Handauflegung in der Bibel
Auftrag, Segen, Heil
Paulus und Barnabas, erzählt die Apostelgeschichte, setzten in allen Orten, in denen sie Gemeinden gründeten, Älteste ein. Wie sie das genau taten, steht dort nicht. Die Handauflegung hat sich hierfür zum wichtigen Symbol entwickelt.
Die Apostelgeschichte beschreibt die erste Missionsreise von Paulus und seinem Lehrer Barnabas. Auf ihrem Rückweg nach Jerusalem besuchen sie erneut die von ihnen gegründeten Gemeinden. Sie sorgen sich um sie: Wie entwickeln sich Glaube und Lehre unter den Gläubigen? Wer achtet auf die Ordnung? Die beiden Missionare wissen auch: Sie können nicht oft vor Ort sein. Die Gemeinde muss auf eigenen Füßen stehen und Entscheidungen treffen. Die Lesung an diesem Sonntag beschreibt, wie Paulus und Barnabas Älteste auswählen. Sie beten und fasten. Später entwickelt sich die Handauflegung zu einem wichtigen Symbol.
Die Grundlage dafür, dass Menschen durch das Auflegen von Händen einen Auftrag erhalten, liegt im alttestamentlichen Buch Deuteronomium: Nach dem Tod Moses übernimmt Josua die Führung der Israeliten. „Josua war vom Geist der Weisheit erfüllt, denn Mose hatte ihm die Hände aufgelegt“, heißt es dort (Dtn 34,9). Auch Paulus und Barnabas sind so beauftragt worden. Die Apostelgeschichte berichtet, dass der Heilige Geist sie auserwählt hat. Gläubige in Antiochia haben ihnen die Hände aufgelegt, bevor sie nach Seleukia und Zypern aufgebrochen sind. (Apg 13,1–3) Im Alten Testament ist die Handauflegung auch als Segensgeste bekannt. Israels Stammvater Jakob etwa segnet kurz vor seinem Tod seine Enkel Manasse und Ephraim und legt ihnen seine Hände auf den Kopf.
Die jüdische Kultur setzte zunächst einen anderen Schwerpunkt. Das Buch Levitikus beschreibt die jüdischen Riten und die Regeln für den Dienst im Tempel. Jeder Jude, der ein Tier zum Tempel bringt, um es zu opfern, soll dem Tier zunächst die Hände auf den Kopf legen. So soll deutlich werden: Es ist nicht irgendein Tier, das da geschlachtet wird – es ist die persönliche Gabe des Opfernden für Gott. Ebenso wird auch bei der Weihe und Einsetzung der Priester im Tempel nicht den Kandidaten die Hand aufgelegt, sondern den Opfertieren. Erst ab dem 2. Jahrhundert ist belegt, dass Männern, die zu Rabbinern geweiht werden sollen, die Hände auf den Kopf gelegt werden.
Eine besondere Bedeutung der Handauflegung beschreibt das Alte Testament zum jüdischen Versöhnungstag Jom Kippur. An diesem Festtag spricht der Hohepriester im Tempel ein Schuldbekenntnis und legt seine Hände auf den Kopf eines Bocks. Die Schuld der Gläubigen soll auf das Tier übertragen werden, das nicht getötet, sondern zum Wüstendämon Asasel geschickt wird. (Lev 16, 6–10) Bei diesem Sündenbockritus wird die Sünde symbolisch aus der Mitte des Volkes Israels vertrieben und zu ihrem Ursprung, dem Teufel, zurückgejagt.
Im Neuen Testament ist die Handauflegung auch eine Heilungs- und Segensgeste. Jesus hat Kinder gesegnet, indem er ihnen seine Hände auf den Kopf legte. (Markus 10,13–16) Durch seine Zuwendung sind Kranke wieder gesund geworden. „Als die Sonne unterging, brachten die Leute ihre Kranken, die alle möglichen Gebrechen hatten, zu Jesus. Er legte jedem von ihnen die Hände auf und heilte sie“, schreibt etwa der Evangelist Lukas.
Handauflegung im Namen Gottes
Jesus hat seine Jünger ausgesandt und ihnen befohlen, Dämonen auszutreiben und Kranke zu heilen. Egal ob als Segens- oder Heilungsgeste oder bei der Einführung in ein Amt: Die Jünger, die anderen die Hände auflegen, tun das im Namen Gottes. Oft beten und fasten sie vorher. Es ist Gott, der durch ihre Hände wirkt.
Heute klingt es verdächtig nach Zauberei, wenn Handauflegungen und Heilungen miteinander verbunden werden. Doch einige christliche Gemeinden entdecken die heilende Kraft der Handauflegung wieder. Vor allem Schwerkranken tut es gut, sich berühren zu lassen. Die Menschen sind nicht medizinisch geheilt, aber die Berührung hat ihnen vielleicht für einen Moment die Schmerzen genommen oder ihre Angst gelindert. Denn darum geht es bei der Handauflegung: Gott lässt durch den Menschen seine Kraft strömen und wirken.
Für uns hat sich die Bedeutung der Handauflegung wieder gewandelt. Eine Mutter legt ihrem Kind vielleicht die Hände auf den Kopf, um es zu trösten und liebevoll zu streicheln. Ebenso kann es eine Geste sein, jemanden aufzumuntern oder zu bestärken.
In der Liturgie der Kirche gehört die Handauflegung zu den Sakramenten: Einem Täufling wird dadurch versichert, dass er von Gott angenommen ist. Wenn der Bischof seine Hände über Firmlinge ausstreckt, ruft er den Heiligen Geist über die Jugendlichen. Bei der Krankensalbung berührt der Priester die Schultern und den Kopf des Kranken, um ihm Trost zu spenden. Bei der Weihe ist die Handauflegung ein Zeichen für die Mitteilung des Heiligen Geistes und die Erteilung der Vollmacht des Amtes. Ursprünglich gehörte die Handauflegung auch zur Beichte: Spricht der Priester den Beichtenden von den Sünden los, legt er ihm dazu die Hände auf den Kopf. Mit der Einführung des Beichtstuhls ist dieses Zeichen aber in Vergessenheit geraten.
Kerstin Ostendorf