Großmutter und Enkelin auf der Telgter Wallfahrt
"Wir waren einfach immer zu zweit dabei"
Es ist fast, als wäre es gestern gewesen. So genau können sich Lena und Martha Herkenhoff aus Hagen-Gellenbeck an das Foto erinnern, das im Juli 1995 von ihnen im Kirchenboten erschien. „Das war auf der Telgter Wallfahrt, direkt nach dem Einzug in Telgte während der kleinen Andacht am Außenaltar. Wir sitzen zusammen auf dem Podest und singen. Wie immer hast du mich und Papa mit Opa dort abgeholt“, erzählt die Oma und blickt ihre Enkelin dabei liebevoll an. Jahrelang hing der Zeitungsartikel eingerahmt im Kinderzimmer von Lena, später in ihrem Büro, heute im eigenen Haus. Die Oma hatte ihn ihr geschenkt, Lena hält ihn in Ehren. Auch die dazugehörige Zeitung ist sicher verwahrt – ein Andenken, das beiden wichtig ist.
Fast 30 Jahre sind seitdem vergangen. Vieles ist passiert. Die damals fünfjährige Lena ist lange erwachsen und selbst Mutter. So wie sie damals bei der Oma, sitzt heute der kleine Urenkel Tom auf dem Schoß. Aber die Liebe zur Telgter Wallfahrt ist über die Jahre geblieben und verbindet Großmutter und Enkelin auf eine ganz besondere Weise.
Ein Zeitungsartikel, der in Ehren gehalten wird
Am kommenden Wochenende ziehen wieder Tausende Osnabrücker Pilger los nach Telgte – zum 171. Mal (siehe „Zur Sache“). Viele Erinnerungen kommen in diesen Tagen bei Martha Herkenhoff hoch: „Wenn es eben ging, bin ich mitgegangen“, erzählt die mittlerweile 89-Jährige. Bei Wind und Wetter, Regen und Sonnenschein pilgerte sie über 40-mal von Gellenbeck aus los. „Manchmal floss uns das Wasser aus den Schuhen, so hat es geregnet. Oder es war so heiß, dass wir uns Taschentücher zusammengeknotet und sie als Sonnenschutz auf den Kopf gelegt haben. Hüte oder Wanderschuhe hatten wir nicht“, erinnert sie sich und muss schmunzeln.
Wallfahren wird oft über Generationen weitergegeben. Das ist bei den Herkenhoffs nicht anders. Martha hat es von ihrem Vater übernommen und freut sich natürlich, dass das Virus sich auf ihren Sohn Werner, der seit Jahren Fahnenträger im Gellenbecker Wallfahrtsverein ist, und auf Enkelin Lena weiter übertragen hat. Denn die Telgter Wallfahrt, so betont sie mit Glitzern in den Augen, die bedeutet ihr „sehr, sehr viel.“ Für die Seniorin ist es vor allem der Dank an die Gottesmutter, der sie jedes Jahr nach Telgte zieht: „Sie hat mir schon oft wieder auf die Füße geholfen und ich möchte ihr Danke sagen.“ Danke für überstandene Krankheiten und Unfälle, für die Familie, für Urenkel Tom oder die in diesem Jahr anstehende Eiserne Hochzeit mit Ehemann Hannes, der auch viele Jahre mitpilgerte nach Telgte.
Für die 33-jährige Lena ist es vor allem die große Gemeinschaft, die sie zur Wallfahrt zieht. „Die ist wirklich etwas ganz Besonderes“, erzählt sie und betont: „Es ist schön und macht Spaß, auch wenn es furchtbar anstregend ist.“ Lena Herkenhoff ist sich sicher: „Alleine würde man gar nicht ankommen.“ Genau wie bei vielen anderen Pilgern muss sich auch bei den Herkenhoffs seit vielen Jahren die Urlaubsplanung nach der Wallfahrt richten. Gebete für Familien sprechen die junge Mutter ebenfalls an. Mit dem Rosenkranz kann sie dagegen nicht so viel anfangen. Ihre Oma aber liebt das Rosenkranzgebet – sie bete ihn viel, das gebe ihr Kraft, betont sie.
Lena ist mittlerweile Vorsitzende des Wallfahrtsvereins Gellenbeck
Die Liebe zur Wallfahrt hinterlässt auch ihre Spuren. So ist Lena Herkenhoff seit dem vergangenen Jahr die erste Vorsitzende des Wallfahrtsvereins Gellenbeck, der 200 Mitglieder zählt und in der Gemeinde fleißig die Werbetrommel rührt. Sohn Tom ist mit seinen fünf Monaten derzeit das jüngste Mitglied und wird am Wochenende in Telgte der Mama beim Einzug zuwinken. Auch die Schwangerschaft im vergangenen Jahr konnte nicht verhindern, dass Lena loszog. Sie ließ sie sich lediglich nach Glandorf bringen und ging von dort aus mit – mit einem ganz besonderen Gebetsanliegen im Hinterkopf.
