Aktionstag am 6. September

Binger Christen for future

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For future – für die Zukunft. Die englischen Wörter stehen inzwischen für eine breite Klimaschutz-Bewegung, die mit umstrittenen Schulstreiks begann. Die Gemeinde St. Martin in Bingen klinkt sich ein. Das Ergebnis ist eine Premiere. Von Anja Weiffen.

Die Organisatoren des ersten Binger Klima-, Umwelt- & Schöpfungstags, darunter Pfarrer Markus Lerchl (links) von der Gemeinde St. Martin und der Binger Oberbürgermeister Thomas Feser (4. von links)
Die Organisatoren des ersten Binger Klima-, Umwelt- & Schöpfungstags, darunter Pfarrer Markus Lerchl (links) von der Gemeinde St. Martin und der Binger Oberbürgermeister Thomas Feser (4. von links). Foto: Stadt Bingen

Einen Mitmach-Tsumami könnte man das Vorhaben fast nennen. Die Länge der Teilnehmerliste ist eine eigene Meldung wert (siehe „Zur Sache“). Rund 30 gesellschaftliche Akteure sind dabei – in einer Stadt von circa 26 000 Einwohnern. Am 6. September tun sich in Bingen Kirchen, Umweltverbände, Einrichtungen, Unternehmen und viele mehr zusammen, um am ersten Binger Klima-, Umwelt- & Schöpfungstag – kurz BIN4future – zu demonstrieren und sich zu informieren. Mit ihrem Gelände rund um die Basilika St. Martin ist die katholische Gemeinde in Bingen Gastgeber.

Wie entstand diese Begeisterung? Matthias Mandel, Gemeindemitglied aus St. Martin, berichtet von der Initialzündung vor einem Jahr beim Rochusfest mit Bischof Peter Kohlgraf. Die Umweltenzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus stand im Mittelpunkt. Das Thema beeindruckte und blieb hängen. Ein Gesprächskreis in der Gemeinde nahm übers Jahr die Gedanken zur Schöpfung auf und sponn sie weiter. „Wir haben uns so intensiv damit beschäftigt, dass wir das nicht verpuffen lassen wollten“, erinnert sich Matthias Mandel. Das Engagement ging in die nächste Runde, man lud Alois Bauer vom Referat Weltmission, Gerechtigkeit und Frieden ein, um mehr über die Zusammenhänge des Themas zu hören. Auch über das bereits bestehende Umweltengagement auf Dekanatsebene informierte sich der Kreis. Um ihr neu gewonnenes Wissen spirituell zu untermauern, absolvierten die Teilnehmer in der Fastenzeit ein vierwöchiges ökumenisches Exerzitienprogramm namens „erd-verbunden“.

Logo Bingen for future
Logo des ersten Binger Klima-,
Umwelt- & Schöpfungstags
am 6. September

Dann die nächste Phase: „Wir wollten nicht nur jeder für sich etwas tun, sondern gemeinsam ins Agieren kommen“, erläutert Mandel. Die Idee, den diesjährigen Schöpfungstag der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) zu nutzen, stand im Raum. Dieser Tag wird diesmal am 6. September zentral in Heilbronn unter dem Motto „Salz der Erde“ begangen. „Ein Freitag, fiel uns auf. Schnell assoziierten wir den Freitag mit den Demonstationen der Fridays-for-Future-Bewegung, die es auch in Bingen gibt“, sagt Matthias Mandel. „Und auch an der Technischen Hochschule Bingen fanden wir mit den Scientists, den Wissenschaftlern, for future Kooperationspartner.“ Engagierte Eltern von Parents-for-future sowie zwei Kindergärten kamen dazu. „Wir waren vorher nicht mit diesen Gruppen vernetzt, das passierte erst durch die Planung des Schöpfungstags“, erläutert Matthias Mandel und erzählt weiter. Inzwischen war in der Basilikagemeinde der neue Pfarrer Markus Lerchl angekommen. „Und offen für unsere Pläne.“ 

