Jugendliche in der Corona-Krise
Alle Träume müssen warten
In der Corona-Zeit wird viel über Risikogruppen diskutiert, über die Gefahren des Virus für alte Menschen. Völlig zu Recht. Aber auch die Jugendlichen leiden. Sie wollen eigene Wege gehen – und dürfen nicht. Wie können Erwachsene ihnen helfen?
Von Andreas Lesch
Wie schön es wäre, jetzt Party zu machen, bis morgens um fünf. Zu tanzen, zu feiern, zu küssen. Mit den Kumpels auf dem Bolzplatz zu kicken. Mit den besten Freundinnen shoppen zu gehen. Und in der Schule zu erleben, wie sehr eine Klassengemeinschaft trägt. Aber nein: Das geht nicht. Ist ja Corona. Alle sind von den Beschränkungen, die uns vom Virus aufgezwungen werden, genervt. Am härtesten aber sind vielleicht die Jugendlichen getroffen.
Sie verpassen so vieles, was zum Erwachsenwerden gehört. Sie wollen sich abnabeln von den Eltern, Grenzen austesten, die Welt entdecken. Und jetzt? Sollen sie Corona-Regeln befolgen und zu Hause bleiben. Können Mama und Papa kaum aus dem Weg gehen. Dürfen nicht zur Schule und nicht zum Sport. Verpassen Gelegenheiten, die nie wiederkommen: die Klassenfahrt, die Feier des 18. Geburtstags, die Abiparty. All ihre Träume müssen warten.
„Viele Jugendliche haben zurzeit einen Riesenfrust“, sagt Gaby Hübner, Vorsitzende des Bundesverbandes katholischer Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen und -berater. Jeder leidet unterschiedlich. Manche bekommen Schlafstörungen oder depressive Verstimmungen und ziehen sich zurück. Andere entwickeln Essstörungen. Wieder andere werden wütend, zornig, laut – und rasten schnell aus. Wer aus schwierigen Verhältnissen kommt oder in der Schule eh schwach ist, der droht jetzt abgehängt zu werden. Hübner sagt: „Corona verschlimmert Probleme, die vorher schon da waren.“
Was können Eltern und Großeltern der Jugendlichen da tun? Hübner sagt, wenn die Sorgen zu arg werden, sollten sie sich Hilfe holen. Und sonst? Könnten sie die Situation zwar als schwierig und ernst beschreiben: „Aber sie sollten nicht dramatisieren.“ Sondern ruhig bleiben und aufzeigen, was trotz Corona geht. Also fragen: Was hilft uns jetzt? Was tut uns gut? Vielleicht ein Spieleabend. Ein Film. Oder die Essensbestellung beim Lieblingsrestaurant. „So lässt sich das, was gerade schwer ist, leichter tragen.“
Aber was, wenn die Jugendlichen keine Tipps von den Eltern wollen? Auch dann, sagt Hübner, sollten die Erwachsenen alles tun, um mit den Kindern im Gespräch zu bleiben. Und immer, wenn es passt, fragen: „Wie geht’s dir eigentlich mit Corona? Wie denkst du darüber?“
„Wir versuchen, was Gutes aus der Situation zu machen“
Wenn dann viel Frust kommt, sollten sie zeigen, dass sie das verstehen. Und anbieten, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Hübner sagt: „Erwachsene sollten den Jugendlichen nichts überstülpen, aber sie auch nicht mit ihrem Frust alleinlassen.“ Und sie sollten ihnen signalisieren, dass sie sie brauchen. Wenn bei den Eltern etwa die Videokonferenz hakt, können sie die Kinder um Hilfe bitten. Die wissen, wie’s geht.
Natürlich ist das alles mühsam, betont Hübner: „Es gibt keine Patentrezepte.“ Aber die Erwachsenen könnten sagen: „Wir versuchen, was Gutes aus der Situation zu machen.“ Nicht: das Beste. Das macht nur Druck. Und was das Beste ist, das weiß gerade eh keiner so genau. „Ich empfehle, die Messlatte tief zu legen“, sagt die Beraterin. Damit jeder seine Ziele auch erreichen kann.