einer Kirche entscheiden Bischof und Bistumsverwaltung gemeinsam mit der Gemeinde im Dialog – und mit Segen aus Rom.
Ist ein Patronat unveränderlich?
Prinzipiell schon. Zumindest heute. Im Kirchenrecht heißt es: „Jede Kirche muss ihren Titel (titulus) haben, der nach vollzogener Weihe nicht geändert werden kann.“ (CIC c. 1218). Das Patrozinium einer Kirche ist somit endgültig. In der Vergangenheit ist es aber vorgekommen, dass ein neues Patrozinium vorgenommen wurde. So konnte zum Beispiel der Reliquienbesitz zu einem Wechsel des Patronats führen.
Welche Patronate kommen im Bistum Hildesheim besonders häufig vor?
Das Bistum Hildesheim ist der Gottesmutter Maria geweiht. Da ist es tatsächlich kein Wunder, dass über 70 Kirchen unter ihrem Schutz stehen. Das sind mehr als ein Fünftel aller Kirchen und Kapellen im Bistum. Auf Platz zwei, mit gebührenden Abstand: der heilige Josef (auch mit „ph“) mit 27 Kirchen und Kapellen. Platz drei geht an den großen Heiligen des Bistums: Bischof Bernward mit zwölf Gotteshäusern. Auf die gleiche Zahl kommen Kirchen und Kapellen, die dem Hl. Geist geweiht sind.
Wie viele Kirchen sind Johannes dem Täufer, den Aposteln und Evangelisten geweiht?
Neun Kirchen tragen den Namen von Johannes dem Täufer, eine von ihnen ist „Johannes Enthauptung“ geweiht. Die Evangelisten Johannes und Matthäus kommen auf jeweils zwei Kirchen, eine für Markus – aber keine für Lukas. Bei den Aposteln stehen jeweils vier Kirche unter dem Schutz von Petrus und von Paulus.
Gibt es weitere Besonderheiten?
Sieben Kirchen sind im von Vertriebenen geprägten Bistum der heiligen Hedwig von Schlesien anvertraut – mehr als den beiden weiteren Bistumsheiligen Godehard (4) und Altfrid (3). Den großen Ritterheiligen St. Martin sind sieben und St. Georg fünf Kirchen geweiht. Als Inbegriff von Barmherzigkeit tragen neun Kirchen den Namen von St. Nikolaus und fünf den der heiligen Elisabeth.
Wie ist das mit den Kirchen, die auf Glaubensgeheimnissen gründen?
Hl. Kreuz ist das Patrozinium für acht Kirchen, die Dreifaltigkeit für vier. Den Verweis auf die himmlische Regentschaft von Jesus, Christkönig, tragen fünf Kirchen im Namen, seinen am Kreuz geopferten, auferstandenen und zur Eucharistie gewordenen Leib – Corpus Christi – drei Kirchen im Bistum.
Rüdiger Wala