Stück im Dresdner Schauspielhaus

Die Zehn Gebote

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Schauspieler und Bürger führen im Dresdner Schauspielhaus ein Stück über die Zehn Gebote auf. Was bedeutet dieser zentrale Text der Juden und Christen religionsfremden Menschen? Dies wird in einem Gespräch mit Bischof Heinrich Timmerevers und Mitwirkenden nach der Aufführung eine Frage sein.


Verbindendes Element der Aufführung ist das Haus, in dem die Handelnden alle wohnen. | Foto: Sebastian Hoppe


Ein großes Haus steht mitten auf der Bühne des Dresdner Schauspielhauses. Während der Aufführung dreht es sich mehrfach um seine eigene Achse. Durch die großen Fensterscheiben sind  Schauspieler zu beobachten und zu hören. Sie spielen Szenen aus dem Alltag von Menschen, die sich in ausweglose Situationen verstrickt haben. Gut und Böse ist dabei oft kaum zu unterscheiden.
Vor beinahe 30 Jahren hat der Filmregisseur Krzysztof Kieślowski für das polnische Fernsehen seinen Dekalog geschaffen, eine Spielfilm-Reihe zu den Zehn Geboten. Nur durch lockere Assoziationen sind in einem Plattenbauviertels am Rande Warschaus angesiedelten Handlungen mit den einzelnen Geboten verknüpft. In der aktuellen Dresdner Produktion „Die Zehn Gebote“ werden Ausschnitte von Kieślowskis Stoff mit Lebensgeschichten Dresdner Bürger angereichert.
Die Bürgerbühne hatte dazu vor einigen Monaten über Zeitungen, Internet-Plattformen und öffentliche Einrichtungen einen Aufruf gestartet. Es meldeten sich rund 150 Bürger, die bereit waren, eigene Lebenserfahrungen mit den Zehn Geboten in Zusammenhang zu bringen. Mit einem solch großen Interesse hatten die Initiatoren nicht gerechnet, sagt David Benjamin Brückel, stellvertretender Leiter der Bürgerbühne und Dramaturg der „Zehn Gebote“.
Acht Bürger erzählen während der Aufführung aus ihrem Leben. Sie sitzen dabei an einer langen Tischreihe zwischen Bühne und Zuschauerraum, die Blicke der Schauspieler, die während ihres Auftritts ihr Spiel unterbrechen, sind auf sie gerichtet.
Die Zuschauer sollen sich selbst wiederfinden in den Episoden, die rund um die Zehn Gebote erzählt werden, formulierte Kieślowski einmal als Anliegen seines Dekalogs, und sie sollen zum Nachdenken angeregt werden. Beides soll in Dresden durch die authentischen Lebenserfahrungen noch intensiviert werden.

„Man hat nicht alles selbst in der Hand“
Es sind keine banalen Geschichten, die das Dresdner Publikum da zu hören bekommt. Von Gewalterfahrungen ist da die Rede, eine Frau erzählt über den Suizid ihres Ehemanns, ein Mann über sein Leben mit einem gespendeten Herzen. Eine Krankenschwester fasst die Erinnerung an die Abtreibungen, die sie als Berufsanfängerin miterlebt hat, in Worte.
Eine junge Frau spricht darüber, wie schwer es ihr lange Zeit fiel, ihren Vater zu ehren. Der hatte sie zur Mitwisserin gemacht und zur Verschwiegenheit gegenüber der Mutter verpflichtet, als er mit deren besten Freundin ein Kind zu zeugen versuchte. Ein wenig aus dem Rahmen fällt das Glaubenszeugnis einer Frau, die als einzige in ihrer Familie den Weg zum Christentum gefunden hat und ihren Glauben weiterhin lebt.
David Benjamin Brückel, der den Kieślowski-Stoff gemeinsam mit dem Regisseur Nuran David Calis für die Dresdner Aufführung bearbeitet hat, ist es wichtig, achtsam und verantwortungsvoll mit den Bürgern umzugehen, die sich mit ihren inneren Verwundungen auf der Bühne offenbaren. Details, die den Betroffenen schaden könnten, werden rigoris gestrichen. Die Namen Dritter bleiben ungenannt. Letztlich sei es aber nie ganz vorhersehbar, wie sich ein Auftritt auswirkt.
Über dieses Risiko wird mit allen, die auf der Bühne aus ihrem Leben erzählen möchten, ausgiebig gesprochen. Es kann sein, dass eine schwierige Beziehung durch die Veröffentlichung noch komplizierter wird. Es kommt aber auch vor, dass sich etwas zum Besseren wendet, weil jemandem plötzlich bewusst wird, dass er mit seinem Verhalten Verletzungen hervorgerufen hat.
Welche Bedeutung haben die Zehn Gebote? Auch darüber stehen die Mitwirkenden des Stückes im Austausch. Stärker als die religiöse Komponente steht für die meisten die gesellschaftliche im Fokus. Für David Brückel ist beides eng vermischt. Er ist ohne religiöse Erziehung aufgewachsen, interessiert sich als Erwachsener aber zunehmend für die jüdischen Wurzeln seiner Familie. Dass Regeln ein gutes, rücksichtsvolles Zusammenleben erst möglich machen, ist ihm nicht zuletzt auf dem Hintergrund der jüdischen Tradition wichtig. „Auch wenn ich mich an einzelnen Formulierungen stoße – etwa, dass die Frau und das Haus im gleichen Atemzug als Besitz genannt werden – halte ich die Zehn Gebote für ein sehr wertvolles und noch immer aktuelles Regelwerk“, erläutert er.
So wichtig es seiner Ansicht nach ist, sich immer wieder an den Geboten auszurichten, so wichtig findet er auch, sich einzugestehen, dass man immer wieder daran scheitert. „Man hat nicht alles selbst in der Hand“, diese Erkenntnis zieht sich auch durch das aktuelle Stück. Menschliches Handeln wird durch unterschiedliche Lebensumstände mit beeinflusst, und die Folgen sind oft erst viel später erkennbar. Nicht selten gibt es keine gute Lösung, sondern nur die Möglichkeit, das kleinere Übel zu wählen.
Für Regisseur Nuran David Calis sind die religiösen Bezüge des Stoffes sehr bedeutend. Der armenisch-orthodoxe Christ bekam im vergangenen November in Köln den Ludwig-Mülheims-Preis, mit dem Theaterschaffende ausgezeichnet werden, die sich gezielt religiösen Stoffen zuwenden.
 
Die Premiere des Stücks „Die Zehn Gebote“ findet am 16. März um 19.30 Uhr im Dresdner Schauspielhaus statt. Eine der weiteren Aufführungen folgt am 18. März um 18 Uhr. Eine Diskussionsveranstaltung der Katholischen Akademie mit Bischof Heinrich Timmerevers schließt sich am 18. März an.

Von Dorothee Wanzek

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