TAG DES HERRN-Wettbewerb „Kirche vor Ort“: Besuchsdienst

Spaziergänge, die Mut machen

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Mitglieder des Besuchdienstes der katholischen Gemeinde in Barnim.
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Foto: Privat

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Mitglieder des Besuchdienstes.

Seit fast 25 Jahren besuchen Mitglieder der Pfarrei Heiliger Christophorus Barnim Patienten in der Brandenburgklinik Bernau und gehen mit ihnen spazieren. Einer von ihnen, Ronald Kindler, spricht über den Besuchsdienst.

Er selbst hatte immer Glück. In 35 Dienstjahren als Aufzugsmonteur hat sich Ronald Kindler nie ernsthaft verletzt. „Toi toi toi, immer alles gut gegangen.“ Er weiß: Krankheiten und Unfälle kommen meistens unerwartet. Wie bei den Menschen, die er und weitere Mitglieder der Pfarrei Heiliger Christophorus Barnim alle zwei Wochen besuchen. Es sind Patienten und Bewohner in der Brandenburgklinik Bernau, die dort zur Reha sind oder in der Seniorenresidenz für Demenzkranke leben.

Er selbst besucht vor allem die Reha-Patienten, die nach Schlaganfällen Probleme mit der Bewegung oder auch der Artikulation haben. Viele Patienten kommen von weiter weg und sind schon älter, haben selten Besuch von Angehörigen. „Ich habe aber auch schon eine junge Frau betreut, eine Studentin, die einen Schlaganfall hatte. Das Altersspektrum ist breit“, sagt Kindler.

Seit 13 Jahren gehört er zur Besuchsdienstgruppe, die seit fast 25 Jahren besteht. Als die Brandenburgklinik im Bau war, bat einer der katholischen Betreiber die Pfarrgemeinde um Unterstützung“, erzählt Ronald Kindler. Ihn, den aus Berlin neu Zugezogenen, lud der damalige Kirchenvorstandsvorsitzende in die Gruppe ein.

In der ehemaligen Wandlitzer Waldsiedlung, wo er heute Patienten im Rollstuhl oder Rollator spazieren führt, residierte früher die SED-Parteielite. Einmal schob Ronald Kindler den einstigen Kraftfahrer von Margot Honecker vor sich her. „Der erzählte von seiner früheren Welt, das war nicht uninteressant.“ Mal ist er nur ein paar Minuten mit den Patienten unterwegs, mal wird es eine ganze Stunde. „Das Schöne ist: Man sieht Fortschritte. Bei der ersten Begegnung sitzen viele im Rollstuhl, später laufen sie mit dem Rollator neben einem her.“ Bis zu sechs Monate lang hat Kindler Patienten begleitet. „Mit der Zeit werden die Gespräche vertrauter. Die Leute erzählen von ihrem Zuhause, was die Kinder machen. Häufig leben die der Arbeit wegen weit weg.“ Bei manchen Patienten bleibe es aber auch beim Gespräch über das Wetter.

Logo TdH-Wettbwerb: Kirche vor OrtViermal pro Jahr trifft sich die ganze Besuchsdienst-Gruppe. „Für September hat Diakon Peter Dudyka zum Grillen eingeladen. Wir reden über unsere Erlebnisse, man kann auch mal Probleme ansprechen.“

Ronald Kindler und seine Mitstreiter sehen sich als Mutmacher. „Die Leute sind ungeduldig, wenn sie nach drei Wochen nicht auf dem Damm sind, sie wollen so schnell wie möglich zurück nach Hause.“ Ihnen erzähle er von Patienten, die er früher begleitet habe. Dass es aufwärts gehe, wenn man Geduld mitbringe und die Übungen gut mitmache. Es gebe aber auch schwierigere Situationen. „Wenn jemand nur noch undefinierbare Laute von sich geben kann, bin ich selbst unsicher. Ich will ja keinen billigen Trost geben. Dann folge ich meinem Gefühl.“

Nach der Rehazeit verliert sich der Kontakt, es sind Beziehungen auf Zeit. Trotzdem bemerkt Ronald Kindler, wie dankbar die Patienten sind, dass jemand für sie da war. „Das gibt mir dann auch selbst etwas.“

Er selbst ist mit seinen 77 Jahren trotz Knie-OP körperlich „ganz gut drauf“, schafft mit seiner Frau noch 20 Kilometer lange Fahrradtouren. „Vielleicht liegt es ja auch an den Spaziergängen durch die Waldsiedlung. Es ist bestimmt nicht das Schlechteste, an der frischen Luft zu sein.“

Stefan Schilde
Ihre Stimme für dieses oder ein anderes Wettbewerbs-Projekt können Sie bis zum 15. September im Internet (bit.ly/tdh-kirche-vor-ort) oder telefonisch (03 41 / 4 67 77 29) abgeben