Anstoß 29/2023

Fangen spielen

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Überall Sommertheater und das Publikum strömt hin.

So auch in Magdeburg – wo das Theater vor der Kulisse des Dom alljährlich Musicals auf höchstem Niveau bietet. In diesem Jahr „Catch me if you can“ (Fang mich, wenn du kannst) – eine großartige Inszenierung.
Nun kommt es nicht gerade häufig vor, dass in einem Theaterstück zwei Gegenspieler als positive Helden aufeinander treffen. Eigentlich braucht es doch immer einen Bösewicht und einen Guten. Wobei der Gute am Ende in der Regel gewinnt. Bei „Catch me if you can“ wird dieses Prinzip ausgehebelt.
Natürlich gibt es zwei Gegenspieler, die es sich nicht leicht machten – aber wer ist der Böse, wer der Gute? Die Geschichte ist schnell erzählt. Frank ist ein sympathischer Hochstapler, der fröhlich Schecks fälscht und sich als falscher Pilot, Rechtsanwalt und Arzt ziemlich erfolgreich durch sein Leben schummelt und vom FBI gejagt wird. Ist er der Böse? Sein Gegenspieler ist FBI-Agent David, der anfangs erfolglos versucht, Frank zu kriegen, aber zum Schluss doch siegreich ist. Ist er der Gute? Die Sympathien sind jedenfalls genau andersherum verteilt. 

Guido Erbrich
Guido Erbrich ist Senderbeauftragter der katholischen Kirche beim Mitteldeutschen Rundfunk


Das Verblüffende an der Geschichte ist der Respekt, mit der sich beide Gegenspieler behandeln, bis zum Schluss. Und irgendwie gewinnen am Ende beide, auch wenn der „gute Böse“ Frank erstmal ins Gefängnis wandert.
Dem Stück liegt die wahre Geschichte des amerikanischen Hochstaplers Frank Abagnale Jr. zu Grunde, der in den 60er Jahren all die Betrügereien tatsächlich durchzog und das FBI lange Zeit zum Narren hielt. 
Nach seiner kriminellen Karriere landete er für eine Weile im Gefängnis, wurde aber bald beim FBI als Berater angestellt und half bei der Aufklärung von Betrugsverbrechen. Später gründete er gar eine eigene Sicherheitsfirma. Er und sein Jäger werden Freunde fürs Leben. 
Das ist doch eine wirklich optimistische Perspektive. Auch, wenn man grundsätzlich anderer Meinung ist und gegensätzliche Interessen verfolgt, kann man sich mit Respekt behandeln und Vorteil aus Konflikten ziehen. Das geht nur, wenn man sich selbst nicht zum alleinigen Maßstab macht. Wer weiß, welches Happy End dann auf einen wartet.

Guido Erbrich