Mittagsgebet zum Totengedenken von Kardinal Lehmann

"Dass wir Gast auf Erden sind..."

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Junge und Alte, Arme und Reiche, auf Krücken, mit Kinderwägen, manche mit Tränen in den Augen und mit Blumen in der Hand – die Menschen haben Abschied genommen von Kardinal Lehmann. Das Bistum Mainz hat zum Totengedenken in die Augustinerkirche in der Mainzer Altstadt eingeladen, wo Kardinal Karl Lehmann aufgebahrt wurde, und viele, viele sind gekommen. Von Ruth Lehnen

Die Sext ist das Mittagsgebet der Kirche: Um die sechste Stunde, um 12 Uhr, versammeln sich die Gläubigen, um von Kardinal Karl Lehmann Abschied zu nehmen, der am Sonntag, 11. März, verstorben war. Sie kommen mit Tüten und Fahrradtaschen in der Hand in die Augustinerkirche in der Mainzer Altstadt. Sie stellen sich an, um einen letzten Blick auf den Kardinal zu werfen, um ihm Lebewohl zu sagen. Ernst verweilen die meisten eine kleine Spanne vor dem toten Kardinal, vor der brennenden Osterkerze, dann treten sie beiseite, um dem Nächsten Platz zu machen. Es kommen Schüler, Mitarbeiter, Menschen in der Mittagspause. Die Ordensschwestern, die den Kardinal bis zum Schluss begleitet haben, sitzen in der Bank. Dompfarrer Professor Franz-Rudolf Weinert begrüßt die Menschen und erläutert ihnen, dass die Sext im Wesentlichen aus den alttestamentlichen Psalmen besteht, die im Wechsel gebetet werden. Und es gelingt: Spontan und würdig zugleich stimmen alle ein, nachdem Regens Tonke Dennebaum mit geschulter Stimme vorgebetet hat: "Ich will dir danken, Herr, mein Gott, aus ganzem Herzen, will deinen Namen ehren immer und ewig. ––– Du hast mich den Tiefen des Totenreichs entrissen. Denn groß ist über mir deine Huld." (Psalm 86).

Aus dem Buch der Weisheit stammen die Worte, dass Gott den Tod nicht gemacht hat, und dass er "keine Freude (hat) am Untergang der Lebenden. Zum Dasein hat er alles erschaffen." So mancher wird sich jetzt der Lebensfreude erinnern, die Kardinal Karl Lehmann ausgestrahlt hat, an sein Lachen, an sein Lieblingswort "Zuversicht". Dompfarrer Weinert verzichtet auf eine Predigt und zitiert einen Text des Theologen Romano Guardini, der das Sterben als die letzte und wichtigste Chance sah, ein Ja zu Gott zu sagen.

Die Größe und Ungeheuerlichkeit des Todes ist an diesem Mittag in der Augustinerkirche zu spüren. Aber auch die Liebe vieler Menschen, ihre Dankbarkeit für das Leben und Wirken von Kardinal Lehmann – sein Ja zu Gott als Mann der Kirche, sein Ja als Mensch zu anderen Menschen wirkt weiter. Draußen vor der Kirche, vor einem Café steht mit Kreide geschrieben auf einer Tafel: "Wir gedenken ,unserem' Kardinal Lehmann und danken, dass wir Gast auf Erden sind."