Abrahams Kinder
Christlich-muslimische Kita wächst
Vor einem Jahr ging die bundesweit erste Zwei-Religionen-Kita an den Start. Die Betonung von Gemeinsamkeiten statt Unterschieden ist Ziel der Kita. Jetzt stockt die Einrichtung in Gifhorn ihre Plätze auf.
„Die Nachfrage nach unserer Kita ist super und die Eltern entscheiden sich bewusst für Abrahams Kinder“, sagt Linda Minkus, katholische Leiterin der Kindertagesstätte. Zum Erzieherinnen-Team gehören zwei Christinnen und zwei Muslimas, je ein Drittel der betreuten Mädchen und Jungen sind Christen, Muslime und Konfessionslose. Gekocht wird in der Kita-Küche „halal“, nach den islamischen Reinheitsvorschriften und fleischreduziert.
Minkus lobt die starke Elternbeteiligung. „Über 80 Prozent der Mütter und Väter feiern unsere Feste mit.“ Gleich in der ersten Kitawoche nach den Sommerferien stand das muslimische Opferfest an, aber auch Ostern, das Zuckerfest oder Weihnachten wurden groß gefeiert. „Denn die Jesusgeschichte ist auch eine Korangeschichte“, sagt Pastoralreferent Martin Wrasmann. „Eigentlich gibt es viele Dinge, die dicht beieinanderliegen,“ betont der katholische Theologe. Den Trägern geht es nämlich darum, die Gemeinsamkeiten der Religionen von klein auf zu betonen und dabei die Eltern mit ins Boot zu holen. „Abrahams Kinder“ wird getragen von der katholischen St. Altfrid-Gemeinde, der evangelischen Dachstiftung Diakonie sowie der muslimischen Mosche-Gemeinde Ditib in Gifhorn.
Zum guten Start trug laut Wrasmann sicher die seit Jahren gute Zusammenarbeit der Gemeinde St. Altfrid mit der Moscheegemeinde bei. So gehören Friedensmärsche, Gebete und Jugendbegegnungen schon lange zum gemeinsamen Programm.
„Ich bin sehr froh, dass ich mich dieser Aufgabe gestellt habe. Das Ziel, dass wir ein kleines Stück der Welt verändern, haben wir in unserer Umwelt schon geschafft“, sagt Minkus. Die Pädagogin blickt positiv auf das erste Jahr der interreligiösen Kita zurück. Toll findet sie, wie viele Fürsprecher das Projekt in der kleinen Stadt am Südrand der Lüneburger Heide hat: „Nicht nur durch den Ministerpräsidenten, auch wenn man sich mit Leuten in der Stadt unterhält, erfährt man Unterstützung.“ Zum Erfolgsrezept gehöre sicher auch die große Offenheit ihres Teams, so Minkus.
Zur Eröffnung im Juli vor einem Jahr sah das noch ganz anders aus. Mit anonymen Flugblättern wurde versucht, Stimmung gegen das interreligiöse Projekt zu machen. Sehr starke Unterstützung für „Abrahams Kinder“ kam dagegen von der örtlichen kommunalen Politik durch den Bürgermeister. „Er hat immer wieder gesagt, wie wichtig ihm dieses Projekt für seine Stadt ist“, berichtet Wrasmann. Daneben machten sich die Kirchenleitung der Landeskirche, Kultusminister Grant Hendrik Tonne sowie etliche Fraktionen des Landtags für die Einrichtung stark.
„Alles, was ich erwartet habe, ist eingetreten. Entgegen andersartigen Bedenken, die da waren, können wir heute sagen, wir schreiben hier eine kleine Erfolgsgeschichte“, freut sich Wrasmann. „Wir haben deutlich gemerkt, die Bereitschaft für das Miteinander ist viel größer, als das, was gesellschaftlich oft diskutiert wird.“
Im Gegenteil: Die beteiligten Religionen waren offen dafür, ein Currikulum für eine Gottesdienstfeier zu entwickeln. „Wir haben es hinbekommen, ein Ritual für einen gemeinsamen Gottesdienst zu schaffen. Wir eröffnen ihn mit einer Sure, singen zusammen Lieder und enden mit dem Vaterunser,“ sagt der Theologe und ist zurecht ein klein bisschen stolz darauf.
Sabine Moser