Dombibliothek zeigt Ausstellung "SOLITAIRE"
Bücher sprechen mich an
Hannes Möller fühlt sich wohl in den Magazinen großer und kleiner Bibliotheken. In verschwiegenen Ecken, vernachlässigten und staubigen Ecken findet er seine Modelle: alte Bücher. In der Ausstellung „SOLITAIRE“ sind die nach diesen Vorlagen entstandenen Bilder des international bekannten Künstlers ab dem 17. Februar in der Hildesheimer Dombiliothek zu sehen.
Immer wieder hat Hannes Möller die Hildesheimer Dombibliothek für sein Bibliotheksprojekt besucht. Er hat sich die Regale mit den alten Büchern angeschaut. Etliche sind fast so alt wie das Bistum selbst. „Mir geht es dabei nicht so sehr um das Alter der Bücher, sondern sie müssen bei mir etwas auslösen. Ich schaue mir den Buchrücken an oder den Schnitt und weiß: das ist es, das muss ich einfach malen“, erzählt der aus Dinklage stammende Möller. Dann macht er hochauflösende Fotos und nach diesen Fotos malt er in seinem Atelier die Buchrücken mit Akribie. Wer nur flüchtig hinschaut denkt, es handele sich um Fotos.
Möller benutzt bei seinen Bildern mit Vorliebe Aquarell- und Gouachefarben, greift aber auch zu ganz feinen Stiften, ritzt Konturen in die Farbe. Im Gegensatz zum Foto entstehen leicht plastische Bilder.
In Hildesheim ist Hannes Möller kein Unbekannter, arbeitet gern mit der HAWK zusammen, der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst. Da war für ihn, der dunkle Bibliotheken und Archive liebt, schnell klar, dass er auch einen Abstecher in die Dombibliothek machen musste, um für sein Bibliotheksprojekt neue Buch-Modelle zu finden. Bei Monika Suchan, der Direktorin der Bibliothek, rannte er offene Türen ein. „Ich war von der Idee begeistert. Die Bilder von Hannes Möller eröffnen noch einmal einen ganz anderen Zugang zu unseren Büchern“, betont Suchan.
Hannes Möller interessiert nicht der Inhalt der Bücher, sondern das Besondere ihres Aussehens. „Was ich mache, ist eine Form der Dokumentation. Ich halte den aktuellen Zustand der Bücher, der Buchrücken oder der Buchschnitte mit meinen künstlerischen Arbeiten fest. Da wird nichts geschönt, sondern im Gegenteil die Narben, die Flecken, die Risse, Fetzen und Blessuren herausgearbeitet“, beschreibt Möller. Weil er die Bücher in seinen Zeichnungen extrem vergrößert, werden die Schäden, Gebrauchsspuren oder anderen Besonderheiten erst richtig deutlich und dem Betrachter vor Augen geführt. So zum Beispiel das Knotenwirrwarr des Buches „Herbarius zů teütsch vnd von aller hand Kreüttern“. „Wenn wir versuchen würden, die Knoten zu entwirren, wäre die Gefahr sehr groß, dem Buch erhebliche, irreparable Schäden zuzufügen. Deshalb belassen wir es so, wie es ist“, betont Suchan und freut sich darüber, dass Möller dieses Buch in seiner einzigartigen Weise in den Blick nimmt.
Möller stellt einzelne Bücher vor, fotogrfiert sie im Regal und löst sie erst auf der Staffelei aus ihrer Umgebung heraus.
Auf die Frage, warum er dieses oder jenes Buch gewählt hat, lächelt er. „Das kann ich gar nicht so genau sagen. Ich gehe durch die Regalreihen, bleibe stehen und schaue. Es sind die Bücher selbst, die mich ansprechen, die mich auf sich aufmerksam machen, durch die Fragilität ihres Koperteinbandes, durch einen erlittenen Brandschaden, durch einen leuchtend roten Seideneinband, durch Schleifen, die das Buch hermetisch verschließen oder seine gebogene und verzogene Form, die es durch das lange Stehen im Regal erhalten hat“, sagt Möller.
Mit seinen Bibliotheksprojekte hat Möller sich international einen Namen gemacht. Ob bei der Spurensuche der „Verlorenen Bibliothek“ des Zisterzienser Klosters Ebersbach im Rheingau, dessen Bücher in der Säkularisation in alle Welt zerstreut wurden, den Asche- und Brandbüchern der 2007 abgebrannten und wiederaufgebauten Anna Amalia Bibliothek in Weimar oder über das Solitaire-Projekt über die Bücher, die enormen Schaden genommen hatten, als die Universitätsbibliothek im belgischen Leuven 1914 durch deutsche Truppen in Brand geschossen war.
In der Ausstellung vom 17. Februar bis zum 30. März werden in der Dombibliothek neben den aus Hildesheim stammenden „Solitaire-Büchern“ von Hannes Möller zum Teil auch die entsprechenden Originale aus dem Bestand der Bibliothek zu sehen sein.
Edmund Deppe