Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe
Bischöfe wagen den Befreiungsschlag
Die Bischöfe haben auf der Frühjahrsvollversammlung in Lingen einen "synodalen Weg" beschlossen, um Kernfragen neu zu diskutieren.
In einer überraschenden Entscheidung haben die deutschen katholischen Bischöfe eine offene Debatte über umfassende Veränderungen ihrer Kirche beschlossen. Ohne Gegenstimmen einigten sie sich nach intensivem Ringen auf einen verbindlichen "synodalen Weg", der die Positionen zu den Themen Macht-Teilung, Zölibat und Sexualmoral klären soll.
Der Konferenz-Vorsitzende Kardinal Reinhard Marx zeigte sich am Ende der viertägigen Beratungen in Lingen erleichtert. Er sei froh, dass nun ein neuer Weg beschritten werde, auch wenn er wegen der zu erwartenden Kontroversen Risiken berge. Ausflüchte seien nicht mehr möglich; die Bischöfe spürten, dass "die Gläubigen das nicht mehr mitmachen".
Proteste der katholischen Basis hatten die Beratungen der Bischofskonferenz in Lingen gleich zu Beginn begleitet. Die Debatten der Bischöfe kreisten zunächst um das Thema der transparenten Aufarbeitung der oft weit zurückliegenden Verbrechen. Bald ging es dann aber auch um die Frage, ob angesichts der Glaubwürdigkeitskrise der Kirche umfassende Veränderungen in ihrer Struktur sowie in ihrer Morallehre notwendig sind.
Eine Debatte über solche systemischen Veränderungen haben den Bischöfen auch die Wissenschaftler empfohlen, die in im Herbst veröffentlichten Studie Ausmaß und Ursachen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Geistliche untersuchten. Das wurde von vielen Bischöfen als Zäsur empfunden. Verstärkt wurde dieser Eindruck durch eine wachsende Kritik aus der Mitte der Kirchenmitglieder.
Als ersten konkreten Schritt beschlossen die Bischöfe, dass sie deutlich mehr Frauen in Führungsämtern einstellen wollen, etwa auch bei der Personalführung. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode betonte, wenn eine Frau Personalverantwortung über Geistliche habe, könne die als "männerbündisch" kritisierte Sonderkultur der katholischen Kirche aufgebrochen werden. Die Bischöfe einigten sich, mindestens ein Drittel der Stellen in der höheren und mittleren Leitungsebene mit Frauen zu besetzen.
Weniger konkrete Schritte zum Umgang mit sexuellen Missbrauch
Weniger konkret waren die Schritte, die der Trierer Bischof Stephan Ackermann als Missbrauchsbeauftragter der Konferenz vorstellte. Abermals stellte er eine Zusammenarbeit mit staatlichen und anderen nichtkirchlichen Stellen bei der Aufarbeitung in Aussicht. In der Frage der Entschädigung verteidigte er den kirchlichen Sonderweg einer Zahlung von durchschnittlich 5.000 Euro pro Opfer in Anerkennung des erlittenen Leids. Zugleich kündigte er an, dass diese Methode überprüft werden solle.
Eine kleine Sensation war der Studientag der Bischöfe unter dem Titel "Die Frage nach der Zäsur". In Vorträgen empfahlen männliche und weibliche Theologieprofessoren den Bischöfen, die "Sakralisierung der Macht" in der Kirche zu überwinden. Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff warb für eine Sexualmoral, die den Erkenntnissen der Wissenschaft entspricht und von den Menschen verstanden werden kann. Er plädierte für ein Festhalten an der traditionellen Ehe von Mann und Frau bei gleichzeitiger Wertschätzung für andere gelebte sexuelle Orientierungen - und bekam dafür Applaus von zahlreichen Bischöfen.
In den Vorträgen zeichnete sich das ab, was Bode in einer eindringlichen Predigt zu Beginn des Studientages skizziert hatte. Er warb für die "Wertschätzung verantwortungsvoller und bindungsbereiter Beziehungen zwischen Menschen". Auch zum Thema Missbrauchsaufarbeitung legte Bode die Latte hoch und formulierte: "Nur eine Kirche, die reinen Herzens ist, sich in die Karten schauen lässt und transparent ist, lauter und ohne Doppelmoral, die sich der Wirklichkeit stellt, wird Vertrauen wiedergewinnen."
Diese Thesen deuten bereits an, wohin die Reise bei dem nun beginnenden "synodalen Weg" gehen wird, den die Bischöfe gemeinsam mit katholischen Laien und Experten von außerhalb beschreiten wollen. Das unschöne Fernsehbild vom Montagabend mit den Bischöfen, die aus dem Reisebus heraus Hunderten bei Sturm und Regen ausharrenden Demonstrantinnen zuwinkten, statt mit ihnen zu sprechen, soll nun offenbar der Vergangenheit angehören.
kna