Erste Gespräche mit der Landesregierung gab es schon vor fünf Jahren
Caritas baut Inklusiven Campus
Erste Gespräche mit der Landesregierung gab es schon vor fünf Jahren, nun sind die Arbeiten ausgeschrieben. Ab Sommer 2020 soll mitten in Duderstadt ein Haus für rund 170 Krippen- und Kindergartenkinder mit und ohne Beeinträchtigung eröffnet werden.
Auch Beratungsstellen, ein Familienzentrum mit Cafébereich und ein Hort sollen darin Platz finden. Dafür hat die Caritas vom Landkreis die ehemaligen Gebäude der Pestalozzi-Förderschule erhalten. Der Komplex gliedert sich in drei Teile, darunter ein roter denkmalgeschützter Backsteinbau vom Ende des 19. Jahrhunderts, ein Gebäude aus den 1960er-Jahren und ein Gebäude aus den 1990er-Jahren.
„Die ehemalige Schule eignet sich sehr gut für das Vorhaben“, sagte Architekt Thomas Naumann bei einer Präsentation der Baupläne. Zunächst schien es schwierig, barrierefreie Zugänge zu den unterschiedlichen Gebäuden zu schaffen. Durch ein neu anzubauendes Treppenhaus werde das Problem gelöst. Anstelle bisheriger Treppenaufgänge werden teilweise Begegnungsflächen geschaffen. Durch die Sanierung der vorhandenen Räume würden zudem etwas größere Gruppenräume entstehen gegenüber einer Neubauplanung.
„Wir wollen den Inklusionsgedanken umsetzen und das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung vorbildhaft gestalten“, kündigte Caritas-Vorstandssprecher Ralf Regenhardt an. Der Inklusive Campus wird rund 3000 Quadratmeter Nutzfläche habe. Hinzu kommen über 8000 Quadratmeter Außenfläche, was etwas mehr als einem Fußballfeld entspricht. Mit der Stadt muss noch entschieden werden, welche Fläche für Pkw-Parkplätze gebraucht wird.
Zahlreiche andere Bildungsangebote sind in einem Umkreis von 100 Metern zu finden. Dazu zählen zwei Grundschulen, zwei weiterführende Schulen und das Haus St. Georg mit der Familienbildungsstätte. „Durch die vielen Eltern und Schüler wird Kommunikation ermöglicht“, hofft Regenhardt.
Für Sanierung, Um- und Anbau sind bis zu 5,5 Millionen Euro eingeplant. Das Land Niedersachsen beteiligt sich über das Förderprogramm „Investitionspakt Soziale Integration im Quartier“ mit 1,66 Millionen Euro. Weitere Gelder kommen vom Landkreis, dem Landesjugendamt und der Stadt Duderstadt.
Johannes Broermann
Name gesucht
Statt „Inklusiver Campus“ sucht die Caritas einen neuen Namen. Er soll „Vielfalt und Inklusion symbolisieren, etwas mit Duderstadt und Kirchgeschichtlichem zu tun haben und für die Kinder ‚greifbar‘ sein“, wünscht sich Caritas-Vorstandssprecher Ralf Regenhardt. Vorschläge können eingesandt werden per E-Mail an: info@caritas-suedniedersachsen.de
„Normalität der Inklusion entfaltet sich“
Propst Bernd Galluschke ist Vorsitzender des Caritasrats in Südniedersachsen und setzt sich für die Verwirklichung des Inklusiven Campus in Duderstadt seit Jahren ein.
Der Baubeginn für den Inklusiven Campus der Caritas in Duderstadt naht. Geht für Sie ein Traum in Erfüllung?
Kann man so sagen. Wir machen aus der Not eine Tugend und etwas Großartiges entsteht. Es war immer meine Vorstellung, dass es mitten in der Stadt einen Ort geben sollte, an dem Kinder mit und ohne Handicaps gemeinsam aufwachsen. Eigentlich ist das Wort Inklusion dafür gar nicht mal das richtige Wort, sondern es müsste normaler Campus oder Campus der Normalität heißen, nicht inklusiver Campus.
Über 5 Millionen Euro erscheinen als eine hohe Investitionssumme.
Wenn wir neu gebaut hätten, wäre es nicht billiger geworden. Es lohnt sich, da zu investieren, wo Zukunftsinvestitionen am wichtigsten sind, nämlich bei Kindern. Über die Kinder erreichen wir die Eltern und da gilt es, christliche Werte, die uns in Europa verbinden, weiterzugeben. Wo sitzen Kinder unterschiedlichster Art und Bildung und Herkunft friedlich an einem Tisch, essen zusammen oder spielen – das ist im Kindergarten. Da kommen Kinder von Eltern mit hoher Bildung und Kinder von Eltern, die Schafhirten in einem arabischen Land waren, zusammen. Das Miteinander dieser Gemeinschaft zu fördern, das ist alle Investition wert.
Wie viel Überzeugungsarbeit mussten Sie in den vergangenen Jahren leisten, damit das Projekt Wirklichkeit wird?
Das Wichtigste war natürlich, dass die Caritas das ganze Projekt übernimmt und als ihr eigenes betrachtet. Da bin ich glücklich und dankbar, dass die Caritas und ihr Vorstand sofort mitgemacht haben. Hürden gab es vielleicht bei einigen Erzieherinnen, die sich erst mal damit beschäftigen mussten, wie zwei völlig verschiedene Einrichtungen unter ein Dach zu bekommen sind. Auch in den Schulen und bei Kommunalpolitikern war viel Überzeugungsarbeit nötig. Gerade die Caritas ist durch das Projekt so gewachsen, dass es gut mitgetragen und nicht nur ertragen wird.
Welche Hindernisse gab es bisher bei der Planung des Umbaus?
Es ging auch um ein Grundstück: Bekommen wir es in Pacht und zu welchen Konditionen? Dürfen wir darauf etwas bauen? Und alle Fragen rund um das wunderschöne denkmalgeschützte Gebäude der Pestalozzi-Schule, wo die Treppenstufen zu hoch und die Fenster nicht angemessen sind für Kita-Kinder. Die Vorschriften und Standards, die wir im Kindergartenbereich haben, sind unglaublich hoch. Manchmal könnte man auf die Idee kommen, dass in anderen Ländern gerade im Kindergartenbereich vieles einfacher ist und der Bildungserfolg trotzdem höher.
Zum Campus sollte ursprünglich auch die IGS St.-Ursula-Schule des Bistums gehören. Die wird nun stattdessen geschlossen. Entwickelt sich das Projekt noch weiter? Wo sehen Sie den Campus in zehn Jahren?
Der Campus wird sich weiter entwickeln. Da bin ich sicher. Wie genau, das steht noch in den Sternen. Mit den Grundschulen sind wir im Gespräch, denn die Kita-Kinder werden in die Grundschulen wechseln und dort geht es dann weiter mit dem Gedanken der Inklusion oder besser mit der Realität einer guten Normalität. Auch die Kontakte mit den weiterführenden Schulen sind da. Ich kann mir vorstellen, dass sich in Zukunft der ganze Campus sogar in den Erwachsenenbereich ausweitet. Wenn die IGS leider geschlossen sein wird, steht ein riesengroßes Gebäude leer. Wer weiß, welche inklusiven Einrichtungen auch für Erwachsene da noch einen Ort finden könnten. Schauen wir mal, wie sich die Normalität der Inklusion entfalten wird. Ich finde es toll, dass das in einer mittleren Kleinstadt möglich ist. Darauf können wir in Südniedersachsen stolz sein.
Interview: Johannes Broermann