Chemnitzer Kirchen eröffnen Jahr der Kulturhauptstadt
Ökumene intensiv wie nie
Foto: Torree Photography
Wenn Chemnitz mit der umliegenden Region im nächsten Jahr Kulturhauptstadt Europas wird, sind auch die Kirchen und Gemeinden darauf vorbereitet. Noch vor der offiziellen Eröffnung der Kulturhauptstadt (18. Januar 2025) feiert die „Kulturkirche 2025“ ihre Programmeröffnung, nämlich am ersten Adventswochenende. „Ein bewusster Auftakt, der nicht nur traditionell ein neues Kirchenjahr, sondern auch ein Jahr der europäischen Gemeinschaft feiert. Es ist ein Brückenschlag: zwischen Stadt und Region, Vergangenheit und Zukunft, Einheimischen und Gästen und zwischen Menschen verschiedenster Kulturen und Generationen“, sagt die Katholische Beauftrage der Kulturhauptstadt 2025, Ulrike Lynn. Damit wird die Adventszeit Teil des Kulturhauptstadtjahres – und die Erzgebirgsregion kann ihre berühmten „Weihnachtsschätze“ besonders strahlen lassen. Unter dem Thema „Licht im Advent“ feiert die Kulturkirche am 30. November um 17 Uhr einen ökumenischen Auftaktgottesdienst mit musikalischen Beiträgen in der St. Petri Kirche Chemnitz. Mit dabei sind unter anderem die Bischöfe Tobias Bilz (Landeskirche Sachsen), Heinrich Timmerevers (Bistum Dresden-Meißen) und Harald Rückert (Evangelisch-methodistische Kirche), der Chemnitzer Oberbürgermeister Sven Schulze.
Weit über 30 Gemeinden aus Chemnitz und Umgebung beteiligen sich mit Veranstaltungen und Projekten am ökumenischen Verbund, der offizieller Programmpartner der Europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz 2025 ist. „Wir verstehen Kulturhauptstadt nicht nur als ein Veranstaltungsjahr, sondern glauben, dass es neben allen wunderschönen Events auch die Prozesse sind, die nachhaltig und langfristig zu einer grundlegenden Veränderung der Stadt und der Region beitragen werden“, sagt Lynn. Deshalb fördern manche Veranstaltungsreihen bereits seit 2021 Gemeinschaft, Kreativität und ein wertschätzendes Miteinander. Eine dieser längerfristigen Reihen sind die „Stadtexkursionen“, die an oft übersehene Orte mit viel verstecktem Potenzial führen oder auf außerordentliches Engagement der Menschen hinweisen. So wurden bereits der Bürgerpark Gablenz, der Kappteich und auch verschiedene Kirchen erkundet. Die nächste Exkursion findet am 2. Februar 2025, 16 Uhr statt. Es geht zur „Allee des Lichts“ im Chemnitzer Park der Opfer des Faschismus.
Vielfältig Kultur erleben
Der Buchstabe C im Kulturhauptstadt-Motto „C the unseen“ (englisch für „Sieh das Ungesehene“) steht auch für Chemnitz als oft ungesehene Stadt mit verborgenem Potenzial – und für Menschen, die aktiv ihr Umfeld gestalten. Das „C“ im Motto kann daher auch für Christus als Schöpfer und Talentgeber stehen. Die Kulturkirche interpretiert das Motto auf eigene Art. 2021 entstanden nach einigen Überlegungen als Auslegung des Mottos die drei Schlagworte „neu sehen, neu schätzen, neu stärken“, die sowohl Orte, Glaubensschätze als auch Menschen betreffen. Menschen, die sich kreativ, künstlerisch oder sozial für ihre Umwelt einsetzen, sollen verstärkt gesehen und gefördert werden. „Dann können Einzelpersonen wie Gruppen kulturstiftend werden“, sagt Propst Benno Schäffel, Mitglied im Kernteam der Kulturkirche 2025.
Das Programm aus Vorträgen, Konzerten, Gesprächsformaten und Ausstellungen in Kirchen bietet viele Gelegenheiten, Verborgenes zu entdecken und neue Perspektiven zu gewinnen. Kultur umfasst mehr als Kunst, Literatur oder Musik; sie lebt auch im Dialog, in der Begegnung miteinander, der Versöhnung gesellschaftlicher und biografischer Brüche, im Erkunden neuer Orte und Feiern des Glaubens und des Lebens. Deshalb liegen Schwerpunkte in den Kulturkirchen-Veranstaltungen auf einem freundlichen Miteinander, auf heilsamer Versöhnung, auf offenen Türen für Gäste und Pilger und auf das (Wieder-)Entdecken von Glaubens- und Kirchenschätzen.
Die traditionellen Herbstvorträge, die die Chemnitzer Pfarrei in Zusammenarbeit mit der Katholischen Akademie verantwortet, widmen sich seit 2022 verschiedenen Aspekten des Kulturhauptstadtprogramms. Es ging bereits um Engel in verschiedenen Religionen, um Aspekte des Sehens und den Umgang mit Brüchen. Das Format soll auch im kommenden Jahr fortgesetzt werden.
Das Projekt „History of Citizens“ fördert den Dialog zwischen Jugendlichen und Zeitzeugen über 60 und rückt Menschen ins Licht, die die Brüche und Veränderungen der letzten Jahrzehnte miterlebt haben. Gemeinsam mit der Partnerkulturhauptstadt Nova Gorica/Gorizia (Slowenien/Italien) entstehen eindrucksvolle, persönliche Erinnerungen an historische Wendepunkte, die im November 2025 multimedial präsentiert werden.
