Orgelrestauration der Berliner Gemeinde Corpus Christi abgeschlossen

Die Königin kann wieder singen

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Die Gemeinde Corpus Christi im Prenzlauer Berg hat die Restaurierung ihrer Orgel abgeschlossen. Ab Juni erklingt die „Königin der Instrumente“ wieder zum Lob Gottes.


Intonateur Eberhard Hilse führt die Ergebnisse der Arbeit im oberen Schwellwerk vor. | Foto: Jörg Kortmann


„Unsere Orgel hat 4951 Pfeifen – fast 200 mehr als die Orgel in der Hamburger Elbphilharmonie“, sagt Jörg Kortmann vom Kirchenvorstand der Gemeinde Ss. Corpus Christi in Berlin. Die Gemeinde ist stolz auf das 1925 geweihte Prachtstück deutscher Orgelbaukunst. Als Vorfahrin der damals weltgrößten Kirchenorgel im Passauer Dom ist die Steinmeyer-Orgel der Kirche im Prenzlauer Berg eine der wenigen vollständig erhaltenen und klanglich nahezu unveränderten Großorgeln aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Substanz des Instruments ist original und war entsprechend restaurierungsbedürftig: Auf den Holzoberflächen blühte der Schimmel, die Ledermembranen waren brüchig, die Pfeifen verunreinigt, Spieltisch, Elektrik und Bälge marode. „Zu ihrem 90. Geburtstag wurde der alten Dame daher eine Wellnesskur verordnet“, berichtet Jörg Kortmann.
Bevor mit der Rekonstruktion der Orgel durch die Firma Orgelbau Fleiter oHG aus Münster (Westfalen) begonnen werden konnte, musste die hohe Luftfeuchtigkeit in der Kirche gedämmt werden. Eine Investition in die Zukunft, denn die Klimaregulierung verzögerte die Restaurierung zwar um ein Jahr und war teuer, kommt aber der gesamten Bausubstanz der Kirche zugute. Danach wurde die Orgel in ihre Einzelteile zerlegt. Fast alle Pfeifen wurden ausgebaut, gereinigt, repariert und dann wurde die Orgel wieder zusammengesetzt. Die Technik im Inneren blieb also erhalten, das Instrument wurde nicht „ausgeweidet“. Die Arbeit an der Orgel dauerte zweieinhalb Jahre.
Für das ehrgeizige Vorhaben hatten alle Beteiligten gute Gründe: „Die Meisterleistung der Orgelbauer, die Anstrengungen der Gemeindemitglieder, in den wirtschaftlich schweren Nachkriegsjahren nach dem ersten Weltkrieg so ein luxuriöses Instrument größtenteils aus Spenden zu finanzieren, die Komplettierung der Orgel bis in das Jahr 1943 hinein, als beispielsweise die St. Hedwigs-Kathedrale schon in Schutt und Asche lag, sowie die fachliche Betreuung durch einen ihrer Erbauer und später durch dessen Sohn bis Ende der 1990er Jahre.“

Schimmelüberzogene Relaismagneten vor (oben; Foto: Martin Kondziella) und nach der Restaurierung (unten; Foto: Jörg Kortmann).

Orgelpfeifen als „Patenkinder“
2001 wurde ein Förderverein gegründet, um die Orgel bekannter zu machen und die Finanzierung des Vorhabens anzugehen. Benefizkonzerte fanden statt. „Pfeifen-Patenschaften“ wurden ausgeschrieben: Für eine Spende zwischen 50 und 900 Euro konnte man eine der Orgelpfeifen „erwerben“, zum Beispiel als Geschenk zur Erstkommunion. Mit Wolfgang Thierse als Schirmherrn nahm das ebenso aufwändige wie kostspielige Projekt Fahrt auf. Insgesamt kostete die Restaurierung etwa 423 000 Euro. Die Erzbistümer Berlin und Köln beteiligten sich an den Kosten. Und nachdem die Deutsche Stiftung Denkmalschutz die Förderwürdigkeit der Steinmeyer-Orgel anerkannte, gab es im gleichen Zuge auch Zuwendungen des Landesdenkmalamtes Berlin. Die größte Einzelförderung ist jedoch eine Bundesförderung für national bedeutsame Orgeln aus dem Etat der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Jörg Kortmann vom Kirchenvorstand zieht Bilanz: „77 Prozent der Kosten wurden von externen Förderern aufgebracht, 23 Prozent (rund 95 000 Euro) aus Eigenmitteln der Gemeinde und des Fördervereins. Der Großteil stammt also aus Mitteln öffentlicher, kirchlicher und privater Förderer.“ Der Eigenanteil sollte so gering wie möglich gehalten werden, „denn die Gemeinde hat in erster Linie wichtige seelsorgliche Aufgaben, die zuallererst finanziert werden müssen“.
In der Kirche sind derweil die Intonateure am Werk. Eberhard Hilse, einer der beiden Inhaber der Firma Fleiter, klettert durch die zwei Etagen des Innenraums der Orgel. „Wer sich hier drin nicht auskennt, kann sich verlaufen“, sagt er und schmunzelt. Intonateure geben der Orgel ihren individuellen Klang: „Eine Orgelpfeife muss den richtigen Ton treffen und abgestimmt sein mit ihren Nachbarinnen.“ Das gilt für die kleinsten, die nur wenige Millimeter groß und so dünn wie eine Stricknadel sind, wie für die größten, sechs Meter hohen Pfeifen. Als er zwei dieser „dicken Brummer“ anspielt, vibriert der Boden der Empore unter der Wucht des Klanges. Auch wenn die kleinsten Pfeifen im Kirchenschiff kaum hörbar sind, „für den Klang des ‚Orgel-Orchesters‘ sind sie wichtig“, betont Orgelbauer Hilse.
Die Orgel in Ss. Corpus Chris-ti soll vielfältig genutzt werden: für Konzerte, Orgelführungen, die Organistenausbildung der Universität der Künste. Doch vor allem dient die „Königin aller Instrumente“ der Liturgie. Ab Mitte Juni wird der Organist „wieder in die Pedale treten“, freut sich Pfarradministrator Jacinto Weizenmann von den Herz-Jesu-Priestern. Anders als bei der Orgel in der Elbphilharmonie geht es bei einer Kirchenorgel um das Lob Gottes. Kirchenmusik ist mehr als ein Kunstgenuss.

Die Steinmeyer-Orgel in ihrer ganzen Pracht. | Foto: Martin Kondziella

Von Juliane Bittner

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