Berufungsgeschichten haben sich verändert

Wenn mitten im Beruf ein anderer ruft

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Immer mehr junge Priester sind gar nicht mehr jung. Sie wollten ursprünglich gar nicht Priester werden. Sie hatten Berufe wie Schreiner, Polizist oder Krankenpfleger. Aber dann merken sie: Gott hat etwas anderes mit mir vor. Viele solcher Männer
studieren dann Theologie im Studienhaus St. Lambert

Theologiestudenten vor dem Studienhaus St. Lambert in Lantershofen
So könnte eine Bigband aussehen, die sich für ein Plattencover präsentiert. Ein Ensemble bilden sie tatsächlich. Die Theologiestudenten vor dem Studienhaus St. Lambert in Lantershofen. Ganz vorn im Ordenskleid der Benediktiner: Bruder Lukas Boving.  Foto: Detlef Szillat 

Mit 21 Jahren hatte er es geschafft. Marc Heilenkötter hatte die Ausbildung zum Krankenpfleger abgeschlossen. Er arbeitete an einer Stelle, wo es auf jeden Handgriff ankommt. Im Operationssaal eines Krankenhauses. Heilenkötter hatte sich diesen Beruf ausgesucht. Er hätte dort weitermachen können. Und nach der Arbeit hätte er weiter in seiner Gemeinde als Ehrenamtlicher tätig sein können. „Ich hatte eine richtige Sakristeikarriere hinter mir: Ich war Ministrant, Mitglied im Pfarrgemeinderat und Lektor.“ Solche Leute braucht eine Gemeinde. Aber so ganz zufrieden war Marc Heilenkötter nicht. 

 „Doch schon damals spürte ich: Da war noch mehr.“ War der Beruf des Krankenpflegers der richtige Beruf? War es der Platz, auf den Gott ihn gestellt hatte? Den Gedanken, Priester zu werden, hat der junge Mann immer beiseite geschoben. Vielleicht aus Angst vor der eigenen Courage, wie er heute sagt. „Ich habe kein Abi, also kann ich ja kein Pries-ter werden. Das war so etwas wie mein Schutzschild.“ Es war ein Freund, der das erste Loch in diesen „Schutzschild“ bohrte. Priester? Natürlich. „Das ist genau deine Welt.“ Heilenkötter ging zu seinem Pfarrer. „Der sagte mir: Ich sehe dich schon ganz lange auf dem Weg zum Priester. Ich wollte dich nur nicht drängen. Sonst hättest du es vielleicht nur mir zuliebe gemacht.“ 

Heute ist Marc Heilenkötter 41 Jahre alt und Pfarrer im westfälischen Harsewinkel. Er hat Theologie in Lantershofen studiert, im Studienhaus St. Lambert. Das ist eine Hochschule, die ausschließlich für künftige Priester und für „Späteinsteiger“ gegründet wurde. Außer in kirchlichen Kreisen kennt kaum jemand den Studienort Lantershofen. Es ist ein idyllisches Nest im Ahrtal, in der Nähe von Weinbergen, Feldern und einer Autobahn; das Studienhaus war einmal eine Burg, ergänzt durch moderne Nebenbauten. Hier gibt es wenig Ablenkung, keine überfüllten Hörsäle und auch keine überflüssigen Vorlesungen. Vier Jahre dauert das Studium, kürzer und konzentrierter als der theologische Studienweg an der Uni.

Man braucht kein Abitur zu haben, um in Lantershofen einzusteigen. „Wir sind alle durch das Abitur des Lebens gegangen“, sagt Andreas Züll. Das gilt für ihn ebenso wie für die anderen Studenten und Absolventen des Studienhauses. Andreas Züll etwa war Fahrdienstleiter bei der Bahn. Sebastian Lambertz war Vertriebskaufmann. Manuel Vetter war Schreiner. Thomas Barenth war Verwaltungsfachwirt in einem Landratsamt. 

Die Berufungs-Geschichten der Männer von Lantershofen ähneln einander. Nie ist es eine Stimme vom Himmel, die plötzlich in den Alltag einschlägt und zum Priesterdasein auffordert. Selten spielen konkrete Schlüsselerlebnisse eine Rolle. Öfter ist es eher ein schwelendes Gefühl im „normalen“ Glaubenslebens eines aktiven Katholiken: Da geht noch mehr. Manchmal beeinflussen Freunde und Begleiter, zum Beispiel Priester, die Neuorientierung. Ein Ereignis wie ein Weltjugendtag oder ein Gottesdienst ist dann nur noch ein Zündfunke. So wie bei dem Eisenbahner Andreas Züll: „Gemeinsam mit meinem Pfarrer fuhr ich im Jahr 2006 in den Aachener Dom. Als ich dort in der Bank saß, dachte ich: Priester, das wäre doch was für dich. Es hat Klick gemacht.“

Mit dem Eintritt in den Studienbetrieb ändert sich schon das Leben für die „Umsteiger“. Sie steuern auf die Weihe und damit auf eine besondere Lebensform zu. Nur einer der heutigen Studenten kommt nicht aus dem „weltlichen Leben“: Lukas Boving ist schon seit einigen Jahren Benediktinermönch im Kloster Nütschau (Schleswig-Holstein). Bisher war er Laienbruder, in einem Jahr wird er das Studium beendet haben, letzte Station vor der Diakonweihe. Auch Bruder Lukas hatte vor seinem Ordenseintritt einen anderen Beruf: Als Werbefachmann hat er Kampagnen für weltweit tätige Unternehmen entworfen. Solche Fähigkeiten kann man überall gebrauchen. Gerade hat Bruder Lukas Boving mit Martin Brummer eine Werbekampagne für Berufungen realisiert: „Ruf mitten im Beruf“ heißt der Titel der Aktion. 

„Schätzungsweise haben wir beide schon 1 000 Stunden in diese Kampagne investiert“, sagt Bruder Lukas. Er und seine Kommilitonen müssen auch nach der Weihe ihre alten Fähigkeiten und Berufserfahrungen nicht vergessen. Im Gegenteil: „Ich war im Landratsamt mit Einbürgerungsrecht und dann im Sozialamt mit Hartz-IV-Verfahren befasst“, sagt Thomas Barenth, ein ehemaliger Lantershofener. „Da bekommt man ein Gespür für Menschen in schwierigen Situationen. Das kann ich heute bei der Seelsorge gut einsetzen.“

Text: Andreas Hüser

Die Werbekampagne „Ruf! Mitten im Beruf“ arbeitet mit Postkarten, Flyern, Plakaten und der Webseite: www.ruf-mitten-im-beruf.de
Sie ist auch zu finden in Münster auf dem Katholikentag vom 9. bis 13. Mai.