Die Schwierigkeit, über den Heiligen Geist zu sprechen

Wo wir stumm bleiben

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Wie soll man sich Gottes Geist vorstellen? Was können wir von ihm sagen? Über den Heiligen Geist zu sprechen ist ganz schwierig. Vielleicht aber auch unnötig. Er selbst braucht ja keine Worte, um Beistand und Trost zu geben. 

Pfingsten auf einem Kachelbild in der Kapelle unserer Frau von Fatima in Pousada, Portugal
 Pfingsten auf einem Kachelbild in der Kapelle unserer Frau von Fatima in Pousada, Portugal.  Foto: Joseolgon

In dem Lied „Nun bitten wir den Heiligen Geist“ (Gotteslob 348) gibt es eine besonders berührende Stelle. In der dritten Strophe wird gesungen: „Bete du in uns, wo wir stumm bleiben, Kyrieleis.“ Das Lied wird gemeinhin Martin Luther zugeschrieben. Aber die besagte Strophe stammt aus dem 20. Jahrhundert, geschrieben von der großen Dichterin liturgischer Gesänge Maria Luise Thurmair (1912–2005). Luther seinerseits hat mit „Nun bitten wir den Heiligen Geist“ eine Dichtung aus dem 13. Jahrhundert übernommen. Die erste Strophe stammt von dem Franziskaner Berthold von Regensburg. 

Das Lied gehört wie viele der ältesten deutschen Kirchenlieder zur Gattung der „Leisen“. Sie heißen nicht so, weil sie leise gesungen werden – im Gegenteil –, sondern weil „Leisen“ mit dem Ruf „Kyrieleis!“ enden: „Herr erbarme dich!“ Das ist der Hilfeschrei des Blinden von Jericho. Der Blinde ruft Jesus so an, und als die Umstehenden ihn zum Schweigen bringen wollen, schreit er noch lauter: „Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ (Markus 10,48)

Auch die Bitte im Lied ist ein Hilferuf: „Bete du in uns, wenn wir stumm bleiben!“ Und wir bleiben oft stumm. Wenn wir zu wenig im Kopf haben oder zu viel. Wenn es uns die Sprache verschlagen hat. Wenn wir die Worte nicht finden oder sie gar nicht erst haben. 

Das muss kein Sprachproblem sein. Es gibt Dinge, die man nicht sagen kann. Dann betet der Geist Gottes selbst in uns. 

Warum „seufzt“ der Heilige Geist?

Wie ist das möglich? Maria Luise Thurmair hat hier eine Stelle aus dem Römerbrief aufgegriffen: „So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, was wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern.“ (Römer 8,26) Was in den deutschen Bibelübersetzungen als „Seufzen“ oder „Stöhnen“ ausgedrückt ist, meint das Unausgesprochene, die innere Bewegung und Sehnsucht, die jedem bewusst gewählten Wort vorausgeht. 

Der Apostel Paulus will damit nicht sagen, dass man sich das Beten sparen und dem Heiligen Geist überlassen kann. Er will sagen: Bevor wir überhaupt damit anfangen, hat uns der Geist schon geholfen. Der „Beistand“ hilft Worte zu finden. Aber wenn es wirklich ernst wird, ist die Sprache gar nicht so wichtig. Eine Mutter braucht keine Worte, um ihr weinendes Kind zu trösten. So ist es auch beim „Tröster Geist“. 

Deshalb ist der Geist Gottes besonders denen nah, die aus eigener Kraft nicht weiterkommen. „Pater Pauperum“, Vater der Armen, so wird der Geist in der uralten Pfingstsequenz „Veni Sancte Spiritus“ angerufen. Und arm ist am Ende jeder Mensch. 

In seinem Geist ist Gott der „Ansprechpartner“ der Menschen, die von Gott keine Ahnung haben oder nur eine schwache Ahnung. Auch das gilt mehr oder weniger für jeden. Er ist der Atem derer, die keine Luft mehr kriegen. Er ist das Licht in uns, das auch in den dunkelsten Stunden nie ausgeht. 

Und weil er eben nicht nur ein Licht, sondern Gott in uns ist, können wir zu diesem Licht sprechen, besser noch: singen. Etwa mit den Worten von Marie Luise Thurmair: „Du heller Schein, du lebendig Licht. Geist des Herrn, der unsre Nacht durchbricht. Lass uns Gott erkennen, ihn Vater nennen, und von Christus uns nimmer mehr trennen. Kyrieleis!“ 

Text: Andreas Hüser