Beduinendorf Khan al Ahmar vom Abriss bedroht

Widerstand gegen Bulldozer

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Militärgebiet statt Beduinendorf: In der judäischen Wüste droht einem Dorf der Abriss. Die Bewohner wehren sich.

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Ein Bulldozer und eine handvoll Polizisten: Das Beduinendorf Khan al Ahmar soll abgerissen werden. Foto: kna


Unablässig ritzt Ibrahim Jahalin mit einem Strohhalm Muster in seine sonnengegerbte Haut. Eigentlich führt der Beduine Touristen durch die Wüste. In diesen Tagen sitzt er wie die meisten Männer von Khan al Ahmar unter der Zeltplane am Eingang des Dorfes. Die Müdigkeit steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Nach Wochen des Bangens scheint der drohende Abriss seines Dorfes nahe. Die israelische Armee deklarierte jüngst das Gebiet um das Dorf in der judäischen Wüste östlich von Jerusalem als Militärgebiet. In den Morgenstunden des Mittwoch rollt erstes schweres Gerät an.

Die Order erlaube der Armee, die bevorstehende Evakuierung und Zerstörung von Khan al-Ahmar vorzubereiten., bestätigte eine Sprecherin der israelischen Koordinationsstelle für Regierungsaktivitäten in den besetzten Gebieten (COGAT) der Katholischen Nachrichten-Agentur. Bulldozer planieren seither die Zufahrt zu dem Ort. "In so vielen Jahren, die die Jahalin hier wohnen, hat Israel es nicht für nötig gehalten, eine Straße nach Khan al-Ahmar zu bauen - erst jetzt, wo der Staat die Beduinen vertreiben will", kritisiert Roy Yellin von der Menschenrechtsgruppe B'Tselem.

Die Szene ist surreal. Zwischen improvisiert wirkenden Einzäunungen für das Vieh der Dorfbewohner und der Wüste steht er, ein einsamer gelber Bagger mit einer Handvoll israelischer Soldaten. In seiner Schaufel und drumherum: Kinder und Alte, Beduinen, Palästinenser, Vertreter der PLO, israelische Menschenrechtler, internationale Aktivisten. Die Polizei hält sich abseits im Schatten. Das Wetter ist heiß, die Stimmung zunächst friedlich. Von zwei Festnahmen wegen Steinewerfens berichtet später die Polizei, von mindestens 35 Verletzten der Palästinensische Rote Halbmond.

"Wir wollen keine Gewalt", sagt der verantwortliche Polizist und fordert die Männer unter der Zeltplane auf, die Kinder aus der Reichweite des israelischen Geräts zu holen. Mit Protesten und Flaggen habe man kein Problem, solange Respekt und Ordnung herrschten - Worte, die den Anwesenden bitter aufstoßen. "Israel hat so viel Land, vom Golan bis zur ägyptischen Grenze", klagt Ibrahim Jahalin, und: "Warum müssen sie gerade dieses Stück Land haben? Damit noch mehr Osteuropäer und Russen hierher ziehen?"

"Wir sehen hier quasi ein Kriegsverbrechen", sagt der Btselem-Feldforschungsdirektor Kareem Jubran, der die israelische Armeeaktion vor Ort dokumentiert und später von der Polizei festgenommen wird. Offiziell werden von Israel fehlende Baugenehmigungen für die Ansiedlung angeführt. Für die Bewohner und ihre Unterstützer ist diese Begründung ein Hohn. "Die Menschen hier haben immer wieder vergeblich versucht, einen Masterplan oder Genehmigungen zu erhalten", so Jubran. "Sie leben hier seit 1950 und dürfen nicht einmal Badezimmer bauen. Gleichzeitig wird die Siedlung Kfar Adumim in direkter Nachbarschaft immer weiter entwickelt."

 

"Ich gehe hier nicht weg"

Für Sara Maimon gibt es noch einen ganz anderen Grund, den Beduinen gegen den Staat den Rücken zu stärken. "Die Beduinen leben in einer Weise, wie es unsere Vorväter, unser Erzvater Abraham, getan haben. Wenn wir ihnen diese Lebensweise verweigern, verweigern wir einen Teil von uns", sagt die Israelin, die ihre Solidarität als Teil ihrer Bürgerpflicht sieht.

Vor 51 Jahren sei er auf diesem Land geboren, ebenso wie später seine fünf Töchter und der Sohn, erzählt Ibrahim Jahalin: "Egal, wie viele Bulldozer Israel bringt. Ich gehe hier nicht weg. Sollen doch die Einwanderer auf der Müllhalde wohnen, die sie uns als Ersatz angeboten haben!"

Man werde das Dorf heute noch nicht antasten, sagt der Einsatzleiter. Die Worte hängen wie ein Damoklesschwert über dem Dorf und seinen 181 Bewohnern. Seit sie im israelischen Unabhängigkeitskrieg (1948) aus der Negevwüste vertrieben wurden, leben Beduinen vom Jahalinstamm hier. Am 24. Mai hat Israels Oberstes Gericht nach jahrelangem Streit seinen Abriss als rechtmäßig erklärt, wenige Tage später wurde der Bau von 92 neuen Wohnungen in Kfar Adumim genehmigt. Im unweit gelegenen Abu Nuwar sind am Mittwoch laut Angaben israelischer Friedensaktivisten mindestens neun Häuser von der israelischen Armee abgerissen worden.

Bei der Unterstützergruppe "Jahalin Solidarity" hofft man unterdessen auf jeden weiteren Tag Verzögerung. Im britischen und im europäischen Parlament ist der geplante Abriss am Mittwoch Thema einer Fragestunde. Vielleicht, so die Hoffnung, können Dorf und Schule gerettet werden.

kna