Zehn Jahre Seligsprechung von Hildegard Burjan

Beflügelt von der Liebe zu Gott

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Die Seligsprechung der gebürtigen Görlitzerin Hildegard Burjan jährt sich am 29. Januar zum zehnten Mal. Mit einer Seligsprechung stimmt die Kirche zu, dass eine Person öffentlich verehrt werden darf. Wie sieht es in ihrer Heimat mit der Verehrung aus?

Hildegard Burjan war die einzige Frau im ersten österreichischen Parlament. Unter anderem wird sie als Fürsprecherin für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern angerufen.    Foto: Caritas Socialis

 

Die Erinnerung an Hildegard Burjan sollte in ihrer Geburtsstadt auch Jahrzehnte nach ihrem Tod lebendig bleiben, findet der ehemalige Görlitzer Generalvikar Peter Canisius Birkner. Ihre Lebensgeschichte und ihr geistiges Erbe bekannt zu machen, ist ihm ein Herzensanliegen. Schon lange vor der Seligsprechung hat der Prälat begonnen, das Gedenken an die 1883 geborene Frau wach zu halten, die er in vielerlei Hinsicht für bemerkenswert hält.
Dass Schwestern der von Hildegard Burjan gegründeten geistlichen Gemeinschaft Caritas Socialis eine Niederlassung in ihrem Görlitzer Geburtshaus eröffneten, geht nicht zuletzt auf seine Initiative zurück. Er hatte auch seine Finger im Spiel, als ein Platz und eine Caritas-Wohnstätte nach ihr benannt wurden.

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Aus Anlass des zehnten Jahrestags der Seligsprechung von Hildegard Burjan findet am 30. Januar um 10 Uhr ein Pontifikalamt mit Bischof Wolfgang Ipolt in der Görlitzer Kathedrale statt. Voraussichtlich in diesem Jahr soll in der umgestalteten Kathedrale eine Seitenkapelle als Hildegard-Burjan-Kapelle eingeweiht werden. Dort wird eine Reliquie der Seligen ihren Platz finden, die das Bistum zur Seligsprechung geschenkt bekam.
 
TAGESGEBET DER SELIGEN HILDEGARD BURJAN
Mein göttlicher Herr und Heiland, dessen heiligstes Herz der Urquell aller Liebe ist.
Du hast deine Apostel zur Arbeit ausgesandt, dann aber wieder in die Einsamkeit geführt,     in denen du ihnen befahlst: „Ruht ein wenig aus“.
Gib, dass auch ich von jeder äußeren Arbeit, die ich nicht um eitler Ehre willen, sondern zu deinem Ruhm und aus Liebe zu meinen Mitmenschen unternehme, zur Ruhe mit DIR und in DIR zurück finde.
Hilf mir, dass ich alles, was ich heute tun werde, mit Klugheit und Milde, mit Festigkeit und Güte tue.
Nimm meine Seele unter deinen besonderen Schutz, damit ich nicht etwa selbst zu Schaden komme, während ich anderen zu helfen suche.  Halte DEINE Segenshand über alle jene ausgestreckt, die mir lieb und teuer sind,     damit ich ohne Sorgen um sie mit ungeteiltem Herzen in deinem Dienste tätig sein kann.
Heilige Maria, Mutter vom guten Rat, heiliger Franziskus und heilige Katharina, bittet für mich und für alle die meiner Obsorge anvertraut sind.
Amen

Den 85-Jährigen beeindruckt besonders der Weg der gebürtigen Jüdin zum Christentum. Ihre Entscheidung zur Taufe steht im Zusammenhang mit einem Heilungswunder, das sie nach einer schweren Nierenkolik 1909 im Berliner Hedwigs-Krankenhaus erlebte. Der Prälat hebt auch ihre politische Bedeutung hervor. Inspiriert vom Paulus-Wort „Die Liebe Gottes drängt uns“ habe sie als einzige Frau im ersten österreichischen Parlament mitgearbeitet. Dort nahm sie entscheidenden Einfluss auf die Sozialgesetzgebung und setzte sich nicht zuletzt auch für die Rechte von Frauen ein. Für vorbildlich hält Peter Birkner auch Hildegard Burjans uneigennützige Entscheidung für ihr ungeborenes Kind. Ärzte hatten ihr zur Abtreibung geraten, weil ihre Schwangerschaft aufgrund der Nierenkrankheit lebensbedrohlich schien. Sie entschied sich jedoch für das Leben ihrer Tochter – und blieb allen Prognosen zum Trotz am Leben.
In ihrer geistlichen Haltung erinnert Hildegard Burjan den Görlitzer Priester an ihre Zeitgenossin Edith Stein, auch wenn sie weniger intellektuell veranlagt, sondern eher eine Frau der Praxis war. Auch für junge Christen sei die Selige nach wie vor inspirierend, ist er überzeugt.

Mit den Schwestern auf den Spuren der Seligen
Den Schwestern der Caritas Socialis gelinge es hervorragend, Görlitzern ihre Gründerin nahe zu bringen. Gern nehmen sie Einladungen in Familienkreisen und Firmgruppen an, stellen bei Seniorentreffen und Kolpingbegegnungen, bei Frauentagen, Wallfahrten und Pfarrkonventen das Leben und Werk ihrer Gründerin vor. Schon mehrfach haben sie kleine Gruppen auf den Spuren von Hildegard Burjan und ihrer Familie durch die Stadt geführt. Auch das 100-jährige Bestehen von Caritas Socialis haben sie 2019 in Görlitz gefeiert. Da das 20-jährige Wirken der Gemeinschaft in Görlitz und das Goldene Ordensjubiläum der beiden dort ansässigen Schwestern Martina Theiner CS und Maria Zemmer CS zusätzliche Feieranlässe boten, wurde daraus gleich ein Triduum.

