Unterschiedliche Herangehensweise beim Heizen der Kirche
Beten und bibbern
„Zieh dich warm an!“ – Eine Warnung, die vorsorglich schon mal auf einen anstehenden Konflikt hinweist. Warm anziehen gilt bei derzeit klirrender Winterkälte auch für Gottesdienstbesucher: In den Kirchen des Bistums bleiben die Heizungen auf Sparflamme. Fast überall auch zu Weihnachten.
„Zu meinem Bereich gehören 13 Kirchen. Wenn ich die alle wie in den vergangenen Jahren heizen wollte, wären wir bald pleite“, sagt Dechant Stefan Lampe. Dafür muss er nicht mal mit spitzer Feder rechnen, es reicht ein Blick auf die in diesem Jahr explodierenden Energiekosten und eine grobe Kalkulation. Ob Wohldenberg, Bad Gandersheim oder Seesen – die Konsequenz ist eine einheitliche Linie: Über 5 oder 6 Grad steigt das Thermometer in den Gotteshäusern nicht.
Seine Gemeinden versucht der Pfarrer mit Humor in die Gottesdienste einzustimmen: „Liebe Mitfrierende“ heißt es in der Begrüßung. Und augenzwinkernd hat er angekündigt: „Ich halte meine Predigten so kurz wie möglich!“ Zu ungewöhnlichen Maßnahmen hat eine ältere Dame seiner Gemeinde gegriffen und für Stefan Lampe ein paar „Zelebrationshandschuhe“ gestrickt. Wie bei Musikern schauen da die Fingerspitzen heraus.
Gemeindemitglied spendet Heizöl
Wenigstens für ein paar Stunden könne die Kirche doch aufgeheizt werden, wenn die Kinder für das Krippenspiel üben, gab es Anfragen. Doch Sonderregelungen lässt der Dechant nicht zu. Aus gutem Grund; denn: „Für unsere Orgeln hätte es fatale Folgen, wenn die Temperaturen kurzfristig schwanken.“ Keine Regel ohne Ausnahme, räumt Lampe allerdings ein: Für die Kirche in Grasdorf hat ein Gemeindemitglied eine ungewöhnliche Spende gemacht und 2000 Liter Heizöl finanziert. „Damit kommen wir gut über den Winter.“
Überall sonst gilt für die Gottesdienstbesucher: Der modische Mantel bleibt im Kleiderschrank, stattdessen warme Pullover, Mütze, Schal und dicke Unterwäsche. „Warum auch nicht?“, fragt Monica Gräfin Adelmann vom Pastoralrat Bad Münder. „Auf dem Weihnachtsmarkt war es in diesem Jahr doch auch sehr kalt und niemand hat gemurrt.“ Im übrigen weist sie auf ein Problem hin, für das die Kirche St. Johannes Baptist am Deister zwischen Hameln und Hannover stellvertretend steht: Ein typischer Nachkriegsbau, wie es viele andere im Bistum gibt. Energieeffizienz war ein Fremdwort, als sie in den 60er und 70er Jahren errichtet wurden. Gerade da, wo noch nicht in Wärmedämmung investiert wurden, geht viel Geld für Gas oder Öl zum Schornstein wieder hinaus.
Auch wenn es keine einheitlichen Regelungen gibt – deutlich nach unten reguliert wird die Heizung überall zwischen Hann. Münden und Cuxhaven, zwischen Nienburg und Goslar. „Niedriger als acht Grad können wir nicht drosseln“, sagt der Verdener Propst Martin Ziemens. Schon jetzt ist es weder in der Kirche noch im Gemeindehaus bedeutend wärmer. Die Reaktionen der Gemeinde sind gemischt: Die einen nehmen es hin, andere kündigen an, lieber zu Hause im Warmen zu bleiben. „Das ist bedauerlich, aber wir haben keine Alternative“, sagt Ziemens.“
„Das Pfarrheim lässt sich leichter heizen“
Zusammenrücken heißt es in Walsrode, die Gemeinde St. Maria hat sich entschlossen, einzelne Gottesdienste zu streichen und am Sonntag das Angebot zu konzentrieren. „Das ist gut möglich, weil unsere Kirchen nicht zu weit auseinander liegen“, sagt Pfarrer Norbert Mauerhof. „Wir weichen auch auf unser Pfarrheim aus, das lässt sich leichter heizen.“ Und Sparzwang hin oder her – an den Weihnachtstagen wird in Walsrode für ein paar Tage wenigstens die Temperatur nach oben gedreht.
