Rheingau: Ausstellung an 14 Kirchorten
Die Lichtkreuze des Ludger Hinse
Fotos: Ludger Hinse
„Herr Hinse, wieso sind Ihre Kreuze so schön?“, wird der Künstler schon mal von einem Pfarrer gefragt. „Na, weil unser Glaube so schön ist. Haben Sie das noch gar nicht gemerkt?“, lautet dann seine Antwort. Ludger Hinse ist vor allem für seine Lichtkreuze bekannt. Sie sind vom 16. September bis 26. November in 14 Kirchorten im Rheingau zu sehen – zeitgleich, in der Ausstellung „LICHTreich“. „Lichtkreuze“, sagt der 75-Jährige, „die kann man nicht erklären. Die muss man sehen. Jedes ist anders.“
Das Lichtkreuz als Kreuz der Auferstehung
Seit der Gotik werde das Kreuz im westlichen Kulturkreis als „Leidenszeichen“ gesehen, stellt der Künstler fest. „Romanische Kreuze hingegen sind oft aus Gold und Edelsteinen. Auch die Kreuze aus dem 5. und 6. Jahrhundert strahlen Licht, Freude aus – Auferstehung.“ Im 11./12. Jahrhundert jedoch sei die Sündentheologie entwickelt worden – „und parallel dazu entstanden die Leidenskreuze“, berichtet Hinse. „Und gerade deswegen geht jetzt so eine große Faszination von den Lichtkreuzen aus“, ist er überzeugt. „Ich gestalte mit dem Lichtkreuz das Kreuz der Auferstehung. Das ist provozierend, weil es anders ist als alle anderen Kreuze.“
Künstler als „katholischer Anarchist“
Lichtkreuze, erläutert er, „funktionieren nur über das Licht, aber nicht im Sinne von Strahlern oder Spots“. Gerade alte Kirchen seien nach einem Lichtprinzip gebaut, „so, dass am Morgen durch die Fenster die Sonne auf den Altar scheint, auf das Kreuz scheint und sich dann entfaltet“. In der Ausstellung „LICHTreich“ werden auch frühere Werke Hinses zu sehen sein, „die nicht nur Licht sind“. Im Kloster Marienthal werden Leidenskreuze aufgehängt: „Das Kreuz der Kinderarbeit, das Kreuz der Kindersoldaten, alles sehr gegenständliche Arbeiten“, erläutert er. „Leid, das man nicht ausblenden kann.“ In der Kiedricher Basilika wird am Altar ein Knochenkreuz zu sehen sein – aus Glas und Edelstahl. „Aber das Wesentliche“, betont Ludger Hinse, „sind die Lichtkreuze.“
Der 75-Jährige gilt als „katholischer Anarchist“. „Das bin ich gerne“, bestätigt er. „Katholisch bin ich, weil ich so getauft, so groß geworden bin, Messdiener war und so weiter. Ein Anarchist bin ich, weil ich die Herrschaft des Menschen über den Menschen ablehne, die Herrschaft von Kaiser, König, Papst. Die einzige Herrschaft, die ich akzeptiere, ist die Herrschaft Gottes. Vor dem rechtfertige ich mich – und vor sonst niemandem.“
Ludger Hinse ist nicht nur als Künstler erfolgreich – er hat bislang weltweit mehr als 300 Einzelausstellungen durchgeführt –, er war es auch beruflich. Der studierte Sozialarbeiter war in Bochum einst IG-Metall-Vorsitzender. „Doch wenn du erfolgreich bist, musst du dich ändern“, ist er überzeugt. Er selbst änderte sich.
Als er mit farbigen Bildern Erfolg hatte, „habe ich mich radikal geändert und habe weiße Bilder gemalt – eine Abkehr von jeglicher Farbigkeit. Damit war ich dann auch wieder erfolgreich – ich kann ja nix dazu“, meint er lachend. Es folgten Schaffensperioden mit Stahl, Edelstahl und verzinkten Blechen. „Dann, zu Zeiten des Pinochet-Regimes, habe ich im spanischen Fernsehen eine Sequenz aus Santiago de Chile gesehen: Mütter suchten nach ihren verschwundenen Kindern, haben demonstriert. Da gingen Holzkreuze vorneweg, und tatsächlich nahm ein Soldat seine Maschinenpistole runter, als so ein einfaches Holzkreuz auf ihn zukam.“ Der Künstler hat sich gedacht: „Wenn dieses Zeichen eine solche Macht hat, dann muss ich mich damit beschäftigen.“ Das war die Geburtsstunde des Lichtkreuzes.
Vom Irrläufer zur Ausstellung
Und wie ist es zu dem Kunstprojekt im Rheingau gekommen? „Johannes Hinse aus Geisenheim recherchierte im Internet nach Verwandten, und er schickte auch mir eine E-Mail. Ein Irrläufer, wie sich herausstellte, denn wir sind gar nicht verwandt. Das war aber gar nicht schlimm, er fand das trotzdem toll und hat mich in meiner Werkstatt hier im Ruhrgebiet besucht. Weil er so begeistert war von meiner Kunst, hat er mit dem Pfarrer von Heilig Kreuz Rheingau, Marcus Fischer, darüber gesprochen. Die beiden haben mich nach Geisenheim eingeladen, und wir haben geredet. Zunächst über vier, fünf Ausstellungsorte. Aber dann sind irgendwie 14 Kirchen draus geworden.“
Die Pfarrei Heilig Kreuz konnte jedoch eine Ausstellung dieser Größenordnung nicht alleine stemmen; die Rheingau-Taunus Kultur und Tourismus GmbH hat deswegen die Trägerschaft übernommen.
Zur Sache: Das Programm
- Die Eröffnung ist am Samstag, 16. September, 19 Uhr, in der Pfarrkirche St. Peter und Paul, Eltville, im Gespräch mit Ludger Hinse
- Beim Hildegardisfest am Sonntag, 17. September, begleitet der Künstler die Prozession um 15 Uhr zur Wallfahrtskirche St. Hildegard, Eibingen
- Im Klosterhotel Johannisberg hält Hinse am Dienstag, 19. September, 19 Uhr, eine musikalische Lesung unter der Überschrift „Gottes langsamste Schöpfung – der Westfale“
- „Kinderlieb“: Ein Benefizkonzert für Kinder in Not wird am Samstag, 23. September, 18 Uhr, im Geisenheimer Dom gegeben
- Eine musikalische Zeitreise durch ein Jahrtausend bieten „Lieder von Licht, Zeit und Ewigkeit“ am Sonntag, 15. Oktober, in der Basilika St. Ägidius, Mittelheim
- Der Rheingauer Wanderexperte Wolfgang Blum lädt am Sonntag, 22. Oktober, unter dem Titel „Das Kreuz mit dem Kreuz“ von 10 bis 17.45 Uhr zu einer Pilgerwanderung zu acht der 14 „LICHTreich“-Kirchorte ein (kai)
Ausführliches Programm und Informationen: Telefon 06723/602720, E-Mail: info@rheingau.de