Wort des Bischofs von Mainz, Peter Kohlgraf

Zur Heiligung des Alltags – der Rosenkranz

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Langweilig, nur etwas für „alte Leute“? Bischof Peter Kohlgraf nimmt im „Wort des Bischofs“ die Einwände gegen den Rosenkranz in den Blick und berichtet von einer persönlichen Erfahrung mit dieser Gebetsform. 



Das Rosenkranzgebet ist geprägt von Wiederholungen und schenkt dadurch innere Stille.


Zwei Monate im Kirchenjahr sind besonders der Gottesmutter Maria geweiht: der Mai und der Oktober. Im Mai blüht die Natur auf, und glaubende Menschen haben darin einen schönen Vergleich für unser Glaubensleben entdeckt: Mit der Bereitschaft Marias, Mutter des Erlösers zu werden, blüht die totgeglaubte menschliche Natur wieder auf – ein Bild der Erlösung.
Am 7. Oktober feiert die katholische Kirche den „Gedenktag unserer Lieben Frau vom Rosenkranz“. Historisch steht dahinter der Sieg bei Lepanto am 1. Oktober 1571 über die türkischen Truppen. Natürlich werden wir heute zu Recht vorsichtig, wenn kriegerische Siege in einem Kampf zwischen Religionen Gott zugeschrieben werden. Zu schmerzlich sind die Erfahrungen, wenn Religion politisch und militärisch instrumentalisiert wird.
Versuchen wir den Gedanken für uns positiv zu wenden: Der Rosenkranz ist in den Gebetsschatz der Kirche eingegangen. Das Rosenkranzfest ermutigt zu einer Vertiefung des eigenen Gebetslebens. Dabei kann der Rosenkranz eine gute Hilfe sein. Es ist gut, dass wir zu unserem Glauben stehen können und deswegen besonders auch unseren muslimischen Nachbarn mit Respekt und Wertschätzung begegnen können. Historisch ist es eine gute Entwicklung, dass wir von der Auseinandersetzung zum Dialog gekommen sind.
Gegen das Rosenkranzgebet gibt es auch Einwände: Es erscheint manchem langweilig, als ein Gebet für alte Leute. Letzteres ist kein echter Einwand. Die Tatsache, dass besonders alte Menschen den Rosenkranz schätzen, spricht keinesfalls gegen ihn. Viele alte und besonders auch kranke Menschen leisten durch das Gebet einen wichtigen Dienst. Langeweile – das ist sicher ein Argument, mit dem man sich beschäftigen muss.
Ich kann mich langsam dem ganzen Rosenkranz annähern. Ich kann einzelne Gesätze beten, ich kann ein Bild zu Hilfe nehmen, oder einen Betrachtungstext, der mich zu dem jeweiligen Gesätz hinführt. Mittlerweile haben viele junge Menschen durchaus wieder eine Beziehung zum Rosenkranzgebet entwickelt. Man muss nur einfach mal anfangen.
Der Rosenkranz ist im Kern ein Christusgebet: Wir schauen mit den Augen Mariens auf das Leben und Wirken Jesu. In vielen Religionen gibt es solche betrachtende Gebetsformen, die durch die Wiederholung leben. Die Gedanken können sich wie ein „Ohrwurm“ ins Herz setzen und dort zu wirken beginnen. Die Wiederholung schenkt Ruhe, innere Stille, wie eine liebgewordene Melodie, die mich begleitet. Die Geheimnisse des Rosenkranzes sind eine Zusammenfassung des Evangeliums. Ohne ein Buch in die Hand nehmen zu müssen, versenke ich mich in die Menschwerdung, das Leben, das Leiden und die Auferstehung des Herrn. Dadurch, dass ich den Rosenkranz überall beten kann, hilft er mir zur Heiligung des Alltags.
Es gab manche Situationen in meinem Leben, in denen der Rosenkranz eine wirksame Gebetshilfe war. Ich denke an das Sterben meiner Großmutter. Da macht man nicht viele Worte, aber ich habe an ihrem Sterbebett den Rosenkranz gebetet, und ich bin sicher, dass sie innerlich mitgebetet hat. In meiner Hosentasche trage ich stets einen Rosenkranz mit mir. Gelegenheit zum Beten bietet sich immer wieder. Ich lade Sie alle ein, dieses Gebet vielleicht neu zu entdecken, oder treu dabei zu bleiben.


Ihr Bischof Peter Kohlgraf