Glaubensschätze neu entdecken
Schäffel plädiert dafür, nicht um jeden Preis ein „Extraprogramm“ zu veranstalten, sondern sich bewusst zu machen, in welchen gelebten Werten und Glaubenstraditionen bereits Kultur steckt, die es „neu wertzuschätzen und zu stärken gilt“. Schon zweimal verhüllten die „Interventionen zur Passion“ zur Fastenzeit die Altäre einiger Kirchen in der Tradition der Flügelaltäre und Hungertücher. Diese Verhüllungen sind zeitgenössen Kunstwerke, die im Austausch zwischen Künstler und Gemeinde und unter Beachtung der Architektur und Ikonografie der Kirche entstehen. Die künstlerische Intervention lässt den Weg Jesu ans Kreuz neu aufleben und bietet frische Perspektiven auf scheinbar bekannte Kirchengebäude. Im kommenden Jahr wird unter anderem der Altar der katholischen Gemeinde St. Joseph (Chemnitz) mit einer originalgetreuen Kopie des „Zittauer Fastentuchs“ verhüllt. Auch die katholische Kirche in Annaberg-Buchholz erhält eine Verhüllung. Am Ende der Passionszeit wird der Altar wieder sichtbar und kann neu wahrgenommen werden.
Die „Europäische Bergpredigt“ setzt den Schwerpunkt auf Austausch. Das Format spielt nicht nur auf eine der bedeutendsten Predigten Jesu an, sondern greift auch das in vielen Kulturen und Religionen bedeutende Motiv des Berges auf und verweist auf die Region, die durch den Bergbau geprägt wurde. Am 19. Juni wird eine solche Predigt in St. Franziskus, Chemnitz, gehalten. Ergänzt werden die Bergpredigten durch Veranstaltungen mit Bergreden von Denkern, Philosophen, Kulturkritikern und Theologen, die zum Dialog anregen. Bergpredigt und Bergrede gehören beide zum Begleitprogramm des Kunst- und Skulpturenpfades „Purple Path“ („lila Pfad“), der die 38 Kommunen der Region miteinander verbindet.
Auch die Sonntagsgottesdienste sind „Glaubensschätze“. Das Format „Sonntagskultur“ gibt deshalb Einblick in das vielfältige sonntägliche Leben von Gemeinden und feiert den Sonntag als besonderen Ruhetag, der uns von Gott geschenkt wurde. An nahezu jedem Sonntag im kommenden Jahr sind Besucher eingeladen, eine andere Gemeinde zu besuchen – darunter auch die katholischen Gemeinden St. Johannes Nepomuk in Chemnitz (19. Januar und 15. Juni), St. Marien in Stollberg (27. April), Kloster Wechselburg (25. Mai und 29. Juni) und St. Pius Hohenstein-Ernstthal (20. Juli und 14. September).
Gelebte Ökumene
„Die Kulturkirche 2025 repräsentiert die ökumenische Zusammenarbeit der christlichen Kirchen“, heißt es auf der offiziellen Website. Dass man sich innerhalb der Ökumene gut versteht, kennt Schäffel. Innerhalb der Kulturkirche sei die ökumenische Zusammenarbeit jedoch „außergewöhnlich gut“. „Trotz Unterschieden sind wir mit einer großen Wertschätzung füreinander unterwegs und jeder gibt, was er kann, ohne dass es gegeneinander aufgerechnet wird“, sagt der Propst. Auch Lynn ist dankbar dafür und hofft, „die momentan so intensiv gelebte Ökumene als ein Zeichen der Verbundenheit weit über 2025 hinaus zu erhalten und daran zu wachsen.“
Neben den Veranstaltungen in katholischen Gemeinden gibt es viele weitere in evangelischen oder freikirchlichen. Schäffels Kalender ist bereits gut gefüllt mit Anfragen von Reisegruppen, die einen Besuch in der Kulturhauptstadt nutzen, um im Osten Deutschlands eine „Kirche in einer Minderheitensituation“ zu erleben. Darunter auch Menschen aus der parallelen Europäischen Kulturhauptstadt Nova Gorica/Gorizia in Slowenien / Italien, die bereits im Oktober Gäste aus Chemnitz empfing. Auf diese Begegnung freut sich Schäffel besonders. Und Lynn freut sich sich darauf, „das ‚neue Sehen‘ weiter einzuüben und so viel Schönes im Verborgenen zu entdecken.“
Höhepunkte 2025
30. November, 17 Uhr: Ökumenischer Gottesdienst zur Eröffnung des Kulturkirchen-Programms, St. Petri-Kirche Chemnitz
5. Januar 2025, 10 Uhr: ZDF-Fernsehgottesdienst aus der Gemeinde St. Pius, Hohenstein-Ernstthal
19. Januar, 10 Uhr: MDR-Radiogottesdienst aus der Propsteikirche St. Johannes Nepomuk Chemnitz anlässlich der Eröffnung der Kulturhauptstadt
4. März bis 19. April: Altarverhüllungen mit Begleitprogramm
29. März, 14 und 20 Uhr: Chormusical „Martin Luther King“, Messe Chemnitz
13. Mai bis 27. Juni: Max Bochmann-Ausstellung in der Gemeinde St. Antonius, Chemnitz
6. bis 9. Juni: „C-Festival“ für Jugendliche und Junggebliebene auf der Chemnitzer Küchwaldwiese
30. bis 31. August: Sächsisches ökumenisches Kulturkirchenfest mit Chorfestival, Chemnitzer Innenstadt
11. September bis 9. November: Friedrich Press-Ausstellung in St. Jakobi und St. Johannes Nepomuk
7. bis 29. November: Multimediale Ausstellung „History of citizens/Stadtbiografien“, Garagen-Campus in Chemnitz
Infos: kulturkirche2025.de oder auf Instagramm und Youtube: @kulturkirche2025