„Wir wollen nicht fragen, ob wir zuständig sind ...“
Bei solchen Anlässen machen die Schwestern keinen Hehl aus ihrer Begeisterung für die Gründerin. „Wenn ich von ihr erzähle, dann geht mir das Herz über, weil ich innerlich so erfüllt und fasziniert bin von ihrem Leben“, sagt Martina Theiner. Seit fast  20 Jahren lebt sie in Hildegard Burjans Geburtshaus, bis vor fünf Jahren als Krankenhausseelsorgerin am Städtischen Klinikum. Angerührt  ist sie von Hildegard Burjans „grenzenloser Sehnsucht, Gott kennenzulernen, beten und glauben zu können“. Besonders verbunden mit ihr fühlt sie sich auch in ihrem Einsatz für Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben. „Wir wollen nicht fragen ob wir zuständig sind, sondern fragen, wie und was kann ich für diesen Menschen tun“, hat Hildegard Burjan oft gesagt. Für sie sei jeder einzelne Mensch wichtig gewesen, egal welcher Konfession er angehörte und welche Weltanschauung er vertrat. Ebenso wie ihrer Mitschwester Maria Zemmer liegt Martina Theiner das persönliche „Tagesgebet“ Hildegard Burjans am Herzen (Kasten). Beide beten es täglich. „Was sie sagte und tat, war vom Heiligen Geist geleitet, es war überlegt, deutlich, ehrlich, manchmal auch fordernd, aber immer zum Wohl der Mitmenschen, der Armen und sozial Bedürftigen“, schreibt Maria Zemmer über ihre Gründerin. Eine solche Haltung habe sie auch von den Caritas Socialis Schwestern erwartet.
Gebet und Arbeit zu verbinden, Maria und Martha zu sein, sei Hildegard Burjans Ideal, dem  die Schwestern nacheifern, keinesfalls verbissen, sondern mit der Freude und einer positiven Lebenseinstellung, die die Gründerin durch ihre innige und einfache Christus-Beziehung ausstrahlte.  „Sie darin nachzuahmen, ist mir eine Herzens-Aufgabe geworden im Seelsorge-Dienst am Mitmenschen“, sagt Schwester Martina Theiner. Sie ist überzeugt, dass Hildegard Burjan auch als Fürsprecherin bei Gott in verschiedensten Nöten und Sorgen unserer Zeit angerufen werden kann.

Von Dorothee Wanzek

Zur Sache: Hildegard Burjan beeindruckt

  • Sie hat ihren Glauben nicht im stillen Kämmerlein gelebt, sondern politisch und sozial fruchtbar werden lassen. (Bernadette  R.)
  • Wenn ich an die selige Hildegard Burjan denke, dann denke ich an eine kluge und engagierte Alltagsheilige voller Sehnsucht nach Gott mitten im Leben. (Bernd Sch.)  
  • Hildegard Burjan prägte  das gesellschaftliche Leben entscheidend mit. Und das in einer Zeit, in der es nicht üblich war, dass Frauen sich aktiv in Politik und Gesellschaft einbrachten. (Birgit H.)
  • Ich selbst bin froh und dankbar, Nachfolgerinnen von Hildegard Burjan zu kennen, hier in Görlitz und auch in Wien, Schwestern, die den Geist und die Berufung ihrer Ordensgründerin leben: gastfreundlich, hilfsbereit, offen und welt-zugewandt. (Marianne S.)
  • „Caritas Christi urget nos – Die Liebe Christi drängt uns“, das durfte ich über viele Jahre hinweg erleben. (Gabi S.)
  • Ihre Gründung der Schwesterngemeinschaft CS, damit ihre Ideale weiterleben. Ihr caritativer Einsatz und ihre Aufopferung. Sie hat das Kind, das sie erwartete, entbunden, obwohl ihr die Ärzte wegen der Gefährdung ihres eigenen Lebens zur Abtreibung rieten. Ihre Liebe zum Leben von Anfang an – für jeden Menschen. Ihr Mut und Gottvertrauen. „Vom Verstand zum Herzen, vom Studium zum Gebet.“ „Die Caritas Socialis muss jene Nöte erfassen, an denen andere vorbeigehen.“ (Cottbuser kfd-Frauen)
  • Sie redete nicht nur von Nächstenliebe, sie lebte diese vor. Sie sollte ein Vorbild für Menschen in sozialen Berufen sein und für die, die sich gesellschaftspolitisch engagieren. (Jana Sch.)
  • Ich schätze an Hildegard Burjan ihre selbstbewusste, sachliche und tatenreiche Art. Sie hat einen großen Teil zur Sozialen Arbeit beigetragen, indem sie mit ihrem Herzen stets bei den Menschen gewesen ist. (Antonia P.)
  • Sie macht mir heute noch deutlich, wie wichtig und richtig der Einsatz der Frau mit ihren Fähigkeiten und Charismen in Politik und Kirche ist. (Ursula K.)
  • Ihr Verzicht auf eine eigene wissenschaftliche Karriere, um sich der großen sozialen Not in ihrer Umgebung und darüber hinaus zu stellen, beeindruckt (K. und W.)
  • Mich haben ihr Engagement zur Linderung der Not des Einzelnen und die von ihr gelebte Verbindung von Politik und Dienst am Nächsten immer sehr berührt. (Ansgar U.)