Anfrage
Die Sonntagsmesse und die Sonntagspflicht
Vor kurzem hieß es in einer Anfrage, dass die Gläubigen früher nur selten zur Sonntagsmesse gingen. Seit wann gibt es denn das Kirchengebot zur Sonntagsmesse? R. S., Dresden
Dass Christen sich am Tag der Auferstehung Jesu, also an unserem Sonntag, zum „Brechen des Brotes“ treffen, ist biblische Tradition. Es war und ist ein entscheidendes Erkennungszeichen der Christen.
War das Christentum zunächst eine städtische Religion (Korinth, Rom, Thessaloniki), breitete es sich in der Spätantike und im frühen Mittelalter aus. Damit entstand aber das Problem, sich sonntags überhaupt in einer Kirche versammeln zu können: Die Wege waren weit, die Transportmöglichkeiten rar und Leibeigene hatten keinen arbeitsrechtlichen Sonntagsschutz. Hinzu kam, dass die Liturgie, die zu Anfang eine Versammlung weniger war, sich über die Jahrhunderte stark auf Kleriker hin ritualisierte. Noch im 19. Jahrhundert schrieb ein französischer Benediktiner, die Liturgie sei „ihrer Natur nach mehr dem Klerus vorbehalten“.
Seit wann es das Kirchengebot der Sonntagspflicht gab, ist nicht genau zu benennen. „Seit dem Mittelalter“, diese Angabe findet man in der Fachliteratur – auch deshalb, weil Zahl und Inhalt der Kirchengebote sich oft änderten und nicht unbedingt gesamtkirchlich galten.
Dennoch: Die Sonntagspflicht wurde immer wieder eingeschärft.Genau das sei aber, sagt der Liturgiewissenschaftler Jürgen Bärsch, ein sicherer Hinweis darauf, dass es über Jahrhunderte „keine flächendeckende Erfüllung der Sonntagspflicht“ gab. Teils sogar erlaubterweise. „Es gab die Regel, dass von weit abliegenden Höfen nur einer stellvertretend für alle teilnahm“, so Bärsch. Auch habe man es sich nicht so vorzustellen, „dass jeder von Anfang bis Ende dabei war“. Wichtig sei der Moment der Erhebung der Hostie gewesen, „davor und danach hat man auch Geschäfte gemacht, Verwandte getroffen oder Heiraten angebahnt“.
Dagegen zeugten unzählige Wegkreuze und Kapellen davon, dass sich Familien nicht selten am Sonntagnachmittag zu Andachten versammelten. Bärsch sagt: „Die Liturgie war bis ins 19. Jahrhundert hinein längst nicht so priesterfixiert wie heute.“
Susanne Haverkamp