Brauchtum im Bistum

Was die heilige Lucia aktuell sein lässt

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Eine junge Frau, die einen Kranz aus Kerzen trägt, wird von einem Pastor in die Kirche geleitet.
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Foto: Rita Stumper/St.-Petri-Dom Bremen

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Einzug der Lucia-Sängerinnen aus Schweden im Bremer Dom. Foto: Rita Stumper/St.-Petri-Dom Bremen

Zur Lucia-Andacht im Bremer Dom kommen mehr als 1000 Besucher. Für Pastor Henner Flügger ist die Heilige, die vor allem in Schweden populär ist, eine Frauenfigur, die auch in die heutige Zeit passt.

Einmal die Lucia sein dürfen, als Lichterkönigin ein Gefolge anführen – davon träumt jedes schwedische Mädchen. „Das war sehr aufregend“, erinnert sich Birgitta Wohlbrück an ihre eigene Rolle. Geübt wird schon lange vorher: das Singen, das Balancieren der Krone – wie beim Ballett. „Meine Mutter hatte Tränen in den Augen, als ich vor ihr stand.“ Traditionell trägt Lucia ein langes weißes Kleid, ein rotes Seidenband um die Taille und „Licht im Haar“, also eine Krone mit Kerzen auf dem Kopf – wobei die brennenden Kerzen heute weitestgehend von batteriebetriebenen abgelöst werden. Ihr folgen die Diener, die Sternknaben. Am Ende treffen sie auf Pfefferkuchenkerle und Wichtelmänner mit kleinen Laternen in den Händen. 

Birgitta Wohlbrück, aufgewachsen im nordschwedischen Umeå, holt die heilige Lucia jedes Jahr nach Bremen – zusammen mit dem schwedischen Klub, den sie gegründet hat. Sie lädt Sängerinnen und Sänger mit professionell ausgebildeten Stimmen ein – diesmal aus Stockholm –, organisiert Auftritte und macht so das traditionelle Lichterfest ihrer Heimat auch in Norddeutschland bekannt. 

Der 13. Dezember war vor der Gregorianischen Kalenderreform der kürzeste Tag im Jahr und somit auch der dunkelste. An diesem Tag gedenken vor allem die Schweden, aber auch die Norweger, Dänen und Finnlandschweden der heiligen Lucia. Der Legende nach lebte sie von 283 bis 304 in Syrakus im Römischen Reich. Ihr Name lässt sich von dem lateinischen Wort „lux“ (Licht) ableiten und bedeutet „die Leuchtende“. Sie wurde in Sizilien geboren und beschloss, ihr Leben Gott zu widmen. Während der Zeit der Christenverfolgung verteilte sie Brot unter ihren Glaubensschwestern und -brüdern. Damit sie die Hände für die Speisen frei hatte, trug sie auf dem Kopf einen Lichterkranz, so fand sie den Weg in die dunklen Verstecke in den Tunneln der Stadt. Als sie sich weigerte zu heiraten, wurde sie als Christin enttarnt und zum Tode verurteilt.

„Ich warte jedes Jahr mit Liebe darauf“ 

„Ich kenne keinen Schweden, der das Lied ,Santa Lucia‘ nicht auswendig kann“, sagt Birgitta Wohlbrück. Lucias Funktion als Lichtbringerin ist ungebrochen. „Ich wollte diesen wunderschönen Brauch mitnehmen, denn ich warte jedes Jahr mit Liebe darauf.“ Und so organisiert die „Schwedin in Bremen“, wie sie sich selbst bezeichnet, seit 23 Jahren das Luciasingen in ihrer Wahlheimat: in Kirchen, Altenheimen, Krankenhäusern und Schulen. Auch im Bremer Birgittenkloster waren Lucia-Chöre schon zu Gast. Wohlbrücks Leitsatz: Wer Geld hat, solle etwas für den Auftritt bezahlen, wer arm sei, dürfe ihn umsonst genießen – wie beispielsweise die Obdachlosen im „Bremer Treff“.

Im Bremer Dom tritt die Lichterkönigin regelmäßig auf. Anfangs, sagt Birgitta Wohlbrück, seien etwa 35 Leute zur Andacht gekommen, jetzt sei der Dom voll besetzt mit über 1000 Besuchern. Alle sitzen erwartungsvoll in den Bänken, bis Lucia mit ihrem Gefolge vom Hochchor einzieht. „Die Kinder können sich direkt vor dem Altar auf einen Teppich setzen“, sagt Henner Flügger. Der evangelische Pastor erzählt die Geschichte der historischen Lucia von Syrakus, es folgen traditionelle schwedische Adventsgesänge und eine Lesung. Auch Schwestern aus dem Birgittenkloster feiern die Andacht mit. Der Chor und die Musiker aus Stockholm, neun Frauen und fünf Männer, sind schon zum zweiten Mal dabei. Birgitta Wohlbrück schwärmt von einem besonderen Talent: einer 13-Jährigen, die Geige spielt und an der „besten Musikschule Stockholms“ ausgebildet werde. 

Für Pastor Flügger ist die heilige Lucia eine Frauenfigur, die auch in die heutige Zeit passt. „Lucia war eine moderne junge Frau, die sich für ihr Leben mehr vorstellen konnte, als liebevolle Ehefrau und Mutter zu sein. Sie war selbstbewusst, selbstständig, hat manches riskiert und Barmherzigkeit gelebt.“ Lucia oder auch der heilige Martin seien Vorbilder für Kinder. Christliche Ethik und Glaubensinhalte ließen sich anhand ihrer Geschichten anschaulich vermitteln. „Das hat durchaus einen religionspädagogischen Aspekt.“

Hefegebäck in Form einer Katze

Zum Lucia-Fest-Brauchtum gehört auch Kulinarisches – Pfefferkuchen und Lussekatter (Luciakatzen, siehe Rezept), letztere ein süßes, mit Safran gewürztes Hefegebäck in Form einer Katze, mit Rosinen als Augen. Diese Spezialität hat denselben Kultstatus wie die Zimtschnecke – mit dem Unterschied, dass sie nur einmal im Jahr gebacken wird. Zum Trinken gibt es Glühwein (Glögg), serviert mit Mandeln und Rosinen.

Anja Sabel