Venezolanische Familie aus Riesa abgeschoben
Erstkommunion ohne Isabella
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Früh um 1.05 Uhr klingelte bei Pfarrer Klaus-Michael Tschöpe in Riesa am 22. Februar das Telefon. Am Apparat war der aufgeregte Vater der Familie Fuenmayor Bozo: „Können Sie uns helfen? Wir werden gerade abgeschoben.“ Der Seelsorger konnte nichts mehr tun für sein neunjähriges Kommunionkind, die sieben- und 14-jährigen Brüder und die Eltern. „Es hat mir das Herz zerrissen, aber es war bereits zu spät“, sagt er. Bis dahin hatte er gar nicht gewusst, dass die Familie eine Aufforderung erhalten hatte, das Land zu verlassen.
Für Sachsens Innnenministerium ist der Fall klar: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe den Asylantrag der Familie schon 2022 als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, teilte Ministeriums-Sprecherin Nadine Franke auf Anfrage mit. Der Grund der Ablehnung: „Es wurden keine Verfolgungsgründe geltend gemacht, sondern wirtschaftliche Gründe“. Dass sich die Familie in Sachsen integriert (unter anderem in der Kirche) und dass sich Großeltern und andere Verwandte in Deutschand befinden, seien „keine gesetzlich anerkannten Gründe, um einen unerlaubten Aufenthalt rechtfertigen oder legalisieren zu können.“
Seit Anfang 2023 schiebt der Freistaat Sachsen nach Venezuela ab – obwohl die internationale Flüchtlingsorganisation UNHCR davon abrät. Nach wie vor finden in dem lateinamerikanischen Land massive Menschenrechtsverletzungen gegenüber allen Bevölkerungsgruppen statt. Das einst wohlhabende Land liegt wirtschaftlich so darnieder, dass mehr als dreiviertel der Bevölkerung hungern muss. Das Gesundheitssystsem ist in großen Teilen zusammengebrochen.
„Unsere Situation hier ist kritisch“, schrieb die Familienmutter ihrem Riesaer Pfarrer jetzt aus Venezuela, „wir befinden uns alle wie im Schock.“ Die Familie hatte ihr Haus verkauft, um die Flugtickets nach Deutschland zu bezahlen. Nun stehen sie ohne Unterkunft, ohne Arbeit und Geld da. Einem Arztattest zufolge hätte die Mutter in Riesa eine dringende ärztliche Behandlung fortsetzen müssen.
Von sich aus auf Ausländer in der Gemeinde zugehen
Katholische Gemeinden können die überwiegend katholisch geprägten Venezolaner unterstützen, die Sachsen in den letzten Jahren in großer Zahl aufgenommen hat, sagt der laisierte Priester Frank Richter.
Hilfreich könne es sein, freundlich und von sich aus auf sie zuzugehen, insbesondere auf diejenigen, die zu Gottesdiensten und kirchlichen Veranstaltungen kommen. Er empfiehlt, Briefe an Ausländerbehörden, an Bürgermeister und das Innenministerium zu schreiben. Auch wenn die Antworten enttäuschend ausfielen, blieben sie nicht wirkungslos, meint der SPD-Landtagsabgeordnete.
„Wenn die mit der Vorbereitung der Abschiebung beauftragten Behörden wahrnehmen, dass die Menschen aus Venezuela im kirchlichen Leben integriert sind, wenn man sie in der Stadt kennt, wenn es einen sozialen Schutz-Kokon um sie herum gibt, dann mag es sein, dass sich die Behörden weniger auf Abschiebung und stattdessen mehr auf die staatliche Unterstützung und Integration konzentrieren“, hofft er. Besonderes Augenmerk sollten die Gemeinden auf die Integration der Kinder in Kindergottesdiensten, Kitas und Schulen richten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würden Kinder durch Abschiebungen traumatisiert.
Auch hierzu hat das Innenministerium eine andere Sicht: „Wissenschaftlich belastbare, tatsachenfundierte Untersuchungen zur Annahme, dass und in welchem Umfang Abschiebungen Traumatisierungen verursachen, liegen dem Sächsischen Staatsministerium des Innern nicht vor“, schreibt die Sprecherin.