Ruhestand

„Wer rastet, der rostet"

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Der Eintritt in den Ruhestand ist für viele Senioren nicht leicht. Dabei hat diese dritte Lebensphase bei der richtigen inneren Einstellung viel zu bieten. Altersforscher Sven Voelpel erklärt, wie man alt wird, ohne zu vergreisen.

 


Ein Ehrenamt, wie hier in der Küche einer Wärmestube für Bedürftige, hilft, den Ruhestand sinnvoll zu gestalten. Denn dabei tut man nicht nur anderen etwas Gutes, sondern auch sich selbst.| Foto: Thomas Osterfeld

Wie kann ich mich gut auf den sogenannten dritten Lebensabschnitt, den Ruhestand, vorbereiten?

Es gibt da eine ganz interessante Studie: Und zwar haben Forscher den durchschnittlichen Blutfluss im Hirn bei drei verschiedenen Gruppen über vier Jahre gemessen: bei Berufstätigen, bei aktiven und bei weniger aktiven Pensionären. Das Ergebnis: Bei den Berufstätigen blieb der Blutfluss im Hirn annähernd gleich, bei den aktiven Ruheständlern stieg er an, sie blieben geistig rege, und bei den passiven Rentnern, die es sich auf der Couch bequem gemacht haben, sank er sogar drastisch ab. Die Folge: Depressionen, Herzprobleme, Rückenleiden. Wir haben eine hohe Todesrate direkt nach dem Ausstieg aus dem Beruf. Wer rastet, der rostet also tatsächlich!
Um optimal in den Ruhestand zu starten und diese Zeit positiv für sich zu gestalten, hilft es daher, sich schon frühzeitig zu überlegen, was man im Alter denn tatsächlich möchte. Welche Hobbys  habe ich, was begeistert mich, habe ich Familie oder Freunde, wo kann ich mich engagieren, für wen möchte ich da sein? Damit verhindern sie, dass dieses Loch entsteht und ermöglichen es selbst, ihren aktiven Ruhestand selbst glücklich zu gestalten.

Sie behaupten: Altern ist reine Kopfsache. Wie wichtig ist eine innere positive Einstellung?

Neben einer gesunden Lebensweise mit viel Bewegung und einer ausgewogenen Ernähung ist sie das Kernthema überhaupt. Alle Personen, die sehr alt geworden sind, haben kaum Gemeinsamkeiten, aus denen sich ableiten ließe, welches Geheimnis zu ihrem hohen Alter beigetragen haben könnte. Aber alle hatten eine positive Einstellung zum Altern. Wer sich alt fühlt, läuft Gefahr, sich zu beschränken und anzupassen, sich in seinem Gebrechlichwerden einzurichten. Wir können aber aktiv beeinflussen, wozu wir in der Lage sind und wie alt wir uns fühlen. Gesund und glücklich zu altern, heißt, den positiven Seiten Raum zu geben und das Negative zu akzeptieren. Eine solche positive Einstellung gibt Energie. Warum nicht im Alter noch ein Instrument oder eine neue Sportart lernen? Auch eine tiefe Verwurzelung im Glauben kann zu dieser positiven Einstellung beitragen. Das damit verbundene Gottvertrauen lässt Menschen glücklicher und zufriedener sein. Dabei kommt es natürlich auch auf die Art des Glaubens an.

Was ist mit ehrenamtlichem Engagement? Wo gibt es Anknüpfungspunkte?

Wenn Menschen ein Ehrenamt bekleiden, ist das wunderbar und absolut sinnvoll. Zum einen sind sie begeistert von dem, was sie tun, und sie haben darüber hinaus ein soziales Netzwerk um sich. Alle Menschen, die sehr alt werden, sind in ein soziales Leben eingebunden, sie werden gebraucht. Wer sich engagiert,  kommt raus, lernt neue Dinge kennen, bleibt fit. Menschen, die hier auf der Suche sind, sollten sich fragen: Was macht mir selber Spaß, wofür kann ich mich begeistern? Es gibt so viele Dinge, die man tun kann: beim Rettungsdienst, im Altenheim, im Hospiz, in der Flüchtlingshilfe. Am glücklichsten macht es immer noch, Dinge für andere zu tun.

Werden die Möglichkeiten, die das Alter bietet, heute zu wenig genutzt?

Politisch wird das absolut noch zu wenig genutzt. Wir können heute mit 101 noch einen Marathon laufen, dürfen aber mit 67 nicht mehr arbeiten. Das ist doch absurd! Wir brauchen hier viel flexiblere Möglichkeiten und gesetzliche Rentenregelungen. Negative Altersbilder in unseren Köpfen, etwa von Demenz, Gebrechlichkeit und Pflegebedürftigkeit, bestimmen noch viel zu sehr unser Handeln. Es müssen neue Perspektiven her. Mit Blick auf die demografische Entwicklung und auf der anderen Seite noch durch durch Digitalisierung beschleunigter Produktivitätsgewinn sollte ein fließender Übergang zwischen einem Vollzeitjob und einer Teilzeitbeschäftigung jederzeit möglich sein – jeder nach seiner Façon, egal ob mit 50 oder 90 Jahren. Wichtig ist es, das Leben einfach glücklich und gesund zu genießen.

Interview: Astrid Fleute