In der DDR hatte Christkönig eine besondere Prägung

Ein Fest der Jugend

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Für die katholische Jugend in der DDR war das Christkönigsfest politisch: Wir folgen Christus, nicht der Staatsführung. Sie feierten Gottesdienste und sangen kämpferische Lieder – allem drohenden Ärger zum Trotz.

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Bischof Joachim Reinelt nach seiner Bischofsweihe 1988. Foto: kna

Von Kerstin Ostendorf

„Das Christkönigsfest war in der DDR das Fest der Jugend“, sagt Bischof Joachim Reinelt. „Die jungen Leute haben es besonders gefeiert, weil die Botschaft des Festes sie begeisterte: Wir haben nur einen Einzigen, der uns wahrhaft positiv gesonnen ist und zu dem wir stehen wollen. Christus ist der eigentliche Herr und Leiter über unser Leben.“ Als Kapläne und junge Priester sei es ihm und seinen Mitbrüdern besonders wichtig gewesen, diese Botschaft zu vermitteln. „Und sie kam an!“, sagt er.

Reinelt leitete von 1988 bis 2012 das Bistum Dresden-Meißen. Der 85-Jährige erinnert sich noch gut an die besonderen Gottesdienste, die Jugendtreffen auf Dekanatsebene und die vereinzelten Prozessionen zum Christkönigsfest, die er als Ministrant und später als Kaplan erlebte. „Manchmal musste sogar ein Volkspolizist die Prozession regeln, weil wir auf öffentliche Straßen kamen. Das hat dem natürlich nicht sehr gefallen“, sagt Reinelt und lacht. „Oder ganz radikale Parteivertreter haben uns gedroht. Aber wir haben uns nichts draus gemacht.“

Christusfahne statt FDJ-Banner

Stolz hätten die Jugendlichen ihre Fahnen in die Kirchen getragen – ein Gegenstück zum Banner des kommunistischen Verbandes der Freien Deutschen Jugend. „Wir haben das Banner des FDJ ersetzt durch die Christusfahne. Wir haben so gezeigt, dass wir einer anderen Linie folgen, dass wir einen anderen Weg haben“, sagt Reinelt. Sie hätten die DDR und die Partei nicht beschimpft, sondern wollten eine positive Alternative zeigen.

Christus als König, als eigentlicher Herrscher, dem wir folgen und gehorchen – dieses Bild wollte Papst Pius XI. festigen, als er 1925 das Christkönigsfest ausrief. Es sollte ein Zeichen sein gegen den Laizismus, der sich in Europa breitmachte, gegen das Ende der Monarchien nach dem Ersten Weltkrieg und gegen die aufkommenden faschistischen Bewegungen. Christuskönig – das war eine politische Botschaft.

In Deutschland war das Fest besonders während der Naziherrschaft beliebt. Die Nationalsozialisten schränkten das kirchliche Leben mehr und mehr ein, Vereine und Verbände wurden verboten – der Katholizismus sollte außerhalb von Kirchenmauern nicht mehr wahrgenommen werden. Als auf den Bekenntnistag der katholischen Jugend das Reichssportfest gelegt wurde, wurde Christkönig vor allem für die Jugend zu einem Zeichen gegen den Führerkult. Und der Protest wurde verstanden: Akten zeigen, dass die Gestapo viele Gottesdienste und Veranstaltungen am Christkönigstag beobachten ließ.

Auch die Christkönigsfeiern der katholischen Jugend in der DDR wurden beobachtet, da ist sich Bischof Reinelt sicher. „Die DDR-Politiker und Stasileute haben das sicher nicht mit Wohlwollen begleitet, aber in der Anfangszeit hatten sie auch noch nicht die Frechheit, Verbote auszusprechen“, sagt er. Die Parteigenossen hätten vielmehr den Akt des Gottesdienstes nicht verstanden. „Für die war das eine Art innerkirchlicher Demonstration. Als Priester durfte man mit der Kritik nicht zu deutlich werden, aber wir konnten indirekt abfeuern.“ 

Er habe zum Beispiel über die Bosheiten des Naziregimes gegenüber der Kirche gesprochen. „Die Leute haben das sofort verstanden: Der Pfarrer meint nicht die Verbrecher von damals, sondern die Genossen der SED“, sagt Reinelt. Als Priester hätten sie taktische Lösungen gesucht. Ein direkter Angriff, Beschimpfungen auf Politiker und den Staat hätten den Katholiken nur geschadet. „Und die Gefängnisse vergrößert“, sagt Reinelt. 

Das Leben für Katholiken war in der DDR auch so schon schwierig genug. Wer jeden Sonntag in den Gottesdienst ging, wurde von der Stasi beobachtet. Junge Leute, die sich in der Kirche engagierten, hatten es schwer, das Abitur zu machen oder einen Studienplatz zu bekommen. Und ein Beruf in höheren Positionen war fast unmöglich. „Das wussten wir alle. Wir mussten gegen den Strom unsere Richtung wählen. Und das haben viele sehr gut gemacht“, sagt Reinelt. 

Man fühlte sich zu Hause und verstanden

Umso wichtiger sei die Gemeinschaft in den Kirchengemeinden gewesen, in der man sich gleich zu Hause und verstanden gefühlt habe. Je lauter die politischen Gegenstimmen wurden, desto mehr hätten sich vor allem die jungen Katholiken zusammengeschlossen. Am Christkönigsfest habe man sich dieser Gemeinschaft und des Zusammenhalts vergewissert – ein Fest, auf das man sich lange gefreut und innerlich vorbereitet habe, sagt Reinelt. „Wir haben uns gesagt: Der Glaube ist unser Weg. Christus ist der, der es gut mit uns meint. Er ist der Botschafter der Wahrheit. Wir gehen mit ihm.“

Die Atmosphäre in den Gottesdiensten oder bei den Dekanatstreffen zum Fest sei jugendlich, frisch und ermutigend gewesen. „Aber auch ein bisschen kämpferisch“, erinnert sich Reinelt. Das habe sich auch in den Gesängen gezeigt. Die Liebe zu Christus wurde darin beschworen, Treue bis in den Tod und dass man ein Kämpfer sein wolle für Gott. Auch wenn solche Lieder heute zum Christkönigsfest nicht mehr angestimmt würden und die Bedeutung des Festes schwinde, sei der Kern doch erhalten geblieben, sagt Reinelt: „Es gibt einen, der es von Herzen gut meint mit dem Volk Gottes, der uns nicht belügt, der die Wahrheit ist und der uns nach vorne führt.“ 

Für diese Botschaft müsse man auch nicht so sehr den Begriff König nutzen, der viele Menschen heute an Vergangenes erinnere und märchenhaft klinge, sagt Reinelt. „Wir brauchen in Deutschland heute keinen Gegenkönig mehr. Aber wir brauchen Christus als Herrn der Welt, als Schöpfer der Welt, als Begleiter in jeder Not und in das Glück hinein.“