Jedes Jahr banger Blick auf die Wettervorhersage
Beten auf Bauschutt
Aus einmalig wird 25: Seit 1994 wird auf dem Kaliberg bei Empelde zu Christi Himmelfahrt eine Heilige Messe gefeiert. Und dabei verändert sich nicht nur die Gottesdienstgemeinde.
130 Meter – für die Norddeutsche Tiefebene durchaus eine Größe. So hoch reckt sich die ehemalige Kalihalde bei Empelde nahe Hannover näher zum Himmel. Einmal im Jahr, zu Christi Himmelfahrt, zieht es auch Hunderte von Gottesdienstbesuchern in diese Höhe. Durchaus beschwerlich: Eine halbe Stunde zu Fuß ist der Aufstieg lang. Den Fahrdienst der Kolpingsfamilie St. Maximilian Kolbe, die den Gottesdienst organisiert, nutzen noch vergleichsweise wenige Teilnehmer.
Zum 25. Jubiläum sind es gut 700 Gläubige, die den „Kalimandscharo“ – wie die Abraumhalde liebevoll genannt wird – erklimmen. Der Weg auf den Berg wird so fast zum feierlichen Einzug in den Gottesdienst. 130 Meter näher zum Himmel. Übrigens: Die Kuppel des Petersdoms ist nur gut zwei Meter höher.
Jedes Jahr banger Blick auf die Wettervorhersage
Eines bleibt jedes Jahr aber gleich: „der Blick auf die Wettervorhersage“, erläutert Rainer Bulitta, Sprecher des Leitungsteams der Kolpingsfamilie von St. Maximilian Kolbe. Dreimal in der Geschichte der Bergmesse musste der Gottesdienst kurzfristig in die benachbarte Kirche in Empelde verlegt werden. Auch diesmal sah es auf der Wetterkarte eher nach Regen aus: „Aber das Wetter hat bis zum Abend auf dem Berg gehalten, auch wenn es rings um Hannover geregnet hat.“ Nicht ausgeblieben ist der Wind. So stürmisch, dass ein am Vortag von Christi Himmelfahrt aufgebautes Kuppelzelt den Windstärken nicht standhielt.
Der Wind ist ein ständiger Begleiter des Gottesdienstes – der Berg selbst hat sich in 25 Jahren gewandelt. 1994 war die Abraumhalde aus dem Kalisalzbergbau noch komplett mit Bauschutt bedeckt. Der Weg war zu großen Teilen unbefestigt, kaum mehr als eine Baustellenauffahrt.
Als Kirche unter freiem Himmel diente ein kleiner staubiger Platz. Gerade groß genug für wenige Bänke und den Altar unter einem Zeltpavillon. „Kein Wasser, kein Strom, keine Toiletten – was heute alles mit eingerichtet wird.“ Und: „Gedacht war die heilige Messe als eine einmalige Aktion“, berichtet Bulitta. Schließlich muss alles mühsam den Berg hinauf- und wieder hinuntergebracht werden. Doch die Begeisterung für die Bergmesse, die auf eine Initiative des damaligen Mühlenberger Kolpingpräses Pfarrer Klaus Funke zurückgeht, war groß: „So groß, dass wir es mit Gottvertrauen dann doch gewagt haben.“
Mittlerweile hat sich nicht nur die Gottesdienstgemeinde verändert – auch die Halde sieht anders aus. Der weiße Salzberg wird grün. Seit den 1940er-Jahren wurde der Berg aus Abraum der Kalisalzgewinnung nahe Empelde aufgeschüttet. 40 Jahre später begann der Vater des heutigen Haldenbesitzers Frank Nickel, die Halde mit Bauschutt aufzufüllen. Darauf kommt eine dicke Schicht mit Mutterboden, die Sträucher, Bäume und sogar Weinreben wachsen lässt.
Ein Generationenprojekt: So entsteht über vier Jahrzehnte ein 25 Hektar großer Park – finanziert aus Erträgen der Bauschuttdeponie. Betreiber Frank Nickel hat mittlerweile eine Bergbühne für Kulturveranstaltungen errichten lassen. Auch Ausstellungen mit großen Kunstobjekten finden statt. Da bekommt die heilige Messe eine weitere Bedeutung: „Unser Gottesdienst dient mittlerweile auch als Auftakt für das Jahresprogramm auf dem Berg“, betont Bulitta.
Rechtzeitig zum Jubiläum kann die heilige Messe auf dem angestammten Platz stattfinden. „In den vergangenen drei Jahren mussten wir für die Messe auf die tiefer gelegene Bergbühne ausweichen, weil das Gipfelplateau wegen Bauarbeiten nicht zur Verfügung stand“, berichtet Bulitta. Jetzt ist die Rekultivierung fast abgeschlossen. Gebetet wird nicht mehr auf Bauschutt, sondern auf festem Grund.
Seit einigen Jahren wird die Gottesdienstgemeinde von Glockengeläut begrüßt. Haldenbetreiber Nickel hat die Glocken und den Glockenstuhl der 2009 profanierten Kirche St. Jakobus in Weetzen erworben. Das 1968 geweihte Gotteshaus gehörte zuletzt als Filialkirche zur Pfarrei St. Maximilian Kolbe. Sie wurde verkauft und abgerissen. Heute steht dort ein Einfamilienhaus.
Glocken bekommen festen Platz auf dem Berg
Doch die Glocken läuten weiter. Noch provisorisch: „Der Glockenturm wird aber einen festen Platz auf dem Gipfel finden“, berichtet Bulitta. Für ihn ist das ein deutlich sichtbares Teichen der großen Unterstützung der Bergmesse durch den Haldenbetreiber Frank Nickel.
Impressionen aus 25 Jahren Bergmessen können zurzeit im Ökumenischen Kirchencentrum auf dem Mühlenberg in Hannover betrachtet werden, in dem die Pfarrei St. Maximilian Kolbe beheimatet ist. Eine Fotowand ist dort noch für vier Wochen ausgestellt (Adresse siehe unten).
Bleibt angesichts von 25 Jahren die Frage nach der Zukunft der Bergmesse: „Unsere Kolpingsfamilie macht sich schon länger darüber Gedanken“, erläutert Bulitta. Der Aufwand ist groß. Auch für die Bewirtung nach dem Gottesdienst werden Helfer benötigt. „Wir werden das als Kolpingsfamilie in diesem Ausmaß nicht mehr leisten können.“ Aber das Beten auf dem Berg aus Abraum und Bauschutt, wenn auch jetzt mit Mutterboden und Gras bedeckt, ist Bulitta und der Kolpingsfamilie ans Herz gewachsen: „Wir hoffen, dass es weitergehen kann.“
Kontakt: St. Maximilian Kolbe, Mühlenberger Markt 5, 30457 Hannover, Telefon: 05 11 / 7 60 72 20, E-Mail: pfarrbuero@kirchencentrum.de, Internet: www.kirchencentrum.de
Rüdiger Wala