Sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche
Betroffenenbeirat wird gegründet
Am Rande einer Vollversammlung der Bischofskonferenz machen Opfer des sexuellen Missbrauchs innerhalb der katholischen Kirche auf ihre Situation aufmerksam. – Die Bistümer der Kirchenprovinz Berlin und die Katholische Militärseelsorge wollen die Opfer jetzt zu Wort kommen lassen und gründen einen Betroffenenbeirat. Foto: imago images/Ulmer Pressebildagentur |
Zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs innerhalb der katholischen Kirche wollen das Erzbistum Berlin, die Bistümer Dresden-Meißen und Görlitz sowie die Katholische Militärseelsorge einen Betroffenenbeirat gründen. Das kündigen die beteiligten Institutionen in einer in dieser Woche veröffentlichten Mitteilung an, mit der sie zugleich Betroffene zur Mitarbeit einladen.
Beteiligung Betroffener sicherstellen
Die vier Partner wollen sich „gemeinsam ihrer Verantwortung für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland“ stellen, indem sie diese gemeinsam organisieren und verantworten. Grundlage dafür sei unter anderem die „Gemeinsame Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch“, die zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem von der Bundesregierung berufenen Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs im Jahr 2020 vereinbart wurde. Darin werde auch die Beteiligung Betroffener sichergestellt.
„Der sexuelle Missbrauch an Minderjährigen sowie an schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen im Bereich der katholischen Kirche hat schwerwiegende Konsequenzen. Die Betroffenen leiden meist zeitlebens massiv darunter“, heißt es in der Mitteilung. Durch die Mitwirkung an dem zu gründenden Beirat sollen Betroffene von sexuellem Missbrauch im Zuständigkeitsbereich der drei Bistümer und der einem Bistum vergleichbaren Katholischen Militärseelsorge „am Aufarbeitungsprozess maßgeblich beteiligt werden. Aufgrund ihrer Erfahrungen können sie auch vielfach die Arbeiten im Bereich Prävention und Intervention wirksam begleiten“, heißt es in der Mitteilung. Die Erklärung weist ausdrücklich darauf hin, dass die Bemühungen im Bereich der Prävention bereits verstärkt wurden, um solchen Verbrechen wirksam begegnen zu können und angemessen zu reagieren. „Auch die Verfahren zur Anerkennung des Leids der Betroffenen sowie die Initiativen zur unabhängigen Aufarbeitung des Geschehenen wurden konsequent fortentwickelt.“
Kommission zur Aufarbeitung
Neben der Gründung des Betroffenenbeirates kündigen die beteiligten Partner als weiteren Schritt die Einrichtung einer Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs an. „Diese setzt sich – neben entsandten Mitgliedern des Betroffenenbeirats – aus Experten aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz und öffentlicher Verwaltung sowie Vertretern der beteiligten Institutionen zusammen. Die für den jeweiligen Bereich der (Erz-)Bistümer zuständigen Landesregierungen werden gebeten, Experten zu entsenden, um die Unabhängigkeit der Kommission zu gewährleisten.“
Ziel der jetzt angekündigten Schritte sei es, „einen stringenten Prozess der Aufarbeitung zu ermöglichen und durchzuführen. Damit soll der laufende Prozess zur Aufklärung, Prävention, Anerkennung und Analyse von sexuellem Missbrauch im Raum der katholischen Kirche gemeinsam wirkungsvoll erweitert und fortgesetzt werden.“
Zur Mitarbeit im gemeinsamen Betroffenenbeirat des Erzbistums Berlin, der Bistümer Dresden-Meißen und Görlitz sowie der Katholischen Militärseelsorge werden Personen oder deren Angehörige (beziehungsweise gesetzlichen Vertreter) gesucht,
- die im Bereich der genannten (Erz-)Diözesen beziehungsweise der Katholischen Militärseelsorge sexuelle Gewalt erlitten haben und mindestens 18 Jahre alt sind,
- die zur ehrenamtlichen Mitarbeit im Betroffenenbeirat bereit sind und
- die an einer kritisch-konstruktiven Auseinandersetzung mit den Aufarbeitungs-, Präventions- und Interventionsbemühungen der katholischen Kirche in den genannten Institutionen interessiert sind.
Aufgabe des Betroffenenbeirates ist es, als Expertengremium aus Sicht von Betroffenen einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Umgangs mit Fragen der sexualisierten Gewalt in den beteiligten Institutionen hinsichtlich der Aufarbeitung zu leisten. Die Themen, mit denen sich der Betroffenenbeirat beschäftigt, ergeben sich sowohl aus den Anliegen der Betroffenen als auch aus den Fragestellungen der genannten (Erz-)Bistümer sowie der Katholischen Militärseelsorge. Der Beirat ist auch Impulsgeber. Er wird gehört im Vorfeld geplanter Maßnahmen und gibt dazu Hinweise und Vorschläge. Er setzt sich kritisch mit den bereits vorliegenden Konzepten zum Umgang mit Fragen der sexualisierten Gewalt auseinander und steht im Austausch mit den Beraterstäben der genannten (Erz-)Bistümer sowie der Katholischen Militärseelsorge.
Der Betroffenenbeirat hat jederzeit die Möglichkeit, (schriftliche) Stellungnahmen zu Fragen, die die Interessen und Rechte der Betroffenen tangieren, gegenüber den berufenden Institutionen abzugeben. Aus dem Betroffenenbeirat werden Vertreter in die Aufarbeitungskommission entsandt. Der Beirat begleitet die Aktivitäten der Kommission.
Die Sitzungen finden voraussichtlich in Berlin oder Leipzig statt. Eine Aufwandsentschädigung wird gewährt. Auf Wunsch der begleitenden Betroffenen besteht die Möglichkeit, eine Supervision in Anspruch zu nehmen. Die Kosten hierfür werden übernommen. Die Namen der Mitglieder des Betroffenenbeirats werden unter Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben veröffentlicht, soweit diese ihre Zustimmung dazu gegeben haben. Die Berufung erfolgt für drei Jahre.
Die Bereitschaft zur Mitarbeit kann bis zum 1. Mai erklärt werden: Überdiözesanes Auswahlgremium Betroffenenbeirat, c/o Bischöfliches Ordinariat, Justitiar Stephan v. Spies, Käthe-Kollwitz-Ufer 84, 01309 Dresden
www.erzbistumberlin.de/aufarbeitung
www.bistum-dresden-meissen.de/aufarbeitung
www.bistum-goerlitz.de/aufarbeitung
www.katholische-militaerseelsorge.de/aufarbeitung