Anstoß 33/22

Ein Haus aus lebendigen Steinen

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Meine Eltern haben am 13. Juni 1950 geheiratet und im selben Jahr ein Haus gebaut. Es ist klein und bescheiden. Alles haben sie per Hand gemacht, sogar die Steine.


In diesem Haus bin ich aufgewachsen, es ist mein Zuhause geworden und geblieben, bis heute. Viele Ereignisse haben hier stattgefunden, die Alltage und Festtage und etliche Familienfeiern.
Ja, ein Haus ist mehr als ein Gebäude aus Steinen und mehr als ein Dach über dem Kopf. Es bedeutet Heimat und Geborgenheit. Ich weiß, dass nicht alle Menschen ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung haben, und doch lebt in uns Menschen die Sehnsucht nach so einem Ort – einem Zuhause zum Aufwachsen und Leben. Das eigene Heim ist für viele ein Wunsch, ein Schlüssel zum Glück.
Aber dieser Ort des Glücks ist auch bedroht. Menschen verlieren ihr Zuhause – eine bittere Erfahrung für die Menschen in der Ukraine. Menschen stehen vor den Trümmern ihrer Häuser, die von den Raketenangriffen der russischen Armee über Nacht zerstört wurden. Tränen der Trauer in den Gesichtern der Menschen, die vor dem Nichts stehen. Was sie mühsam aufgebaut haben, ist dahin.
Das erlebten auch viele im Zweiten Weltkrieg: Deutschland und andere Länder waren ein Trümmerfeld. Menschen mussten fliehen, mussten ihr Haus und ihre Wohnung verlassen und haben diese nie wieder gesehen. Auch vor einem Jahr mussten die Bewohner des Ahrtals erleben, wie Wassermassen Wohnungen und Häuser begruben. Alles war dahin, nicht nur Mobiliar, sondern auch Papiere, wertvolle Gegenstände und wichtige Erinnerungen an die Familiengeschichte.

Was für die eigene Wohnung und das eigene Heim gilt, gilt auch für die Kirche. Auch sie ist ein Ort mit Geschichte. Wir sprechen zuweilen von „meiner Heimatkirche“. Es ist ein Ort aus lebendigen Steinen, für Gott und für uns Menschen, wo wir zusammenkommen, in den guten und schweren Zeiten, wo wir immer ein Zuhause haben, Gott sei Dank!
 
Pater Josef kleine Bornhorst, Dominikanerkloster Leipzig