Klösterreise – Von den Orden lernen

Die Stille füllen mit Gottes Wort

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Kloster Marienheide
Nachweis

Fotos: Hans-Joachim Stoehr

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Gottesdienst der Ordensgemeinschaft im Kloster Waldkappel. Mit ausgebreiteten Armen beten die Schwestern das Vaterunser.

„Klösterreise – Von den Orden lernen“: Die Jahresserie der Kirchenzeitung führt in Klöster der Region. Heute sind wir Gast bei Schwester Theanna Phleps. Sie leitet das Kloster Marienheide der Betlehem-Schwestern im nordhessischen Waldkappel-Wollstein. Die kontemplative Gemeinschaft lebt in einem entlegenen Tal in Stille und selbst gewählter Einsamkeit.


Die Zugangsstraße zum Kloster Marienheide in Waldkappel-Wollstein ist eine gute Vorbereitung auf das, was kommt. Denn der Autofahrer muss im Wortsinn einen Gang runterschalten, um auf der schmalen Straße nach etwa vier Kilometern das Kloster zu erreichen. In der Stille kann sich der Besucher als Eindringling fühlen, der aus einer Welt kommt, die von Hektik und Lärm geprägt ist. Aber dieses Empfinden lassen die Schwestern schnell vergessen. Denn ihre Gastfreundschaft und die echte Zugewandtheit lassen auf nichts als auf die Botschaft schließen: Willkommen bei uns!   
Angesprochen auf die Stille des Orts sagt Schwester Theanna Phleps: „Diese Lebensbedingungen sind für uns eine kostbare Hilfe. Wir leben nicht in der Stille um der Stille willen oder in Einsamkeit um der Einsamkeit willen. Es geht darum, durch Stille und Einsamkeit tiefer die Botschaft des Evangeliums zu leben, die Stille zu füllen mit dem Wort Gottes, den Tagesablauf im Gebet zu verbringen.“   
Die Gebetszeiten, am frühen Morgen und Abend in Gemeinschaft in der Kirche, strukturieren den Tag. Hierzu läutet eine Schwester in der Kirche eine Glocke. Drei weitere Gebetszeiten – „kleine Horen“ genannt – gegen neun, zwölf und 15 Uhr hält jede Schwester für sich in der Einsamkeit, sowie das „Offizium der Erwartung“ nach dem Aufstehen und die Komplet vor dem Schlafengehen. Der Montag ist „Wüstentag“. Die Schwestern verbringen ihn außer der gemeinsamen Messfeier weitgehend in Einsamkeit.   
Am Samstag treffen sich die Schwestern zu einem Kapitel. „Dabei können die Mitglieder auch zur Sprache bringen, wo sie an einer Mitschwester schuldig geworden sind und um Vergebung bitten“, erklärt die Ordensfrau. Denn die klösterliche Gemeinschaft ist nicht frei von Konflikten.   
Der Sonntag dient der Gemeinschaft. Das Mittagessen wird – anders als an den Wochentagen – gemeinsam eingenommen – mit einer Tischlesung. Und die Gemeinschaft geht zusammen spazieren. Dabei wird miteinander gesprochen.   
 

Schwester Theanna Phleps leitet die Gemeinschaft der Betlehemschwestern im Kloster Marienheide.