Im Vergleich zu anderen Gemeinden geht es in Osterholz-Scharmbeck weniger rigoros zu: Der Kirchenvorstand habe sich entschieden, die Heizung auf 12 bis 14 Grad einzustellen, berichtet Pfarrer Jozef Lagowski. „Dann wollen wir sehen, ob wir weiter nach unten gehen können.“ Aufmerksam geworden sei man auf eine Idee der evangelischen Nachbargemeinde: „Dort wurden für alle Gottesdienstteilnehmer Decken gekauft und in den Bänken ausgelegt.“
Von der Lage her am Weserufer ein Schmuckstück ist die Rintelner Kirche St. Sturmius. Sie steht unter Denkmalschutz und wurde aufwendig saniert. „Technisch ist das meiste auf einem guten Stand“, sagt Norbert Richter vom Kirchenvorstand. Ausnahme: Die Feuchtigkeit ist bisher nicht in den Griff zu kriegen, die Dämmung ist nicht auf dem Stand der Technik. Richter: „Natürlich haben wir die Heizung auf das nötige Minimum reduziert, Gottesdienste fallen aber nicht aus. An den Wochentagen feiern wir sie im Pfarrheim.“
In der Region Hannover haben sich beispielsweise alle Kirchenvorstände der vier Pfarreien des Pastoralbereichs Süd dazu entschlossen, komplett auf das Heizen zu verzichten: „Unabhängig voneinander, aber übereinstimmend“, wie es in einer Erklärung der Kirchenvorstände von St. Bernward (Hannover-Döhren), Zu den Heiligen Engeln (Hannover-Bemerode), St. Augustinus (Hannover-Ricklingen) und St. Oliver (Laatzen) heißt. Zudem wird die Temperatur in den Pfarrbüros und Pfarrhäusern auf 19 Grad gedrosselt.
„Das können wir uns nicht leisten“
Insgesamt gehören zehn Kirchorte mit über 22 000 Katholiken zum Pastoralbereich. Pro Kirchort fallen im Durchschnitt pro Heizperiode 5000 Euro Kosten an, wird vorgerechnet – macht in der Summe 50 000 Euro. Angesichts der Preissteigerungen rechnen die Kirchenvorstände mit einem drei- bis fünffachen der bisherigen Aufwendungen für Wärme in den Gotteshäusern: „Das können wir uns nicht leisten“, heißt es nüchtern.
Unter der Woche wird die St.-Elisabeth-Kirche in Hann. Münden auf nicht mehr als 9 Grad geheizt, zu den Gottesdiensten am Samstag und Sonntag gibt es drei Grad mehr. „Ob wir zu Weihnachten vielleicht noch ein paar Grad drauflegen, haben wir noch nicht entschieden“, sagt Diakon Matthias Winkelmann. An den letzten Sonntagen war die Kirche trotz niedriger Temperaturen gut besucht, insgesamt nimmt der Gottesdienstbesuch aber merklich ab, hat Winkelmann beobachtet. Ob das daran liegt, dass nur noch spärlich geheizt wird, vermag er nicht zu sagen. „Aber es fällt auf, dass einige wegbleiben, vor allem die, die gesundheitlich angeschlagen sind“, sagt er.
In Bückeburg werden ab dem Jahreswechsel während der Heizperiode auch die Sonntagsgottesdienste im Pfarrheim gefeiert, berichtet Pfarrer Markus Grabowski. „Und wir überlegen auch mit der evangelischen Gemeinde, für Veranstaltungen unsere Gemeindehäuser gemeinsam zu nutzen.“
(kiz)