Organspenden

Ein Herz in der Hand

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Herztransplantation
Nachweis

Foto: Herzzentrum/Finn Lehrke

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Bleiben immer etwas Besonderes: Herztransplantationen

Michiel Morshuis ist Herzchirurg, auch Transplantationen gehören zu seinem Beruf. Wenn ein neues Herz in der Brust eines todkranken Menschen wieder zu schlagen beginnt, sagt er, sei das jedes Mal ein ganz besonderer Moment.

Im Jahr 1989 wurde im Herzzentrum im nordrhein-westfälischen Bad Oeynhausen das erste Herz transplantiert. „Und 1990 habe ich hier angefangen“, sagt Oberarzt Michiel Morshuis (62). Dass er Chirurg werden wollte, war für den Niederländer immer klar. „Ich arbeite gern mit den Händen“, sagt er. In die Herzchirurgie sei er eher zufällig gekommen: „Aber es hat mich sofort gepackt.“

Wie es war, als er zum ersten Mal ein menschliches Herz in der Hand hielt, daran kann er sich nicht erinnern. „Man wird da langsam herangeführt“, sagt er. „Erst steht man bei solchen Operationen ganz hinten und rückt langsam immer weiter vor.“ In den ersten Jahren in Bad Oeynhausen sei er für den Transport von Spenderherzen zuständig gewesen und dafür quer durch Europa gereist. „Wenn Eurotransplant sich meldet, dass ein Spenderherz passt, muss es nicht nur explantiert werden, sondern man muss zuvor auch schauen, in welchem Zustand das Herz tatsächlich ist, ob es wirklich für die Transplantation geeignet ist“, sagt Morshuis. Und es dann sicher zum Empfänger bringen.

„Man denkt, es ist doch eigentlich nur eine Pumpe. Aber es ist ein Wunderwerk.

Das Herz einem hirntoten, aber beatmeten Menschen zu entnehmen, das sei keine Aufgabe wie jede andere. „Natürlich muss das technisch funktionieren, muss das Team gut zusammenarbeiten“, sagt der Herzchirurg. „Aber da liegt ja ein Mensch, der gerade noch gesund und lebendig war. Man hat eine große Verantwortung dem Spender und auch seiner Familie gegenüber.“ Und eine gewisse Ehrfurcht spürt er auch: „Das Herz ist der Kern des Lebens.“

Michiel Morshuis
Oberarzt Michiel Morshuis. Foto: Herzzentrum/Finn Lehrke

Inzwischen ist Morshuis derjenige, der in Bad Oeynhausen wartet, um ein gespendetes Herz zu implantieren. Etwa 500 Mal hat er das bereits gemacht. Reine Routine also? „Nein, eine solche Operation ist immer etwas Besonderes“, sagt er. „Der Unterschied zu anderen Operationen ist: Es muss am Ende funktionieren, es gibt keine Alternative.“ Deshalb ist für ihn – und auch für Studierende, die zuschauen dürfen – dieser eine Moment jedes Mal einzigartig: „Wenn das Herz in der Brust liegt, man es an den Blutkreislauf anschließt – und es beginnt zu schlagen!“

Überhaupt ist für Morshuis genau das das Faszinierende am Herzen: „Dass es so autonom ist. Es bekommt Blut und macht, was es soll.“ Auch deshalb gibt es keinen echten Ersatz für ein menschliches Herz, trotz aller Forschungen zu Kunstherzen und Unterstützungsgeräten. Morshuis sagt: „Man denkt, es ist doch eigentlich nur eine Pumpe. Aber es ist ein Wunderwerk.“

„Manche Schicksale sind herzzerreißend“ 

Und es ist sehr viel mehr als Biologie; es zu erhalten, bedeutet mehr als etwa die Transplantation einer neuen Niere. „Manche Patienten tun sich schwer damit, ein fremdes Herz zu bekommen“, sagt Morshuis. „In unserer Kultur ist es der Sitz der Gefühle. Man sagt, jemand habe ein gutes Herz, wenn er ein guter Mensch ist.“ Deshalb sei es wichtig, dass die Klinikpsychologen dabei helfen, das neue Herz wirklich bewusst anzunehmen. „Manche Patienten wollen das aber nicht. Auch wenn ihr Leben bedroht ist, lehnen sie eine Herztransplantation ab.“

Einige seiner Patienten kennt Michiel Morshuis schon lange. „Manchen habe ich vorher schon eine Unterstützungspumpe eingesetzt“, sagt er. Und wer bei Eurotransplant in der höchsten Stufe gelistet ist, lebe in der Regel stationär im Herzzentrum, manchmal wochen- oder monatelang. „Manche Schicksale sind wirklich herzzerreißend“, sagt Morshuis und denkt dabei an Kinder und ihre Familien, die versuchen, auch im Krankenhaus ein möglichst normales Leben zu führen.

Es macht ihn „ziemlich glücklich“ zu sehen, wie schnell schwerstkranke Menschen nach einer Herztransplantation genesen. „Es ist erstaunlich, wie schnell sich viele nach einem langen Leidensweg erholen“, sagt Morshuis. Viele Transplantierte kommen zu Patientenseminaren in die Klinik zurück, in denen es darum geht, möglichst gut und verantwortlich mit dem geschenkten Herzen umzugehen. „Ich komme dann oft dazu, es werden Selfies gemacht, und da ist ganz viel Dankbarkeit für die geschenkte Zeit.“ 

Denn die Patientinnen und Patienten wissen: Die Lebenszeit eines implantierten Herzens ist endlich. „Wir behandeln gerade einen 32-Jährigen“, sagt Morshuis. „Als Kleinkind, mit 18 Monaten, hat er ein neues Herz bekommen, jetzt braucht er eine Unterstützungspumpe.“ Eine erneute Transplantation sei zwar möglich, aber oft schwierig, da die notwendige Einnahme vieler Medikamente Spuren im Körper hinterlässt. „Nichts ist so gut wie das eigene Herz“, sagt Michiel Morshuis. Glücklich kann sich schätzen, wessen Herz ein langes Leben lang schlägt und schlägt und schlägt.

Susanne Haverkamp