Katholische Kirche in der Tschechoslowakei
DDR-Katholiken unterstützten verfolgte Kirche
An der Beerdigung des Leitmeritzer Bischofs, Kardinal Štěpán Trochta, nahmen neben den Kardinälen König (Wien) und Wojtyla (Krakau) auch mehrere Bischöfe aus der DDR teil. Da den Bischöfen vom Staat verboten worden war, eine Ansprache am Grab zu halten, konnte lediglich der damalige Schirgiswalder Pfarrer Hermann Scheipers sprechen. Scheipers und Trochta kannten sich. Sie waren zur gleichen Zeit von den Nazis im Konzentrationslager Dachau interniert. Foto: Archiv |
Im letzten Jahr veröffentliche die Ackermann-Gemeinde unter dem Titel „Christliche Rache“ (ein Zitat des tschechischen Theologen Oto Madr) eine zweisprachige Publikation über die Hilfen sudetendeutscher Christen für die katholische Kirche in der kommunistischen Tschechoslowakei. In diesem Werk werden die Kontakte und Hilfe der Ackermann-Gemeinde und ihres Sozialwerks geschildert. Hierbei konnte man sich auf das Archiv der Bundesgeschäftsstelle stützen. Der Versuch diese – gut gelungene und lesenswerte – Publikation um die ostdeutsche Perspektive zu ergänzen, ist freilich kein einfaches Unterfangen. Während es in der alten Bundesrepublik mit der Ackermann-Gemeinde eine von katholischen Sudentendeutschen gegründete Organisation gab, war dies in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der späteren DDR ein Ding der Unmöglichkeit. Jegliche Zusammenschlüsse der Heimatvertriebenen – die verharmlosend „Umsiedler“ genannt wurden – waren aus politischen Gründen strikt untersagt.
Regelmäßige Besuche in der alten Heimat
Der einzige Ort, an dem die katholischen Heimatvertriebenen unter sich waren, sich unbefangen begegnen konnten und Trost und Hilfe erfuhren, waren die jeweiligen Kirchgemeinden. Der Erfurter Kirchenhistoriker Josef Pilvousek bezeichnet daher die katholische Kirche in den ersten Jahren der DDR als „Flüchtlingskirche“. Sobald es wieder halbwegs möglich war, reisten viele der nun in der SBZ/DDR lebenden Sudetendeutschen regelmäßig in die alte Heimat. Dabei erlebten sie hautnah die Bedrängnis ihrer tschechischen Glaubensgeschwister. Diese Erfahrung regte oft spontane Hilfsmaßnahmen an. Nicht wenige wirkten nach 1948 als Fluchthelfer für Antikommunisten aus der Tschechoslowakei, die über die DDR gen Westen flüchteten.
Während man in der ČSSR von einer Verfolgungssituation der Christen sprechen kann, war – trotz der auch hier vorhandenen Bedrängnis durch das SED Regime – der Freiraum der Christen in der DDR ungleich größer. Da zwischen der ČSSR und DDR ab dem Jahr 1972 visafreier Grenzverkehr bestand, bot dies die Möglichkeit, in der DDR Begegnungen und Veranstaltungen für tschechoslowakische Katholiken zu organisieren. So veranstaltete das Philosophisch-Theologische Studium in Erfurt regelmäßig in den Semesterferien Studienwochen für Seminaristen aus Leitmeritz/Litoměřice. Da die Ausbildungssituation an der Theologischen Fakultät und im Priesterseminar in Leitmeritz überaus problematisch war, erfreuten sich die Erfurter Studienwochen stets sehr großer Beliebtheit. Besonders dem Erfurter Neutestamentler Heinz Schürmann war es ein großes Anliegen, die Leitmeritzer mit moderner Theologie vertraut zu machen.
Anfang der 1960er Jahre hatte – vermittelt durch italienische und österreichische Ärzte, die in den katholischen Krankenhäusern Dienst taten – die Fokolarbewegung in der DDR Fuß gefasst. Der Dresdner Domkaplan Joachim Reinelt brachte sehr bald auch die ersten tschechischen Priester mit dieser Geistlichen Bewegung in Kontakt. In der Folgezeit richtete die Fokolarbewegung in Leipzig und später auch an anderen Orten zahlreiche Begegnungen und Kongresse für tschechische Priester und Laien aus.
In der Dissertation von Eva Vybíralová über die tschechische Untergrundkirche wird sehr deutlich, dass die meisten geheim geweihten Priester aus der Tschechoslowakei in der DDR geweiht wurden. Es lohnt sich, in der Autobiographie von Tomáš Halík die Beschreibung seiner Priesterweihe 1978 in Erfurt nachzulesen, um von den äußeren Umständen dieser Weihen einen Eindruck zu bekommen. Infolge dieser Priesterweihen gab es eine Kartei der in der DDR geweihten geheimen Priester. Diese Kartei wurde in den 1980er Jahren durch den Berliner Bischof Joachim Meisner geführt und ermöglichte es, den Kontakt zu ihnen aufrecht zu erhalten. Fast alle Kontakte mussten so konspirativ wie möglich erfolgen. Als der Prager Kardinal František Tomášek den Erfurter Subregens Wolfgang Ipolt zu einem Gespräch empfing, ermahnte er seinen Gast, nicht einmal sein Generalvikar und späterer Weihbischof Jan Lebeda dürfe etwas von den geheimen Weihen erfahren.
Im doppelten Boden des Trabants – oder auf anderen konspirativen Wegen – wurden zahlreiche Bücher des katholischen St. Benno Verlags in Leipzig sowie Paramente, Geldspenden und so manches mehr in die ČSSR geschmuggelt.
Beerdigung von Kardinal Štěpán Trochta
Die Verbindungen zwischen der Kirche in der DDR und in der ČSSR zeigte sich auch beim Begräbnis des Leitmeritzer Bischofs und Kardinals Štěpán Trochta. Kardinal Trochta starb am 6. April 1974 infolge einer stundenlangen Unterredung mit einem betrunkenen Vertreter des Regimes. Auf staatlichen Druck hin wurde die Beisetzung auf Osterdienstag gelegt, damit es niemand möglich war, ein Visum für die Beerdigung zu beantragen, daher konnte aus dem „Nichtsozialistischen Ausland“ lediglich der Wiener Kardinal Franz König anreisen. Neben der polnischen Delegation unter Kardinal Karol Wojtyla waren fünf Bischöfe aus der DDR zugegen. Unter ihnen waren der Berliner Kardinal Alfred Bengsch, Gerhard Schaffran aus dem Bistum Dresden-Meißen und Hugo Aufderbeck von Erfurt–Meiningen. Den anwesenden Bischöfen war strengsten verboten, am Grab eine Ansprache zu halten. So war es allein der Pfarrer von Schirgiswalde und Dachauer Leidensgefährte Trochtas, Hermann Scheipers, der am Grab eine Ansprache hielt, in der er unter anderem sagte: „Unermüdlich hast du gekämpft für die Freiheit des Glaubens und der Kirche, ohne die Drohungen der Feinde zu fürchten, und hast dafür Gefängnis und schwere Drangsale ertragen.“ Noch heute erinnern sich viele in Dankbarkeit an diese Worte.
Von Markus Ruhs