1. Europäischer Tag der Restaurierung am 14. Oktober

Alte Bücher bewahren

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In der Dombibliothek Hildesheim stehen beim 1. Europäischen Tag der Restaurierung am 14. Oktober die Inkunabeln im Fokus. Mit rund 800 Werken in circa 600 Bänden handelt es sich um eine der bedeutendsten Sammlungen Norddeutschlands.


Sichtung: Juliane Graf notiert genau den optischen
Eindruck der Inkunabeln. | Fotos: Deppe

Juliane Graf studiert an der HAWK (Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst) in Hildesheim Konservierungs- und Restaurierungswissenschaft in der Fachrichtung Schriftgut, Buch und Grafik. Viele Stunden hat sie dabei nicht im Hörsaal verbracht, sondern in den Magazinen der Dombibliothek. „Ich habe mich mit den Inkunabeln befasst“, sagt die gelernte Buchbinderin.

Die Klöster, Stifte und Kirchen in Hildesheim bargen einen reichen Schatz an Büchern aus der Zeit Mitte bis Ende des 15. Jahrhunderts. Die so genannten Inkunabeln sind die ersten Bücher, die mit beweglichen Lettern gedruckt wurden, wodurch die Druckkosten erheblich sanken, da die Lettern immer wieder verwendet werden konnten.

 


Juliane Graf zeigt, dass gerade duch das Herausnehmen
der Bücher aus dem Regal oft der obere Buchrücken
beschädigt wird.

Gut aufgehoben in der Dombibliothek

Im Zuge der Säkularisation mit der Auflösung von Klöstern und Beschlagnahmung von kirchlichem Besitz, wurden ganze Bibliotheken aufgelöst, fanden zahlreiche Inkunabeln ein Versteck in Kirchengemeinden, auf Dachböden von Kirchen oder Pfarrhäusern oder auch bei Privatleuten. Sicher waren die, die bereits in der Dombibliothek standen, da sie als Stiftung nicht direkt der Kirche gehörten und so vor dem staatlichen Zugriff geschützt waren.

Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts wurden viele der verteilten Inkunabeln ebenfalls hier gesammelt und in einem teilweise stark geschädigten Zustand erst einmal eingelagert.

Im 1997 fertiggestellten Neubau der Dombibliothek fanden die Inkunabeln im Magazin in den Kellerräumen einen Platz, der sie vor Umwelt- und klimatischen Einflüssen schützt. „Doch das allein reicht nicht aus. Unser Ziel muss sein, die Inkunabeln so zu restaurieren, dass sie wieder praxistauglich sind und unter festgelegten Bedingungen benutzt werden können“, sagt Dr. Monika Suchan, Direktorin der Dombibliothek. Doch sie weiß, dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist. „Dafür bräuchten wir ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, wie es an der HAWK möglich ist, unter anderem mit Materialanalysten, Chemikern und natürlich Restauratoren“, betont Suchan.

 


Unsachgemäß aufgeklebte Etiketten, gerissenes
Leder – hier muss gehandelt werden.

Vor einer Restaurierung kommt die Sichtung

Doch um diesen Wunsch zu verwirklichen, ist die wissenschaftliche Arbeit wie die von Juliane Graf unabdingbar. „Der erste Schritt ist eine genaue Sichtung. Wie ist der allgemeine Zustand? Welche Materialien wurden verwendet – Leder, Holz, Metall, Papier oder Pergament? Und dabei gibt es wieder verschiedene Arten, die später auch unterschiedlich behandelt werden müssen. Und welche Schäden sind zum Beispiel durch die Entfernung von zum Teil kunstvollen Schließen und Beschlägen entstanden.“

Bei ihrer Sichtung gehe es nur um den äußeren Eindruck, betont Graf. „Diese Analyse ist sehr wichtig, denn von ihr hängt ab, was wir als nächsten Schritt machen dürfen und was gar nicht.“

Interessant ist für die HAWK-Studentin, dass man anhand von Stempeln, die bei der Verzierung und Gestaltung der Buchdeckel verwendet wurden, feststellen kann, wo sie hergestellt wurden. Etliche stammen aus Hildesheimer Werkstätten wie dem Godehardikloster oder von den Fraterherren, einer Art Bruderschaft, die sich dem Abschreiben und Binden von Büchern verschrieben hatte. Gerade die Einbände machen die Inkunabeln zu Unikaten, obwohl es  vom gedruckten Inhalt mehrere gibt. In einer Online-Datenbank, in der viele Inkunabeln und andere frühe Druckwerke registriert sind, kann man nachschauen.

Für kommende Generationen erhalten

Neben der Feststellung der Materialien geht es Graf vor allem auch um die Fragen: „Wie sehr wurde das Buch gebraucht, wie wurde es gelagert und welche Schäden sind mit bloßem Auge zu erkennen?“ So wird es in den nächsten Schritten darum gehen, Methoden für die Sicherung der Ledereinbände zu entwickeln,  die Klebestreifen einer Katalogisierung aus vergangenen Jahrzehnten zu entfernen und die Inkunabeln adäquat zu lagern, „um sie auch noch für die kommenden Generationen zu erhalten“, erklärt Suchan. Sie dankt dabei vor allem Professorin Ulrike Hähner von der HAWK, die diese Arbeit unterstützt, und freut sich auf eine weitere gute Zusammenarbeit.

Edmund Deppe