Nahrungswald aus Spelle wird beim Landes-Erntedankfest vorgestellt

"Wir müssen was verändern"

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Ein Mann zeigt rote Tomaten.
Nachweis

Foto: Petra Diek-Münchow

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Frische Tomaten wachsen auf dem landwirtschaftlichen Betrieb von Johannes Hoffrogge.

„Nehmt Neuland unter den Pflug“: Diese Bibelstelle steht als Leitmotiv über dem niedersächsischen Landes-Erntedankfest im Emsland. Sie gilt zugleich für einen der Aussteller dort: Johannes Hoffrogge und seinen Hof.

Von diesen Tomaten möchte sich jeder gern eine Scheibe abschneiden. Leuchtend rot hängen sie im Folientunnel auf dem Hof Hoffrogge im emsländischen Spelle. Gleich neben dem Feld, auf dem Rote Bete, Möhren, Sellerie und Kohl auf die Ernte warten. Sieht fast so aus wie auf vielen anderen Bauernhöfen. Aber nur fast, denn die Ernte übernimmt Johannes Hoffrogge nicht allein, sondern mit 30 weiteren Mitgliedern des Vereins Solidarische Landwirtschaft.

Gemeinsam pflanzen

Was das bedeutet? Die Männer und Frauen, meist aus der näheren Region, teilen sich die Kosten für den Anbau, pflanzen und pflegen das Gemüse gemeinsam, ernten und teilen sich den Ertrag. Was von Zucchini und Co. übrig bleibt, stellen sie samt Bioeiern, anderen regionalen Produkten und einem Pausenkaffee in eine Verkaufshütte neben dem Hof. „Und das funktioniert sehr gut“, sagt Hoffrogge. Wie genau, das wird er den Gästen gern auf seinem Info-Stand beim niedersächsischen Landes-Erntedankfest erzählen.

Ein Mann zeigt einen Feigenbaum
Im Nahrungswald wachsen zum Beispiel auch Feigenbäume.

Hoffrogge steht für eines der Projekte, die sich auf der von Kirche und Landwirtschaft organisierten Veranstaltung (siehe auch „Termin“) vorstellen. Auch Ministerin Miriam Staudte kommt dazu nach Spelle. Das Motto „Nehmt Neuland unter den Pflug“ aus dem biblischen Buch Hosea passt dabei zur Entwicklung des Hofes. Johannes Hoffrogge wächst hier mit seinen Geschwistern auf, übernimmt später den zuerst konventionell erfolgreich geführten Betrieb: mit Schweinehaltung, Ackerbau und seit 2012 einem Stall für Biolegehennen.

Aber mit der Zeit hinterfragt er mehr und mehr, ob diese Art der Lebensmittelproduktion noch richtig ist. Die Themen Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Regionalität, Artensterben und biologische Vielfalt treiben ihn um – er recherchiert, liest, bildet sich fort. „Wir verbrauchen gerade drei Erden in Deutschland. So können wir nicht weitermachen“, sagt Hoffrogge. „Wir müssen Landwirtschaft neu denken, nur auf gesundem Boden können auch gesunde Pflanzen wachsen.“ Und dass zum Beispiel irgendwo in Spanien große Mengen an Wasser und Energie für den Gemüseanbau in einem Meer von Folientunneln verbraucht werden, nur damit „wir hier immer alles zu jeder Zeit essen können“, findet er mindestens bedenklich.

Daher strukturiert er seit einigen Jahren den Hof schrittweise um – mit den Bioeiern, einer deutlich kleineren und im Sinne des Tierwohls veränderten Schweinehaltung, mit ökologischem Gemüseanbau, mit der Solidarischen Landwirtschaft. Und seit Ende 2023 mit einem geförderten „Nahrungswald“ – ein Konzept, das es nach seinen Worten in dieser Form weit und breit noch gar nicht gibt. Auf diesem Areal, das langfristig bis zu 14 Hektar groß werden soll, haben er und die Mitglieder des Vereins bislang 600 Obst- und Nussbäume gepflanzt: nicht nur Äpfel, Pflaumen und Birnen, sondern zum Beispielen auch Quitten, Maulbeeren, Feigen, winterharte Datteln und Esskastanien sind dabei. „Wir wollen ausprobieren, was auf diesem Standort funktioniert.“ Im nächsten Frühjahr sollen dann noch diverse Beerensträucher dazukommen.

Bäume und Büsche stehen dabei wie in einem natürlichen Wald verstreut durcheinander. Dadurch versorgen sie sich gegenseitig mit Nährstoffen, Wasser und Schatten. Am Ende, davon geht Johannes Hoffrogge aus, braucht die Fläche daher keinen Dünger, keinen künstlichen Pflanzenschutz, keine extra Beregnung: „Das wird ein in sich autarkes System“. Angebaut, gepflegt und geerntet werden soll im Nahrungswald ebenfalls über die Männer und Frauen, die bei der Solidarischen Landwirtschaft mitmachen. Aber künftig möchte Hoffrogge die erzeugten Lebensmittel auch direkt vermarkten, zum Beispiel in einem Hofladen oder über Wochenmärkte.

Es braucht einen langen Atem

Bis der Nahrungswald aber einen verwertbaren Ertrag liefern kann, könnte es noch einige Jahre dauern. Geduld braucht es dafür, einen langen Atem, auch Erklärungen für Berufskolleginnen und -kollegen. Und das feste Gehalt seiner Ehefrau als Lehrerin sichert diesen neuen Weg mit ab. „Aber irgendwo müssen wir ja mal anfangen, was zu verändern“, sagt Johannes Hoffrogge.

Petra Diek-Münchow

Rund um die Kirche St. Johannes in Spelle findet am Sonntag, 29. September, von 14 bis 18 Uhr das Landes-Erntedankfest statt. Dazu laden das Bistum Osnabrück, die Pfarreiengemeinschaft Spelle und die Marketinggesellschaft der niedersächsischen Land- und Ernährungswirtschaft ein. Das Landes-Erntedankfest ist die überregionale Veranstaltung der evangelischen Landeskirchen, der katholischen Bistümer und der Land- und Ernährungswirtschaft. Der Nachmittag beginnt mit einem ökumenischen Gottesdienst. Danach können sich die Gäste verschiedene Aktionsstände anschauen. Zur Stärkung gibt es einen Imbiss, Kostproben und Kaffee, aber bewusst keinen Verkauf von Speisen und Getränken. https://www.landeserntedankfest-niedersachsen.de