„Bordell Europas geworden“

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Sie hat von Anfang an gespürt, „dass ich das überhaupt nicht machen will“, sagt Huschke Mau über ihre Zeit als Prostituierte. Beim Solwodi-Weltkongress in Mainz wird sie geehrt für ihren Einsatz gegen sexuelle Ausbeutung von Frauen. Von Elisabeth Friedgen.

Die Hilfsinitiative Solwodi setzt sich dafür ein, dass Prostitution in Deutschland verboten wird. Rotlichtviertel wie etwa in Frankfurt dürfte es dann nicht geben. | Foto: picture alliance/imageBROKER
Die Hilfsinitiative Solwodi setzt sich dafür ein, dass Prostitution in Deutschland verboten wird. Rotlichtviertel wie etwa in Frankfurt dürfte es dann nicht geben. Foto: picture alliance/imageBROKER

„Die Leute in Deutschland müssen wissen, worum es eigentlich geht und dass Prostitution ein Verbrechen ist“, sagt Schwester Lea Ackermann, Gründerin der Hilfsinitiative Solwodi. „Wenn jemand sagt ‚Ach, Prostitution, das gab es doch schon immer!‘, dann antworte ich stets, dass es Diebstahl auch schon immer gab, dass wir aber trotzdem ein Gesetz haben, das Diebstahl verbietet und die Täter bestraft.“

Sexkaufverbot statt liberale Gesetzgebung

Solwodi ist die Abkürzung für „solidarity with women in distress“ (auf deutsch: Solidarität mit Frauen in Not). Vom 2. bis 5. April veranstaltet die Hilfsinitiative einen Weltkongress an der Universität in Mainz (siehe „Zur Sache“).

Solwodi fordert von der Politik die Einführung des „nordischen Modells“, also die Abschaffung der Prostitution. „Deutschland ist mit seiner liberalen Gesetzgebung zum ‚Bordell Europas geworden“, beklagt Lea Ackermann. Länder wie Schweden, Norwegen, Island, Irland und Frankreich haben ein Sexkaufverbot bereits vor Jahren eingeführt, Schweden etwa 1999. Eines der Ziele, die Solwodi mit dem Kongress erreichen will, ist es, einer breiteren Öffentlichkeit die Notwendigkeit dieses Verbots vor Augen zu führen.

Vor einigen Jahren aus dem Milieu ausgestiegen

„Fast keine Frau, die sich prostituiert, tut dies freiwillig“, sagt Huschke Mau, die vor einigen Jahren aus dem Milieu ausgestiegen ist und das Selbsthilfenetzwerk „Ella“ gegründet hat. Dort können Prostituierte und ehemalige Prostituierte sich austauschen – online und bei regelmäßigen Treffen, die Huschke Mau organisiert. Die Frauen treten außerdem bei Vortragsveranstaltungen auf und veröffentlichen Texte über ihre Erfahrungen. Ein Jahr lang ist das Netzwerk nun online. Wer aus der Prostitution raus will, der kann hier Hilfe finden. Ihr sei es jedoch wichtig, dass sich auch Frauen, die im Milieu bleiben wollen, im Netzwerk willkommen fühlen. Für ihr Engagement wird Huschke Mau beim Solwodi-Weltkongress mit dem Nikolaus-Einkraft-Preis geehrt, der Menschen auszeichnet, die sich in besonderer Weise für die Menschenwürde einsetzen.

Huschke Mau heißt eigentlich anders, ihren Wohnort möchte sie nicht preisgeben. Ihr eigenes Schicksal hat sie dazu gebracht, sich heute für Prostituierte einzusetzen. Mit 17 lief sie fort aus einem Elternhaus, in dem der Vater die ganze Familie verprügelte und die Mutter vergewaltigte. Nach zwei Jahren in einem Mädchenwohnheim wollte sie studieren, doch sie war mittellos und fand keine Wohnung. Für ein Studium hätte sie BaföG gebraucht. „Meine Eltern haben mir aber nichts unterschrieben, deswegen bekam ich ein Dreivierteljahr lang kein Geld. Also habe ich angefangen, mich zu prostituieren“, schreibt Mau in ihrem Blog. Zehn Jahre lang blieb sie in dem Milieu. Zuerst in einem Wohnungsbordell, später als Escort für Haus- und Hotelbesuche. Eigentlich sei schon ihr erster Freier ein Vergewaltiger gewesen, sagt sie heute.