Die Ordensfamilie schöpft aus den Quellen des ursprünglichen Mönchtums des Wes-tens und des Ostens. So sind die Gebetszeiten mit ihren Gesängen und Gesten byzantinisch geprägt. Die meisten Texte werden gesungen, mehrstimmig. Aber auch der Weihrauch, der aufsteigt, und eine tiefe Verneigung zur Verehrung der Ikonen, die neben dem Altar aufgestellt sind, gehören dazu.   
Das Leben im Kloster ist für Schwester Theanna auch ein prophetischer Dienst. Denn er weist in seiner Lebensform darauf hin, dass Gott hier und jetzt schon gegenwärtig ist, so wie er es in der Zukunft sein wird am Ende der Zeiten im himmlischen Jerusalem.   
Bei der täglichen Arbeit ist das Gebet nicht außen vor. „Es ist mehr ein inneres Beten“, erklärt die 63-jährige Ordensfrau, eine gebürtige Freiburgerin, die seit 2004 in Wollstein lebt. Die Arbeit gehört auch für die Schwestern zum alltäglichen Leben dazu wie der Schlaf oder das Essen. „Das gibt dem Menschen eine Würde. Und es ist etwas sehr Reales, lässt uns Schwestern mit den Füßen auf dem Boden bleiben“, sagt die Ordensfrau.   
Die zwölf Schwestern übernehmen im Kloster unterschiedliche Aufgaben. Das kann der Dienst der Küsterin sein oder in der Küche, aber auch die Betreuung des Gästehauses, des kleinen Klosterladens und des Telefons. Andere Schwes-tern kümmern sich um den Garten, der der Selbstversorgung des Klosters dient, oder um die Schafe, die das Gras auf den Wiesen „abmähen“ und für gutes Fleisch sorgen. Eine Schwester ist für die Baumaßnahmen zuständig. Es ist geplant, Eremitagen (Einsiedeleien) für Priester zu errichten.   
Schwester Theanna ist erst seit wenigen Monaten mit der Leitung der Gemeinschaft betraut, zunächst auf Probe für eineinhalb Jahre als „Vikarin in capite“ (Haupt). Wird sie danach Priorin, kann sie dieses Amt zwölf Jahre ausüben. Die Priorin steht mit jeder ihrer Schwestern in Beziehung, um ihr zu helfen, so wie die es erbittet. „Das Amt der Leitung dient dem geistlichen Wachstum und der Einheit der Gemeinschaft.“ Auch der Überblick über die Arbeitsbereiche der Schwestern und weltliche Dinge wie Finanzen, Post und Verwaltung gehören zum Dienst.   
Ein Leben in Stille und Einsamkeit ist eine Herausforderung. Wer sich für ein solches Leben interessiert, der wird von der Gemeinschaft willkommen geheißen und kann hineinschnuppern.  
Ein erster verbindlicher Schritt ist die sogenannte Lebensschule. „In dieser Zeit besteht die Gelegenheit, eine erste Erfahrung des Lebens in Gemeinschaft und in Einsamkeit zu machen, das Evangelium tiefer kennenzulernen, abzuschreiben und Gott und seinen Heilsplan  zu betrachten“, erklärt Schwester Theanna, die 1999 in ein französisches Kloster der Gemeinschaft eintrat. Es folgt das zweijährige Postulat und mit der Einkleidung beginnt   
das Noviziat, das bis zu zweieinhalb Jahren dauert. Bis zur ewigen Profess sind es weitere fünf Jahre. Das Hineinwachsen in das klösterliche Leben ist nicht nur durch eine theoretische Ausbildung geprägt. Es geht um das Mitleben und die Weitergabe von geistlichem Leben. Aber auch elementare Dinge wie Kochen und Saubermachen gehören dazu. Und die Frage: „Wie lebe ich ausgewogen mit meinem Körper und meinem Geist?“, erklärt Schwester Theanna.

Stichwort: Marienheide  
Die „Monastische Familie von Betlehem, der Aufnahme Mariens in den Himmel und des heiligen Bruno“ – so der volle Name der Ordensgemeinschaft – entstand 1950 in Frankreich. Sie besteht aus 28 Klöstern in 14 Ländern. Ihr Leben ist geprägt von Stille, Einsamkeit und Gebet.  
Schwester Theanna Phleps sagt: „Die Stille muss sich nähren aus dem Wort Gottes und aus dem Sakrament der Eucharistie, sonst ist unser Leben nicht auf Gott und seine Botschaft aus dem Evangelium ausgerichtet. Es geht darum, Raum zu schaffen für Gott in der Stille und in der Einsamkeit. Dabei ist es auch nötig, mein Inneres, meine Gedanken zur Ruhe zu bringen. Das Gebet, das dann in der Begegnung mit Gott möglich wird, ist zugleich auch stellvertretendes Gebet für die Nöte und Anliegen der Welt.“  
1991 lud Bischof Josef Homeyer die Schwestern zur Gründung eines Konvents im Bistum Hildesheim ein. Die Gebäude für das Kloster befanden sich in der Lüneburger Heide. Daher erhielt die neue Ordensniederlassung den Namen Marienheide. 

Kloster Marienheide Nordhessen
Seit dem Jahr 2000 leben die Betlehemschwestern in Waldkappel.

Weil der Ort aber nicht abgeschieden genug für die Spiritualität der Gemeinschaft war, suchten die Schwestern nach einer geeigneteren Niederlassung. Diese fand sich im Jahr 2000 in dem verlassenen kleinen Gutsdorf Wollstein in einem Tal bei Waldkappel in Nordhessen. Mit Unterstützung des Bistums Fulda, des Bonifatiuswerks und vieler Einzelspender entstand seitdem in den historischen Gebäuden das neue Kloster mit den Zellen für die zwölf Schwestern, den Gemeinschafts- und Gästeeinrichtungen. Das Zentrum bildet die Kirche im ehemaligen Stall – passend zu den Betlehem-Schwestern. (st)
 

Kloster Marienheide, 37284 Waldkappel  
Telefon 05656 / 92 39 31  
Internet: 
https://deutsch.bethleem.org/index.php

 

 

Hans-Joachim Stoehr