„Drei Orte in meiner Stadt“ mit der neuen Berliner Diözesanrats-Vorsitzenden Karlies Abmeier
Auftanken und Hoffnung säen
Mit der neuen Diözesanrats-Vorsitzenden Dr. Karlies Abmeier beginnt die Tag des Herrn-Reihe „Drei Orte in meiner Stadt“. Per Fahrrad hat sie sich auf den Weg zu Berliner Orten gemacht, die für ihr Christsein bedeutsam sind.
Ein spannungsvoller Ort, der heute Hoffnung ausstrahlt: Karlies Abmeier am Brandenburger Tor - Foto: Dorothee Wanzek |
Von Dorothee Wanzek
Die Kirche St. Thomas von Aquin liegt mittendrin, zwischen Alt- und Neubau der Katholischen Akademie und des Tagungszentrums Aquino, im Berliner Stadtteil Mitte. Ein wohltuender Ort der Ruhe inmitten von Betriebsamkeit und intensivem Austausch der Meinungen und Argumente ist diese Kirche für Karlies Abmeier, die im September zur Diözesanratsvorsitzenden gewählt worden ist.
Das Licht fällt von oben in die schlichte, aus hellen Granitsteinen gemauerte Halle und erhellt den golden schimmernden Tabernakel, das weiße Kreuz, die seitlich platzierte Muttergottesstatue... Nichts lenkt die Blicke ab von Wesentlichem. Auch die Kunstausstellungen, die hier gelegentlich stattfinden, setzen wohldosierte Akzente, die sich in den Charakter des Raumes einfügen.
Wenn Karlies Abmeier die Kirche betritt, tritt alles andere in den Hintergrund, ihre Gedanken konzentrieren sich auf Grundlegendes hin, sie empfindet Geborgenheit. Einige Jahre lang hat sie im Nachbargebäude gearbeitet, im Büro von Hans Joachim Meyer, dem damaligen Vorsitzenden des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Viele Gottesdienste für das politische Berlin fanden schon damals hier statt.
Zur Jahrtausendwende mit ihrem Mann und vier Kindern aus Bonn zugezogen, hatte die Katholikin zunächst gehört, dass auf dem Gelände bis 1990 eine Tankstelle gestanden hätte. „Daraus ist nun eine geistliche Tankstelle geworden“, kommentierte sie gerne. Erst kürzlich erfuhr sie, dass es sich in Wirklichkeit um eine Autoreparatur-Werkstatt handelte. „Ein ebenfalls stimmiges Bild für das, was heute hier geschieht“, findet sie „Hier wird so einiges wieder ins Laufen gebracht.“ Stimmig findet es die Diözesanratsvorsitzende auch, das Gotteshaus an den Anfang ihrer Berlin-Führung zu setzen. „Ohne spirituelles Fundament ist unser christliches Engagement hohl“, betont sie. Gerade dem organisierten Laienkatholizismus werde häufig vorgeworfen, dieses Fundament zu vernachlässigen. Karlies Abmeier hält das für ein „bedauerliches Vorurteil“, das weder für die Entstehungsgeschichte der katholischen Laiengremien zutreffend sei noch für die Arbeit in ZdK und Diözesanrat, die sie heute erlebt. „Es geht auch in diesen Gremien immer als erstes darum, unseren Glauben zu leben – und ihn dann auch öffentlich wirksam werden zu lassen“, sagt die 67-Jährige und schwingt sich auf ihr Fahrrad. Nicht erst in der Coronazeit ist das elektrofrei betriebene Vehikel ihr bevorzugtes Fortbewegungsmittel.
„Kirche nicht nur für die Mittelschicht“
Binnen weniger Minuten erreicht sie das Brandenburger Tor, einen spannungsgeladenen Ort, den sie heute als Hoffnungsort sieht. Die gebürtige Münsteranerin erinnert sich noch gut an die innere Anspannung, mit der sie hier bei einer Berlin-Klassenfahrt auf die Mauer geschaut hat, an Kontrollen, Absperrungen und grimmig schauende Polizisten am Grenzübergang an der Friedrichstraße. Dass Christen in der DDR und mehr noch in anderen Ostblockstaaten in ihrer Freiheit eingeschänkt waren, war ihr damals schon bewusst.
Das Brandenburger Tor ist für sie Symbol für die Trennung und deren Überwindung. Wenn sie heute davor steht, fallen ihr die Worte ein, die hier Papst Johannes Paul II. 1996 sagte: „Löscht den Geist nicht aus! Haltet dieses Tor geöfnet durch den Geist der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens!“ An diesem Symbol-Ort wird für die Historikerin Karlies Abmeier deutlich: „Das Weltgeschehen ist nicht vorhersehbar und kann sich ganz anders entwickeln als erwartet.“ In dieser Erkenntnis steckt Ansporn zur Wachsamkeit und zum Handeln. Dazu fällt ihr das berühmte Wort des polnischen Papstes ein: „Fürchtet euch nicht!“ – ein Appell, der auch dem Diözesanrat gelten kann bei den Debatten in Kirche und Gesellschaft.
Das Ziel ihrer Tour ist sieben Kilometer weiter ein Ort, an dem geistliches Leben und soziales Engagement für sie in glaubwürdiger und ermutigender Weise miteinander verbunden sind – in der von Palottinern geleiteten St.-Christophorus-Gemeinde im Stadtteil Neukölln. Karlies Abmeier tritt kräftig in die Pedalen, weil sie es pünktlich zum Mittagsgebet „High Noon“ schaffen will. Ihr gefällt die Sprache von Lissy Eichert und Pater Karl Hermann Lenz, verständlich auch für die Obdachlosen, die nach dem Gebet den Mittagstisch „Essen ist fertig“ nutzen. Doch heute machen die Pallottiner Exerzitien, das Gebet fällt aus. Marie-Hélène Müßig, ihre Vorstandskollegin im Diözesanrat, empfängt Karlies Abmeier. Sie gehört hier zum Ehrenamtlichen-Team. Beeindruckt sind beide, dass Bedürftige hier selbst zu Helfern werden, zum Beispiel bei Sprachkursen für Migrantinnen oder bei den Baudienstleistungen, die der Verein Palotti-Mobil für Kunden anbietet, die keine Handwerker bezahlen könnten. Chef ist ein Äthiopier, der nach traumatischen Erfahrungen in seinem Heimatland 1983 zum Bauingenieur-Studium in die DDR kam. „Kirche wendet sich hier nicht nur der Mittelschicht zu, sie stärkt Menschen in ihrer Würde und macht deutlich, dass zur Nachfolge Jesu auch Taten gehören, sagt die Diözesanratsvorsitzende. Dass es der Laienvertretung im Erzbistum nicht nur mit Worten um die Anwaltschaft für Schwache in der Gesellschaft, sondern um konkreteres Tun geht, zeigt sie unter anderem durch den Dreikönigs-Preis. Jährlich werden damit ehrenamtliche Initiativen ausgezeichnet, die Menschen anderer Kulturen und Religionen bei der Integration helfen.