Es macht sie wütend, wenn Prostitution beschönigend als „Sexarbeit“ bezeichnet wird. „In der deutschen Gesellschaft wird Prostitution verharmlost, weil sie legal ist und viele Menschen annehmen, dass die Frauen das freiwillig tun“, sagt sie. „Aber wie freiwillig ist gekaufter Sex denn, wenn die Frau einfach dringend das Geld braucht und keinen anderen Weg weiß, um zu existieren?“ Es seien Frauen wie sie, die mangels eines Netzwerks aus Freunden und intakter Familie, mangels Wissen um eigene Möglichkeiten und Rechte zu Prostituierten würden. Sie habe „eigentlich von Anfang an gespürt, dass ich das überhaupt nicht machen will“. Doch wie viele andere aus dem Milieu sei sie schnell an Drogen und Alkohol geraten. „Auch darum fehlte mir lange die Kraft, auszusteigen.“ Heute ist sie froh, alles hinter sich gelassen zu haben und anderen helfen zu können.

Ein weiteres Problem, das durch die legale Prostitution in Deutschland verstärkt wird, ist laut Solwodi der Menschenhandel. Auch darum wird es bei dem Kongress gehen. „Über 90 Prozent der Prostituierten hierzulande haben einen Migrationshintergrund“, sagt Lea Ackermann. Da in vielen Ländern Europas die Prostitution inzwischen verboten ist, konnte Deutschland zu einem Hauptziel für Schleuserbanden werden. Um den illegal hergebrachten Frauen aus Afrika und Südosteuropa kurzfristig zu helfen, fordert Huschke Mau mehr Beratungsstellen in der Nähe der Bordelle und dort mehr Dolmetscher. Langfristig könne aber nur ein gesetzliches Verbot helfen: „Nur das würde die Nachfrage aus Deutschland senken. Wenn es sich für die Schleuser nicht mehr lohnt, dämmt das auch den Menschenhandel ein.“

Informationen von und über Huschke Mau und das Netzwerk „Ella“ gibt es unter www.huschkemau.de; www.netzwerk-ella.de

 

Zur Sache: Auch Bischof beim Kongress

Der 3. Weltkongress von CAP (Coalition Abolition Prostituition) und Solwodi findet vom 2. bis 5. April im Philosophicum der Universität Mainz statt. Eine Anmeldung ist erforderlich und online möglich.
Unter anderem werden Lea Ackermann, Alice Schwarzer und der Mainzer Arzt Gerhard Trabert vom Verein Armut und Gesundheit bei den Podiumsdiskussionen sprechen. Bischof Peter Kohlgraf ist bei der Eröffnung am 2. April um 9.30 Uhr dabei. (ef)
www.solwodiweltkongress.blogspot.com

 

Meinung: Nicht nur verbieten

Von Maria Weißenberger

Kaum eine Frau, die sich prostituiert, tut das freiwillig. Was die frühere Prostituierte Huschke Mau sagt, ist nicht, was viele Menschen in Deutschland sich vorstellen – suggeriert doch die legale Prostitution hierzulande, dass es um eine frei gewählte Berufstätigkeit geht. Worte wie „Sexarbeit“ oder „Sexarbeiterin“ verstärken diesen Eindruck noch. Wie freiwillig mag sich eine Frau entscheiden, Sex gegen Geld zu geben, wenn sie keine Alternative sieht, mit der sie ein Studium finanzieren oder ihre Miete bezahlen kann?

Andere Länder, allen voran Schweden, haben den Kauf von Sex verboten. Aber auch dafür gesorgt, dass Frauen und Männer, die aus der Prostitution aussteigen wollen, umfangreich unterstützt werden. Und darüber hinaus Wege zur Prävention beschritten, beispielsweise in der schulischen Bildung. Es genügt nicht, Prostitution zu verbieten. Es muss viel getan werden, um zu verhindern, dass „Sexarbeit“ für Menschen alternativlos erscheint.