Pfarrer Lerchl freut sich besonders über den gemeinschaftlichen Aspekt des Projekts. „Im Vorbereitungskreis sagte ein Mitglied neulich: ,Die Alten demonstrieren an Fronleichnam, die Jungen bei Fridays for Future – und beide finden nicht zusammen‘“, sagt Lerchl. „Ich bin sehr froh und dankbar, dass dies am Binger Umwelt-, Klima- & Schöpfungstag anders sein wird.“ Der Aktionstag verbinde mehrere Generationen miteinander sowie ganz unterschiedliche Menschen mit verschiedenen (Welt-)Anschauungen und (Glaubens-)Bekenntnissen. Lerchl: „Neben dem wissenschaftlichen Blick auf die Natur bringen wir als gläubige Christen unsere Sicht auf die Natur als Schöpfung Gottes und damit unseren Glauben an Gott als Schöpfer ein. Bei allen Unterschieden ziehen wir aber ohne Konkurrenz am selben Strang, nämlich dem entscheidenden Thema, wie unsere Erde und die Menschheit auf ihr überlebt.“

Die kirchlich Aktiven und Pfarrer Lerchl verbinden den Schöpfungstag zudem mit Anliegen des Pastoralen Wegs im Bistum. Kirche gehe bei BIN4future nach außen. Für Markus Lerchl passt das Projekt in mehrfacher Hinsicht zum Pastoralen Weg: „Bischof Kohlgraf hat als Leitmotiv neben anderen auch das Teilen von Leben und Ressourcen benannt. Wir teilen mit vielen Menschen, seien sie nun gläubige Christen oder nicht, die Sorge darum, dass das Leben auf dieser Erde gefährdet ist beziehungsweise in bestimmten Regionen nicht mehr möglich sein wird. Mit den Jugendlichen protestieren wir dagegen.“ Das Teilen von Ressourcen sei nicht nur ein innerkirchliches Thema. „Wir spüren in der aktuellen Klimaschutzdebatte, dass es eine Frage des Überlebens der Menschheit ist.“ Auch hier fordert der Pastorale Weg die Katholiken im Bistum heraus, neue Antworten zu geben „und als Gemeinde Jesu Christi mitzuhelfen, dass alle Menschen auf dieser Erde gut leben können“.

Der Aktionstag am 6. September beginnt um 13 Uhr mit einer Demonstration, Treffpunkt Bürgermeister-Neff-Platz. Der Protestmarsch endet an der Basilika, circa 14 Uhr. Dort laden Infostände und stündliche Kurzvorträge zur Information ein. Abschluss gegen 18 Uhr mit gemeinsamem Singen.

 

Zur Sache: BIN4future: Wer macht mit?

Der erste Klima-, Umwelt- & Schöpfungstag ist eine Gemeinschaftsaktion von Fridays-for-Future Bingen, Scientists-for-Future Bingen, Churches-for-Future Bingen, Parents-for-Future Bingen.

Unter anderem wirken mit: Naturschutzbund Deutschland (NABU), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Welt-Laden, Umweltamt/Klimaschutz Stadt Bingen, Repair-Café, Kleider-Tausch-Börse, Blus’ & Rockhaus, Imker, Genussgarten Kempten, Hühnerhof Amadeus, Eßbare Stadt, Waldklimabotschafter, Firma Neudorf zu biologischem Pflanzenschutz, Firma Tomra zu Kunststoff-Recycling, Frosch Ökoproduktlinie, Missio-Handy-Recycling, evangelischer Kindergarten zum Thema Wasser, Kindergarten St. Annaberg zu Müll, Car-Sharing, TH-Bingen zu CO2-Kompensation, Caritas zu Insekten, ICAN Abrüstungskampagne, Science Lounge, Buchladen Timeline zu Umweltliteratur, Energiegenossenschaft ENR, Sing-Akademie und viele mehr. (red)

 

Meinung: Frage offen

Anja Weiffen

Am 22. Mai haben Mitglieder des „Ökumenischen Netzwerks Klimagerechtigkeit“ die Initiative „churches for future“ (Kirchen für die Zukunft) angestoßen. Aus Solidarität mit der weltweiten Fridays-for-future-Bewegung. Endlich. Nach einer Erbsenzähler-Diskussion um die Schulstreiks scheint „for future“ anerkannt zu sein. Kritik nach dem Motto „protes-tieren, aber nichts tun“ hält Matthias Mandel aus St. Martin entgegen: „Wir stellen bei uns selbst fest, dass Bewusstsein zum Handeln führt.“ Pfarrer Lerchl bringt es im Artikel oben auf den Punkt: „Hier sind Katholiken herausgefordert, neue Antworten zu geben.“ Genau. Es geht um die Frage: Was ist die Frohe Botschaft in Zeiten einer jetzt schon verheerenden Erderwärmung?

Von Anja Weiffen