Initiative #OutInChurch erhält den Osnabrücker Rosa Courage Preis

„Wie sorgen wir dafür, dass ein Coming-out überflüssig wird?“

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Mehrere Menschen stehen versammelt und halten die Preise in den Händen. Im Hintergrund sitzt ein Publikum
Nachweis

Fotos: Jasmin Lobert

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Von links: Katharina Pötter (Oberbürgermeisterin), Godehard Giese, Karin Hanczewski, Eva Meckbach von #ActOut; Jens Ehebrecht-Zumsande, Ann-Cathrin Röttger, Ramona Kielblock und Pierre Stutz von #OutinChurch; Frank Mayer (Vorstand Gay in May e. V.), Henny Engels (Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands), dahinter Lars Linnhoff (Vorstand Gay in May e. V.). Fotos: Jasmin Lobert

Der Osnabrücker Verein Gay in May hat in diesem Jahr die beiden Initiativen „#ActOut“ und „#OutInChurch“ für ihr Gruppen-Coming-out in den Jahren 2021 und 2022 mit dem Rosa Courage Preis ausgezeichnet. Dieser Preis wird seit 32 Jahren an Persönlichkeiten verliehen, die sich in besonderer Weise für die Belange von Menschen einsetzen, die lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, queer, intergeschlechtlich oder nichtbinär sind.

„Lassen Sie nicht nach, bleiben Sie so laut, wie Sie es jetzt sind, damit sich viel mehr Menschen trauen, zu sich selber zu stehen.“ Mit diesem Satz beendete Oberbürgermeisterin Katharina Pötter ihre Ansprache bei der Preisverleihung des Rosa Courage Preises im Friedenssaal des Osnabrücker Rathauses. Der Verein Gay in May zeichnete in diesem Jahr die beiden Initiativen „#ActOut“ und „#OutInChurch“ für ihr Gruppen-Coming-out in den Jahren 2021 und 2022 aus. Damit gab es zum ersten Mal in der Geschichte des Rosa Courage Preises zwei Preisträger.

Im Februar 2021 outeten sich 185 Schauspielerinnen und Schauspieler im „Süddeutsche Zeitung Magazin“ zu ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität, etablierten die Initiative #ActOut und veröffentlichten dazu ein Manifest. Im Januar 2022 taten es ihnen 125 Menschen nach, die beruflich oder ehrenamtlich in der katholischen Kirche in Deutschland tätig sind.

„So unterschiedlich die gesellschaftlichen Kontexte der beiden Gruppen sind, so ähnlich sind die Strukturen der Unterdrückung queerer Menschen“, sagte Frank Mayer, Vorstandsmitglied von Gay in May. „Wir haben uns dazu entschieden, beide Initiativen auszuzeichnen, weil sie das Problem einte, dass sie mit dem Outing ihren Job gefährdet haben.“ Die Laudatorin Henny Engels, Vorstandsmitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD), würdigte den Verdienst der beiden Initiativen: „Den Mutigen gehört die Welt und ihnen ist die Welt zum Dank verpflichtet.“

Aus einer kleinen Frühstücksrunde wurde eine Bewegung

Ein Mann steht zwischen zwei Frauen am Rednerpult. Eine Frau hält einen Preis in der Hand
Stellvertretend für #ActOut hält der Schauspieler Godehard Giese eine Rede. Links von ihm: Eva Meckbach, rechts: Katrin Hanczewski.

Der Schauspieler Godehard Giese, der eine emotionale Dankesrede stellvertretend für #ActOut gehalten hat, erzählte von den Anfängen der Initiative. Begonnen hat alles mit einem Filmfest im Jahr 2019. Einer befreundeten Schauspielerin wurde davon abgeraten ihre Lebenspartnerin mit auf den roten Teppich zu nehmen. Das könnte der Karriere schaden. Beim Frühstück am nächsten Tag entstand die Idee zu #ActOut. Was mit einer kleinen Frühstücksrunde begann, wurde immer größer. 2021 bekannte sich 185 Schauspielerinnen und Schauspieler öffentlich zu ihrer Sexualität und ihrer geschlechtlichen Identität. Mittlerweile bekennen sich mehr als doppelt so viele Menschen auf der Website von #ActOut. Zum Abschluss seiner Rede richtete Giese sein Wort an #OutInChurch: „Wir möchten euch dafür danken, dass ihr unseren Ball aufgenommen habt.“

