Suchendenpastoral in Halle
Die Kneipe als Seelsorgeort
Seit eineinhalb Jahren ist Seelsorgerin Verena Krinke in Halle unterwegs, um zu schauen, wie Kirche Neugierigen, Suchenden und Fragenden begegnen und Angebote machen kann. Die Lebenswendefeier jedenfalls wird angenommen.
Spielangebot vor der Marktkirche bei der Elisabeth-Woche 2017 in Halle. | Foto: Andrea Bergert |
Sie will und soll Kundschafterin, Experimentiererin und Vernetzerin für Neugierige, Suchende und Fragende in und außerhalb der Kirche in Halle sein. Und sich dabei nicht zuletzt um die vielen jungen Leute und ihre Eltern kümmern, die in der Saalestadt Jahr für Jahr an der von den Kirchen angebotenen Lebenswendefeier teilnehmen. Im August 2016 hat Gemeindereferentin Verena Krinke (54) diese Aufgabe einer Referentin für Suchendenpastoral übernommen. Und inzwischen in der für zwei Jahre vom Bonifatiuswerk und ein weiteres Jahr vom Bistum finanzierten Projektstelle manche Erfahrungen gesammelt.
Zunächst galt es für Krinke,die mit der Lebenswendefeier verbundenen Herausforderungen zu schultern. „2017 beteiligten sich in Halle 601 Jugendliche bei 26 Lebenswendefeiern“, erzählt Krinke. Bereits zwei Jahre zuvor haben die Eltern an einem Info-Abend teilgenommen, um sich dann mit ihren Kindern für die Feier zu entscheiden. Eine ihrer Aufgaben ist es, bei zahlreichen, von Elternvertretern organisierten Abenden zu informieren. „Ich mache bei diesen Erstbegegnungen und auch weiteren Abenden mit einem Teil der Eltern manche gute Erfahrung“, sagt Krinke: „Die Eltern wollen wissen, wie die fünf Vortreffen der Jugendlichen aussehen, wie die Feier abläuft, ob es etwa einen Segen gibt und was dabei genau passiert. Manche Elternvertreter fragen dann aber auch, ob man sich nicht erneut mal treffen könnte. Bei den vierteljährlich angesetzten Abenden erzählen die Leute dann: ,Ihr habt ja jetzt einen tollen Papst. …‘ Und welche Erfahrung sie mit Kirche gemacht haben. Noch immer ist so mancher von einem Angst besetzen Gottesbild geprägt. …“ Die Gaststätte als Ort, so etwas loszuwerden, habe sich dabei übrigens „als pastoraler Ort sehr gut bewährt“.
Seelsorgerin Verena Krinke. | Foto: Eckhard Pohl |
Als Christen teilen wir den Alltag mit allen Menschen
Bei den Vortreffen der Mädchen und Jungen geht es um Fragen wie: Was ist der Schatz meiner Kindheit? Welche Werte sind mir wichtig? Welche Träume, Wünsche habe ich für die Zukunft? „Auch dabei habe ich zum Teil gute Begegnungen“, sagt Krinke. „Ich war zum Beispiel erstaunt, als ein Jugendlicher, der mir eher reserviert erschien , beim Gestalten seiner Kerze seine Initialen und dazu zwei schwarze Daumenabdrücke angebracht und gemeint hat: ,Meine Lebensspur ist so einmalig wie mein Daumen.‘ Manche Jugendliche sagen auch: ,Gespräche, wie die hier jetzt, habe ich noch nie geführt‘.“
Die Feiern selbst finden jeweils ab erstem Samstag nach Ostern statt. Derzeit gibt es drei katholische und drei evangelische Akteure, die diese in der Moritz- oder der Propsteikirche leiten, unter ihnen Verena Krinke. „Mit den Angehörigen sind bei den Feiern 2017 zirka 6000 Menschen mit Kirche in Berührung gekommen“, hat Krinke ermittelt. Insgesamt 46 vorwiegend Ehrenamtliche, darunter auch Nichtchristen, sind rund um die Feiern engagiert, Krinke lädt sie aller Vierteljahre ein.
Über die Lebenswendefeiern hinaus, die von Diakon Reinhard Feuersträter in Halle etabliert wurden, ist Krinke am Sondieren und Ausprobieren. Dienstlich ist sie dem Dechant von Halle, Magnus Koschig, zugeordnet. Fachlich begleitet wird sie vom Fachbereich Pastoral in Kirche und Gesellschaft des Bistums. Bei der Elisabeth-Woche 2017 „Vom Ich zum Wir“ bot die Seelsorgerin am 21. November mit anderen kirchlichen Akteuren auf dem Markt „New Games“ an. Einige jüngere Passanten ließen sich auf die Einladung: „Haben Sie Lust und etwas Zeit, mit uns zu spielen?“ ein. Auch im kirchlicherseits betriebenen Stand auf dem Weihnachtsmarkt war sie mit präsent: „Wir wollen den Menschen deutlich machen: ,Als Christen sind wir mittendrin im Alltag. Wir können miteinander das Leben teilen.‘“
Bewusst hat sie sich mehrere Stadtteile als Sozialräume angeschaut. „Dabei habe ich eine ganz gravierende Erfahrung mit einer Gruppe von Mädchen in Halle-Neustadt gemacht, die total aggressiv mit ihren Geschwistern umgegangen sind. Wie sich im Gespräch zeigte, waren sie selbst unzufrieden und haben ihren Frust an den Jüngeren ausgelassen.“ Auch wegen dieser Erfahrung ist sie dabei, in der Innenstadt am Alten Markt 29 eine Anlaufstelle zu schaffen, ähnlich, wie sie sie bereits an ihrem vorherigen Einsatzort in Röblingen für Kinder und Jugendliche eingerichtet hatte. „Ich bin ja auch Holzbildhauerin und möchte gern mit jungen Leuten und anderen Interessierten schnitzen und dabei ins Gespräch kommen.“ Zudem schwebt ihr zum Beispiel vor, dass eine Kollegin von der Caritas in der Anlaufstelle regelmäßig Yoga anbieten wird.
„Wir sollten mehr Mut aufbringen, neue Wege zu gehen und auch Fehler zu machen“, sagt Krinke. Leider gebe es deutschlandweit noch keinerlei Austausch zu diesen Fragen.
Meinung: Notwendiger Freiraum
Patentrezepte, den Menschen heute das Evangelium von Gottes Liebe anzubieten, hat niemand. Um so wichtiger ist es, dass Seelsorgern Freiraum bleibt, nach Möglichkeiten zu suchen und neue Wege auszuprobieren. Erfreulich ist, dass das Bonifatiuswerk der Deutschen Katholiken im Rahmen einer Projektstelle in Halle für zwei Jahre dafür Mittel zur Verfügung gestellt hat. Es bleibt zu wünschen, dass derartige Ansätze fortgeführt und ausgebaut werden. Und dass es einen regen Erfahrungsaustausch dazu gibt, nicht zuletzt über Bistumsgrenzen hinweg.
Von Eckhard Pohl