Ostbeauftragter der Bundesregierung

„Das Christliche ist sympathisch“

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Ein Katholik aus der thüringischen Diaspora ist Ostbeauftragter der Bundesregierung. Christian Hirte lebt seinen Glauben und ist von den Wertvorstellungen der Kirche geprägt.

Christian Hirte (CDU), Beauftragter für die neuen Bundesländer. | Foto: kna

Der Reporter ist zur falschen Zeit am falschen Ort. Es gibt zwei Hirtes, die für die CDU in den Bundestag gewählt wurden. Beide sind katholisch und beide haben ihr Büro im selben Gebäude. Nur die Etagen und Zimmernummer passen nicht. Doch als der Journalist ohne Termin vor ihm steht, sagt Christian Hirte: „Sie sind doch der Mann von der Kirchenzeitung. Wenn Sie schon mal da sind, dann nehme ich mir etwas Zeit.“ Seinen Büroangestellten weist er kurz an, nachfolgenden Besuch eventuell kurz warten zu lassen. Hirte nimmt den Irrtum locker. Und das, obwohl die Thüringer Allgemeine einst über ihn schrieb, „bei Christian Hirte sitzen nicht nur Haare, Brille und Anzug immer präzise … Auch sonst hat alles seine christlich-demokratische Ordnung.“ Das ist auch heute nicht anders. Alles an dem Politiker wirkt bis aufs i-Tüpfelchen abgestimmt.
Mit seinen 43 Jahren ist Hirte, der im Mai 1976 im thüringischen Bad Salzungen geboren wurde, einer der jüngeren Abgeordneten im Parlament. Seit einigen Monaten leitet der frisch gekürte Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums – für viele überraschend – auch den sogenannten Kardinal-Höffner-Kreis der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in dem sich die katholischen Unionsabgeordneten traditionell mit Bischöfen, Kardinälen und führenden Ordensleuten austauschen. Zudem ist Hirte einer von sieben stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden seiner Partei. Bekannt aber wurde der Jurist vor allem, weil er im März von Kanzlerin Angela Merkel zum „Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer“ ernannt wurde. Als „Ostbeauftragter“ soll er die Maßnahmen der Regierung zum „Aufbau Ost“ koordinieren und den Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit herausgeben.
Bereits in seinen ersten Interviews zeigte Hirte durchaus Kante. Gegenüber dem „Tagesspiegel“ etwa sagte er, „man muss zur Kenntnis nehmen, dass es weite Teile Ostdeutschlands gibt, in denen Menschen keinerlei Erfahrungen mit Fremden hatten und akzeptieren, dass daraus Ängste erwachsen.“ So habe sich beispielsweise in Cottbus die Zahl der Ausländer binnen drei Jahren vervierfacht. Dies sei zwar immer noch weniger als in Stuttgart oder Köln, „aber ich möchte die Region in Deutschland sehen, wo so eine Entwicklung binnen kurzer Zeit nicht auf massive Verunsicherung treffen würde“.
Zwar lässt sich aus Sätzen wie diesen, anders als es Kritiker ihm schon unterstellten, noch kein Verständnis für fremdenfeindliches Gedankengut ableiten. Doch auch im Hintergrundgespräch mit Hirte wird bald deutlich, dass er in Sachen Flüchtlingspolitik mit dem Kurs von Papst Franziskus oder des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki doch deutliche Schwierigkeiten hat. Vielmehr tickt er in Einwanderungsfragen eher so wie sein Parteifreund Jens Spahn. Natürlich sei klar, dass Deutschland keine Menschen aus Bürgerkriegen abweisen dürfe. Doch viele Flüchtlinge seien ja gar nicht aus Aleppo zu uns gekommen, sondern aus Lagern in der Türkei, Jordanien oder dem Libanon, wo sie bereits relativ sicher waren. Auch die These von Österreichs ehemaliger Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, nachdem es sich bei vielen Fluchtbewegungen um Wanderungen von einem wirtschaftlich schlechter gestellten Land in Staaten mit besseren Sozialleistungen handele, lässt er unwidersprochen.
 
Anerkennung der Ehe Homosexueller ist Fehler
Bei anderen Themen – etwa beim Lebensschutz – vertritt er klassisch katholische Postionen. Die Öffnung der Union hin zur Akzeptanz der Homoehe sowie das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare bezeichnet er im Gespräch als „schwierig“ und als falsche Entscheidung. Hirte ist aber auch klar, dass die gesellschaftliche Realität heute eine andere Sprache spricht als die Kirche es gerne einfordert. So würden im Osten bereits 80 Prozent der Kinder außerhalb einer Ehe geboren, so Hirte.
Anders als seine Vorgänger im Höffner-Kreis gehört Hirte eher dem konservativen Lager seiner Partei an. Das wird auch deutlich, wenn der Jurist und Haushaltsexperte beispielsweise „Wucherungen im Sozialstaat“ beklagt. Dann kann man von ihm sogar Sätze wie „Wir geben zu viel für Rente aus.“ hören. Auch beim Thema Mindestlohn sagt er: „Ich war nicht dafür.“ Allerdings räumt er ein, dass sich die Befürchtungen mancher Wirtschaftsliberaler, der Mindestlohn werde zu massiven Arbeitsplatzverlusten führen, nicht bewahrheitet haben.
Schon als Schüler engagierte sich Hirte politisch und trat in die Junge Union ein. Mit 23 wurde er JU-Chef im Wartburgkreis. 2008 rückte er in den Bundestag nach. Ab 2009 gewann er seinen Wahlkreis „Eisenach/Wartburgkreis/Unstrut-Hainich-Kreis“ dreimal hintereinander. Auch privat ist bei ihm „alles wohlgeordnet“, wie eine Zeitung mal notierte: „Er ist katholisch, verheiratet; mit seiner Frau hat er zwei Töchter und einen Sohn. Das Einzige, was aus der konservativen Vita heraussticht: Er hat nicht an der Waffe gedient, sondern lieber Zivildienst geschoben.“
Auf seine Besucher wirkt er „jung, strebsam, ehrgeizig“. Und genauso wünscht sich Hirte wohl auch den Osten. In einem Interview forderte er die Ostdeutschen jüngst zu mehr Selbstbewusstsein auf. Man solle lieber auf das bisher Erreichte als auf die Defizite schauen. Gleichwohl ist Hirte davon überzeugt, dass der Osten dem Westen wirtschaftlich noch eine Weile hinterher hinken wird. So fehlten in den neuen Ländern die internationalen Großkonzerne. Nur sie könnten ihren Beschäftigten Spitzenlöhne zahlen.
Die Ernennung Hirtes zum Vorsitzenden des Kardinal-Höffner-Kreises hat in der Union einige überrascht. Hirte selbst erklärt sich seine Nominierung damit, dass er „für einen neuen Typus des Katholiken“ stehe. So komme er – anders als seine Vorgänger – aus der Diaspora. Auch wenn heute immer weniger Katholiken in der Union Führungsposten inne hätten, ist Hirte überzeugt, dass sich seine Partei wieder stärker ihrer Werte und Wurzeln besinnen sollte. „Das Christliche“, sagt Hirte, „ist doch deutlich sympathischer als das kalt konservative“.
 
Von Andreas Kaiser

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