Familienbund ruft zum Handeln auf

Wohnungen dringend gesucht

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Wohnraum ist zum Luxusgut geworden. Vor allem bedürftige Familien und Alleinerziehende können die Mieten kaum noch bezahlen. Höchste Zeit zum Handeln – auch für Gemeinden. Der Familienbund ruft eindringlich dazu auf.


Eine Möbelkammer kann bei der Einrichtung einer Wohnung helfen. Norbert Poerschke betreut sie in Christus König, Osnabrück. Foto: Thomas Osterfeld

Eine komplette Kücheneinrichtung, diverse Sofas, Wohnzimmermöbel, Tische, Stühle, Teppiche – gut sortiert und gestapelt stehen und liegen verschiedenste Möbel und Einrichtungsgegenstände in den Räumen einer kleinen Altbauwohnung. Mitten drin: Norbert Poerschke. Der Leiter der Caritasgruppe kennt sich aus im Möbellager der Osnabrücker Pfarrei Christus König, weiß zu jedem Möbelstück, wo es herkommt und wo es hingehen wird. Denn die Fluktuation ist groß. Ständig erreichen die Pfarrei Anfragen nach gebrauchten Möbeln oder anderen Dingen. Von bedürftigen Familien, Flüchtlingen oder Einzelpersonen. Was nicht im Lager vorhanden ist, wird über einen Mail-Verteiler gesucht: ein Netzwerk, in dem mittlerweile schon 250 Menschen mit ihrer E-Mail-Adresse registriert sind.

„Sachspenden sind oft kein Problem“, erzählt Norbert Poerschke. Erst vor kurzem habe er nach einem Kinderbett gefragt – und vier bekommen. Auch gebrauchte Kinderwagen, Fahrräder, kleinere Möbelstücke oder Umzugshelfer und Nachhilfelehrer für Sprachunterricht seien über das Netzwerk gut zu bekommen. Was dagegen oft fehlt sind Wohnungen. So versucht die Pfarrei immer wieder, günstige Wohnungen an Flüchtlinge oder bedürftige Familien zu vermitteln. „Das ist sehr schwierig“, so Poerschke. Der Wohnungsmarkt sei bekanntermaßen leer. Nur über zufällige private Angebote habe er bereits Wohnraum vermitteln können. „Man muss in der Pfarrei immer wieder darüber reden und es bekanntmachen, dass Wohnungen dringend gesucht werden. Der Newsletter ist hier eine gute Möglichkeit. Anders geht es nicht.“

Wohnungsnot ist ein schleichendes Thema

Entstanden ist die Idee dieses Netzwerkes 2010 im Rahmen der Aktion „Mein Nächster“. „Wir wollten die Menschen in der Pfarrei  dafür sensibilisieren, was bei uns im Stadtteil los ist, wie es den Menschen geht, wo Hilfe benötigt wird“, erinnert sich Diakon Hans Ulrich Schmiegelt. Mit der Flüchtlingswelle 2015 wurden die Not und der Bedarf schlagartig größer. Der Diakon begann, E-Mails zu verschicken: Zunächst im Bekanntenkreis und in der Caritasgruppe. Dann sprach er  Menschen in der Gemeinde und in den Nachbargemeinden an. Bis heute kommen immer wieder neue Adressen hinzu: „Mittlerweile fragen wir auch bei Taufgesprächen oder im Rahmen der Erstkommunionkatechese nach, ob Familien sich registrieren lassen möchten und oft ist die spontane Antwort: ,Ja, natürlich.‘ “

Die Aktion ist für alle Seiten eine tolle Sache: Denn auch wer nicht helfen kann, bekommt durch den Verteiler etwas mit von der Not im Stadtteil: „Es wirkt sehr bewusstseinsbildend. Und manchmal erinnert man sich dann doch an die Kiste, den Schrank, das Bett auf dem Dachboden oder die freiwerdende Wohnung in der Nachbarschaft, die woanders viel Gutes bewirken können“, meint Schmiegelt.

Die Wohnungsnot ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Auch Kirche ist hier gefordert, Pfarrgemeinden sollten sich dem Thema widmen. Das fordert der Familienbund der Katholiken im Bistum. Er betrachtet die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt mit großer Sorge. In einem Brief bitten die Mitglieder jetzt die Kirchengemeinden mit ihren Gremien darum, das Thema „Wohnen“ auf ihre Tagesordnungen zu setzen. „Als Kirche müssen wir uns diesen drängenden Fragen der Menschen stellen“, schreiben sie und haben auch Vorschläge parat, wie sich Gemeinden engagieren können.

„Das ist eine soziale Frage, für manche existenziell“, macht Peter Klösener, Geschäftsführer beim Familienbund, die Dringlichkeit des Themas deutlich. Seine Vorstandskollegin Marga Apke ergänzt: „Wir wollen Menschen sensibilisieren, darüber nachzudenken: Was kann ich ändern?“. Die Wohnungsnot sei ein „schleichendes Thema“ und vielen noch nicht wirklich bewusst. „Oft fehlt der Anschub, wirklich etwas zu tun. Hier wollen wir ansetzen“, betont Apke, die auf viele Rückmeldungen aus den Gemeinden hofft.  

„Oft fehlt der Anschub, wirklich etwas zu tun“

Dass der Bedarf und die Not zunehmen, merken auch die Pfarrbüros. „Die Anfragen nehmen  zu. Ich habe zum Beispiel eine Familie, die fast täglich nachfragt, ob wir ihr eine Wohnung vermitteln können“, berichtet Pfarrsekretärin Monika Ruschmeier aus Christus König. Sie ist froh, dass sie an die Caritasgruppe und ihre Hilfsangebote verweisen kann. Neben Möbelkammer und  Mail-Verteiler gibt es auch kleine finanzielle Hilfen: Wenn Familien Abrechnungen für Heizkosten nicht sofort zahlen könnten, biete die Pfarrei zinslose Kleinkredite an, um kurzfristige Engpässe überbrücken zu können. Eine Dauerlösung sei das aber nicht, betont Poerschke: „Das Geld muss in Raten zurückgezahlt werden.“

Auch bei der Caritas ist der Mangel an bezahlbaren Wohnungen schon lange auf der Tagesordnung. „Wohnungsnot ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts“, betonte Caritasdirektor Franz Loth jetzt bei einem Aktionstag in Osnabrück. Bischof Franz-Josef Bode nahm auch die Kirche in die Pflicht. Einzelmaßnahmen allein reichten nicht aus. „Wir müssen Verbündete suchen und uns in Netzwerke hineinbegeben“, forderte Bode und regte ein „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ an, in dem auch die Kirche gefragt sei.

Astrid Fleute