Buch „Oma, ich fahr schon mal den Rollstuhl vor“

Berührend humorvoll

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Martin Frank als Kabarettist auf der Bühne
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Foto: imago/Rudolf Gigler

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Martin Frank bringt Menschen nicht nur als Kabarettist auf der Bühne zum Lachen.

Der Schlaganfall seiner Oma veränderte das Leben von Martin Frank. Auf dem Hof der Familie wurde er im Alter von 20 Jahren zu ihrem Pfleger. Wie der Kabarettist diese Zeit erlebt hat, erzählt er nun in seinem Buch. Es lohnt sich.

Martin Frank kann es selbst kaum glauben. Der Übertritt von der Grundschule in die Realschule war dem niederbayerischen Kabarettisten einst verwehrt worden; in Deutsch hatte es nur zu einer Fünf gereicht. Nun aber ist sein erstes Buch mit dem Titel „Oma, ich fahr schon mal den Rollstuhl vor“ erschienen. Der Rowohlt Verlag hat das über 200 Seiten starke Werk herausgebracht. Darin erzählt der 31-jährige Autor humorvoll und zugleich berührend seine persönliche Geschichte: wie er mit 20 Jahren plötzlich zum Pfleger seiner geliebten Großmutter wurde.

Auf einem Bauernhof wird zusammengehalten. Das gilt auch, wenn die Kräfte der Älteren nachlassen. Aber solange jeder seine Aufgaben erfüllt, macht sich ein junger Mensch darüber kaum Gedanken. Über Tod und Sterben nachzudenken, reicht immer noch, wenn man selbst 80 geworden ist, sämtliche Länder der Welt bereist, den Dachboden entrümpelt und sich den Kindheitstraum einer eigenen Eisdiele erfüllt hat, notiert Frank: „Und dann auch nur vielleicht.“
Dass er aus heiterem Himmel zum Sterbebegleiter seiner Oma werden sollte, stand nicht in seinem Lebensplan. Deren Schlaganfall änderte aber alles. Auf einmal saß sie im Rollstuhl, ein Pflegebett wurde angeschafft und der Alltag spielte sich von da an im Erdgeschoss des Hauses ab. Ihre zwei Jahre jüngere Schwester Anni, mit der sie seit Kindertagen ein eingeschworenes Team bildete, war nicht wirklich eine Hilfe: Franks Großtante litt zunehmend unter Demenz.

Die tägliche Einkaufstour hielt sie fit

Fit hielt sie sich jedoch, wie der Großneffe schreibt, mit ihrer täglichen Einkaufstour im Dorf. Dabei besorgte sie stets das Gleiche: „Drei Brezen, eine Brotzeitscheibe Leberkäse, drei Paar Wiener, Himbeermarmelade, Kondensmilch und schlesische Gurkenhappen.“ An den seltsamsten Stellen bewahrte die Großtante die Vorräte auf, so dass die Familie die Sachen schon mal unter dem Bettbezug herauszog. Oft verrieten auch seltsame Gerüche, wo sie die Lebensmittel versteckt hatte.

Frank notiert die Begebenheiten in einem wunderbaren Plauderton, so dass man als Leserin oder Leser über solch skurrile Situationen einfach lachen muss. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur räumt er indes ein, wenn jemand hunderttausendmal am Tag dieselben Fragen stelle oder ohne Grund herumschreie, dann vergreife sich ein gestresster Angehöriger schon mal im Ton: „Das kostet einen viel Kraft.“ Dazu gab es ja noch die Bedürfnisse der schwerhörigen Oma.

„Schau her, ich bin nicht allein“

Dreimal am Tag kam der Pflegedienst. Aber die hauptsächliche Betreuung blieb bei den Angehörigen, also bei ihm, seinem Bruder und dem Vater, die mit den Pflegebedürftigen zusammenlebten. So mussten Oma und Enkel lernen, dass der Gang zur Toilette nur noch gemeinsam möglich ist. Dabei galt es, Hemmungen zu überwinden. Zunehmend wurden sie zum eingespielten Team, so dass Frank von der Großmutter sogar zu hören bekam, sie würde seine Hilfe bevorzugen: „Mit dir is ma liaba“ (Mit dir ist es mir lieber), lautete der Satz. „Für meine Oma war das fast eine Liebeserklärung.“

Weil der Glaube der Großmutter zeitlebens wichtig war, sorgte Frank dafür, dass der Pfarrer ihr wöchentlich die Kommunion brachte. Dann musste der Enkel zuvor die Zeitungen vom Tisch räumen, eine Blume in die Vase stecken und eine Kerze anzünden. Betrat der Geistliche das Haus, dann strahlten beide Schwestern. Frank fuhr die zwei auch zum Krankengottesdienst. Beim Anblick der vielen Leute, die ihre Angehörigen begleiteten, wurde dem Ex-Ministranten nach eigenen Worten bewusst: „Schau her, ich bin nicht allein.“

89 Jahre war die Großmutter, als sie für immer ihre Augen schloss. Sieben Stunden hatte der Enkel an ihrem Bett gesessen, doch genau dann passierte es, als er die Großtante auf ihr Zimmer brachte: „Sie wollte wohl die letzten paar Schritte alleine gehen.“

Martin Frank: Oma, ich fahr schon mal den Rollstuhl vor! Rowohlt, 224 Seiten, 13 Euro