Jahrelang gingen Oma und Enkelin gemeinsam den Weg nach Telgte. „Wir waren einfach immer zu zweit dabei, jedes Jahr ein Stück mehr“, berichten sie. Dabei erzählte die Oma der kleinen Lena auch aus früheren Zeiten: So weiß die junge Frau heute zum Beispiel, dass die immer noch bestehende Lücke in der Mitte des Wallfahrtszuges daran erinnert, dass früher Männer und Frauen getrennt gehen mussten. Auch eine große Sammlung von Gebetsanliegen dokumentiert die lange Geschichte der Wallfahrt in der Familie Herkenhoff.
Mit 79 Jahren schnürte Oma Martha zum letzten Mal ihre Schuhe und ging die 42 km lange Strecke auf der Bundesstraße mit. Danach entschied der Familienrat: ,Jetzt ist Schluss.“ In Ruhe lässt die Wallfahrt Martha Herkenhoff aber seitdem nicht. Über Sohn und Enkelin ist sie immer nah dran am Geschehen. Sie erzählt: „Am Wallfahrtswochenende bin ich immer nervös. Man hat einfach das Bedürfnis, dabeizusein.“ In Gedanken geht die Seniorin die Strecke mit, weiß immer genau, wo sich die Pilger gerade befinden. Sie erzählt: „Das schlimmste Ende ist immer von Oedingberge nach Ostbevern: Das ist eine unheimlich lange Strecke.“ Ohne das Singen und Beten sei das kaum zu bewältigen: „Man läuft dann einfach automatisch“, sagt sie. Das schönste Stück dagegen sei der Rückweg „wenn wir uns in Bad Iburg von der großen Wallfahrt verabschieden und weiter nach Hagen ziehen“, ergänzt die Enkelin. „Da wird gewunken und geklatscht und ganz herzlich tschüss gesagt.“
Jede Station ist mit Erinnerungen verbunden
So ist jede Station der Wallfahrt für die beiden mit Erinnerungen und festen Traditionen verbunden. In Glandorf gibt es stets ein Frühstück im Kolpinghaus, in Ostbevern essen sie Schnitzel, Kartoffelsalat in einer bestimmen Gastwirtschaft, treffen dort auch immer die gleichen Menschen. Lena Herkenhoff erzählt: „Die Besitzer wollen nie Trinkgeld haben. Stattdessen sagen sie: ,Betet für uns in Telgte‘ “.
Im Wallfahrtsort angekommen, treffen sich Oma, Sohn Werner und Enkelin Lena: Denn Martha Herkenhoff lässt es sich bis heute nicht nehmen, mit dem Wagen nach Telgte zu fahren, dort pünktlich zum Einzug die Osnabrücker Pilger willkommen zu heißen und die Abendandacht zu besuchen. Auch morgens zum Auszug steht sie wieder in Telgte parat und winkt den Wallfahrern zu. „So richtig ohne geht es einfach nicht“, sagt sie schmunzelnd und blickt ihre Enkelin an. Die nickt zustimmend.
Zur Sache:
Die Osnabrücker Wallfahrt nach Telgte
Unter dem Leitwort „Habt Vertrauen, ich bin es“ (Mt 14,27) findet am 8. und 9. Juli die 171. Osnabrücker Telgter Wallfahrt statt. Der Aufbruch der Fußwallfahrer ist um 3 Uhr am Johannisfriedhof/Lutherkirche in Osnabrück. Zuvor werden jeweils um 1.30 Uhr Pilgermessen in St. Johann und St. Joseph angeboten. Begleitfahrzeuge können für Gepäck- und Personentransport genutzt werden.
Nach dem Einzug in Glandorf um 8 Uhr findet in der Johanniskirche eine Pilgermesse mit Weihbischof Johannes Wübbe statt. An der Klause in Oedingberge wird der Geistliche Leiter der Wallfahrt, Domkapitular Martin Schomaker, predigen. Gegen 15.45 Uhr ziehen die Pilger dann in Telgte ein. Um 17.30 Uhr gibt es für die Erstkommunionkinder eine Betrachtung vor dem Gnadenbild.
Übernachtungsmöglichkeiten bestehen in der Sporthalle des Schulzentrums sowie im Rochus-Krankenhaus. Schlafsack und Luftmatraze müssen mitgebracht werden und eine Anmeldung ist notwendig: Tel. 0 25 04/6 00.
Die erste Pilgermesse am Sonntag ist um 5.30 Uhr mit Weihbischof Wübbe, der auch in der zweiten Pilgermesse mit Dechant Schomaker die Predigt hält. Auszug ist um 8 Uhr, den Wortgottesdienst in Oedingberge feiert Pfarrer Thilo Wilhelm.
Parallel zu den Fußwallfahrern gibt es auch Fahrradpilger. Sie starten am 8. Juli mit einem Reisesegen um 7.30 Uhr an St. Johann in Osnabrück.
Darüber hinaus haben die Telgter Wallfahrtsvereine in der Pfarrei St. Joseph eine Busfahrt nach Ostbevern, Telgte und zurück organisiert. Der Busshuttle kostet 10 Euro (Kinder und Jugendliche fahren kostenlos) und startet um 12.30 Uhr am Marktplatz, Am Riedenbach.
Weitere Informationen unter: www.wallfahrt-nach-telgte.de