Für die Initiative #OutInChurch hielt Initiator und Vorstandsmitglied Jens Ehebrecht-Zumsande eine Dankesrede. Mit ihrem kollektiven Coming-out veröffentlichten sie ein Manifest und richteten sieben Forderungen an die katholische Kirche. Die Forderungen thematisieren unter anderem einen notwendigen Kulturwandel, die Überwindung der queerfeindlichen kirchlichen Lehre und menschenfeindlichen Sexualmoral sowie die Änderung des kirchlichen Arbeitsrechtes. Von diesen Forderungen wurde bisher nur eine erfüllt. Das kirchliche Arbeitsrecht wurde geändert. Ehebrecht-Zumsande sagte dazu: „Niemand kann mehr gekündigt werden, weil diese Person queer ist und queer lebt. Das ist nicht wenig!“ 

Mitte Mai ist eine Coming-out-Kampagne von Profifußballern geplant

Ein Mann steht vor einem Rednerpult. Um ihn herum stehen zwei Frauen und ein Mann.
Pierre Stutz, Ramona Kielblock, Jens Ehebrecht-Zumsande und Ann-Cathrin Röttger nahmen den Preis stellvertretend für #OutInChurch entgegen (v.l.).

Nach dem Beifall des Publikums sprach er weiter: „Wir dürfen als Mitarbeitende nun eine Bereicherung sein. Als Privatperson bleiben wir schwere Sünder. Es bleibt also noch viel zu tun.“ Sich in der römisch-katholischen Kirche als lesbisch, schwul, bisexuell, nichtbinär, transgender oder queer zu zeigen, koste auch heute noch viel Mut. „Wir fordern einen Platz ein in dieser Kirche. Wir lassen nicht länger zu, dass man uns, unsere Identität, unsere Würde, unsere queere Begabung abwertet. Für diese Diskriminierung stehen wir nicht mehr zur Verfügung!“ Auch nach dieser Aussage klatschte und jubelte der ganze Saal.

Zum Ende seiner Rede richtete Ehebrecht-Zumsande die Aufmerksamkeit auf eine weitere Gruppe, die scheinbar den Staffelstab von #ActOut und #OutInChurch aufnimmt. Der Ex-Jugendnationalspieler Marcus Urban hat angekündigt, dass es am 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homophobie, ein Gruppen-Coming-out von Profifußballern geben wird. Auch wenn solche Kampagnen zu begrüßen seien, gibt Ehebrecht-Zumsande auch zu denken, dass etwas mit unserer Mehrheitsgesellschaft nicht stimme, wenn es weiterhin solche Initiativen brauche. „Es geht nicht primär darum, welche Gruppe als nächstes eine Coming-out-Kampagne startet und ob sie erfolgreich wird. Die entscheidende Frage richtet sich an die Mehrheitsgesellschaft und sie lautet: Wie überwinden wir diskriminierende Strukturen? Wie sorgen wir dafür, dass ein Coming-out überflüssig wird?“ Er beendete seine Rede mit der Feststellung und dem Appell: „Wir entscheiden durch unser Handeln in welcher Gesellschaft wir leben werden.“


Zur Sache

Der Osnabrücker Rosa Courage Preis wird seit 32 Jahren an Persönlichkeiten verliehen, die sich in besonderer Weise für die Belange von Menschen einsetzen, die lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, queer, intergeschlechtlich oder nichtbinär sind. Der Verein „Gay in May“, der den Preis vergibt, ist seit circa 45 Jahren in Osnabrück aktiv. Er ist 1979 als „Rosa Flut“ im Kulturzentrum Lagerhalle gestartet und lässt als Gay in May einmal im Jahr das kulturelle, soziale und politische Leben in Osnabrück von und für LGBTIQ-Menschen sichtbar werden.

Mehr zum Thema #OutInChurch lesen Sie in dem Artikel „Mutiger Schritt in die Öffentlichkeit“.
 

Jasmin Lobert