Am Pfingstsonntag ist Welterbe-Tag

Die Weser brachte Waren und Mönche

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Am Pfingstsonntag wird der Welterbe-Tag begangen. Vier Kultureinrichtungen in Bremen geben aus diesem Anlass in einer Ausstellung Einblick in die mittelalterliche Vergangenheit der Hansestadt.


So bekannt wie die Bremer Stadtmusikanten: Der Roland ist eines der Wahrzeichen der Hansestadt.

Kerzengerade steht er da, ein riesiger Ritter, überragt von einem Baldachin: Die fünfeinhalb Meter große Rolandfigur blickt vom Bremer Marktplatz mit Schild und Schwert auf den St.-Petri-Dom. Rund um das zehn Meter hohe Denkmal zücken Tag für Tag Touristen ihre Kameras.

Der Roland, angeblich ein Neffe Karls des Großen, ist das Wahrzeichen der Hansestadt und ein ebenso beliebtes Fotomotiv wie die Bronzestatue der Bremer Stadtmusikanten. Er ist ein Symbol für die Ansprüche der mittelalterlichen Bürger auf Freiheit und weltliche Macht. Vorgänger der heutigen Steinfigur war ein Roland aus Holz – eine Provokation für Erzbischof Adalbert II., der ihn daher von seinen Kriegern in der Nacht auf den 29. Mai 1366 niederbrennen ließ.

Roland und Rathaus sind Welterbe

1404 entstand der Roland aus Stein, ein Jahr später begann der Bau des Rathauses. Beide wurden 2004 zusammen in die Welterbe-Liste der Unesco aufgenommen. Es ist eine von 48 Stätten des Weltkulturerbes in Deutschland, ebenso wie die die Dome von Hildesheim, Aachen, Speyer, Naumburg, Trier und Köln, wie die Klosterbauten in Corvey, Lorsch und Maulbronn, wie Städte, Parkanlagen und Industriegebäude. Und weil jeweils am ersten Sonntag im Juni der bundesweite Welterbe-Tag begangen wird (in diesem Jahr am Pfingstsonntag), ist bis zum 20. Juni in der Unteren Rathaushalle die Ausstellung „Bremen – Geschichte – Welterbe“ zu sehen.

Museumsleute, Denkmalschützer, Archivare und Archäologen aus vier Bremer Kultureinrichtungen haben bei der Schau zusammengearbeitet. Die Landesarchäologie setzt beim frühen Mittelalter an, im späten 8. Jahrhundert. Damals teilte sich die Weser in viele Flussarme, und ihr wichtigster Arm war die ursprünglich 40 Meter breite Balge. Deren Uferbefestigungen aus Flechtwerk und eingerammten Eichenpfosten haben die Archäologen bei Grabungen festgestellt und dokumentiert.

Händler konnten mit Schiffen einst ihre Ware direkt vom Fluss an den Markt befördern. Im 19. Jahrhundert wurden über die Balge Fäkalien und Müll entsorgt, und sie verschwand in einem unterirdischen Kanal. Heute erinnern nur noch der Straßenname „Balgebrückstraße“ in der Nähe der katholischen Props­teikirche im Schnoor-Viertel und markierte Stellen im Straßenpflaster an den einstigen Flussarm.

Die Archäologen informieren auch über die Mission des Angelsachsen Willehad und daran, dass viele der frühen Erzbischöfe Bremens – Ansgar (801–865) und seine Nachfolger Rimbert, Adalgar und Unni – Mönche im Kloster Corvey gewesen waren, einer ehemaligen Benediktinerabtei an der Weser, die mit ihrer karolingischen Architektur ebenfalls zum Unesco-Welterbe zählt.
 


Reproduktion der „Hanserezesse“, eine Handschrift aus dem späten Mittelalter.

Das „Focke-Museum“ für Kunst und Kulturgeschichte hat aus seiner Sammlung die Original-Standplatte des Rolands von 1404 für die Ausstellung zur Verfügung gestellt. Diese Sandsteinplatte wurde 1968 auf dem Marktplatz durch eine Kopie ersetzt. Die Figur zu Füßen des Roland deuten Forscher meistens als einen besiegten Häuptling der Friesen.

Das Staatsarchiv steuert die Reproduktion einer alten Handschrift bei – die bis 1909 im Bremer Rathaus aufbewahrten spätmittelalterlichen „Hanserezesse“ von 1398–1517 mit Einladungen, Beschlüssen, Beilagen und Notizen der Bremer Ratssendboten von den Hansetagen. Diese Handschrift ist für die Eintragung in das Weltdokumentenerbe nominiert, im Rahmen des von der Unesco gegründeten Programms „Memory of the World“ (Gedächtnis der Welt).

Kaiser, Kurfürsten und Erzbischöfe in Stein

Das Landesamt für Denkmalpflege informiert auf Schautafeln über die Baugeschichte und Restaurierung des Rathauses, einem von 1405 bis 1408 im gotischen Stil mit Backsteinen errichteten Gebäude, das für die damalige Zeit ungewöhnlich groß war. Die Skulpturen an der Südfassade zeigen die höchsten Würdenträger des mittelalterlichen Römischen Reiches: den Kaiser und die sieben Kurfürsten, die ihn kürten (wählten), darunter die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier.

Mit diesen Figuren demonstrierten die selbstbewussten Bremer Bürger ebenfalls ihr Streben nach Unabhängigkeit von ihrem Stadtherrn, dem Erzbischof. Und ihren Anspruch, in einen unmittelbaren Kontakt mit der Spitze des Heiligen Römischen Reiches zu treten. Figuren wie diese fanden sich auch an anderen deutschen Rathäusern, etwa in Aachen, Köln oder Nürnberg, doch nur in Bremen blieben sie im Original erhalten.

Im Jahr 1595, einer Zeit des Wohlstands, begann der Baumeister Lüder von Bentheim mit einem Umbau. Zur Marktseite ersetzte der Architekt die schlichte Front durch eine repräsentative Fassade im Stil der Weserrenaissance. Die reich geschmückten Arkaden sind verziert mit Motiven aus der antiken Mythologie, mit christlichen Symbolen und anderen Darstellungen. Im Inneren des Gebäudes entwarf Lüder von Bent­heim die Güldenkammer, einen Raum für Beratungen, der mit goldgeprägten Ledertapeten dekoriert ist.

Umgeben von der Rats- und Marktkirche „Unser Lieben Frauen“ und dem Petri-Dom diente das Rathaus mehreren Zwecken: Es war ein Ort der Beratung, hier saßen die Geldwechsler, fahrende Musikanten traten auf und hier tagte das Gericht. Und zugleich war das Rathaus, wie Historiker festgestellt haben, „ein Hort des Glaubens“.

Die Ausstellung „Bremen – Geschichte – Welterbe“ ist bis zum 20. Juni in der Unteren Rathaushalle täglich von 11 bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen, unter anderem über Führungen, finden sich im Internet: welterbe.bremen.de.

Christof Haverkamp