Bistum Fulda
Ein Lied weht über die Stadt
49 Bronzeglocken lassen närrische wie weihnachtliche Melodien im Turm der Pfarrkirche St. Philippus und Jakobus erklingen. Wenn Astrid Weimann-Heim spielt, ziehen die Tasten an den Zugdrähten und die Klöppel schlagen gegen die Glocken. (Foto rechts: Theresa Breinlich, Foto links: Rudolf Karpe)
Vor 35 Jahren war der Zutritt des Turms verboten. Der Blick ging zu sehr in die Weite, zu sehr nach Westen in die Bundesrepublik hinein. Heute erfüllt Musik den Raum, Klänge, die die Herzen berühren, wehen von hier aus über die Dächer der Kleinstadt, wie Astrid Weimann-Heim berichtet. Sie ist zweite Vorsitzende des Glockenspielvereins in Geisa, einem Ort in der Rhön im Westen Thüringens. Hier steht die katholische Pfarrkirche St. Philippus und Jakobus aus dem 15. Jahrhundert, und seit 2003 schmückt diese ein Carrilon. Das Glockenspiel kann mechanisch gesteuert oder von einem Carilloneur von Hand gespielt werden. Vier Mal am Tag erklingen seine Melodien in Geisa, in der Karnevalszeit spielt es auch mal närrische Lieder. An Weihnachten ist Musik passend zum Fest zu hören. „Das ist sehr stimmungsvoll. Zunächst waren einige Bürger skeptisch, ob das Instrument nicht zu laut ist. Jetzt freuen sich alle, wenn es spielt. Viele kennen den Zeitrhythmus genau. Besucher sind bei Führungen begeistert, was sich hier für ein Schatz versteckt“, erzählt sie.
Hoch oben im fünfgeschossigen Turm schlägt Astrid Weimann-Heim das Gotteslob auf und beginnt mit den locker geballten Fäusten auf die gerundeten Holzstäbe des Spieltischs zu drücken. 135 Treppenstufen ist sie dafür heraufgestiegen. Ein heller Ton erklingt, schallt herunter von der Turmspitze und schwingt über die Stadt. Sie braucht recht viel Kraft, denn sie bewegt über Zugdrähte und Kipphebel die Klöppel im Obergeschoss, die gegen die Glocken schlagen. Ihre Hände springen weiter über die Holzstäbe, eine Melodie beginnt sich zu formen: „Komm heiliger Geist, der Leben schafft.“ Der Spieltisch ist aufgebaut wie ein Klavier. Die schwarzen Tasten sind oben, die weißen unten. Zufrieden klappt die Katholikin aus Geisa das Gesangbuch wieder zu. „Ich finde, wenn wir hier schon so ein tolles Instrument stehen haben, dann muss es auch jemand spielen. Nur so bleibt es erhalten. Ich habe immer schon gerne Musik gemacht und hatte auch keine Scheu, zu spielen. Immerhin hört es die ganze Stadt, wenn ich musiziere“, sagt sie. Bevor Weimann-Heim gestartet ist, hat sie ein paar Unterrichtsstunden bei einem professionellen Carilloneur genommen.
„Jede Glocke hat eine eigene Geschichte.“
Die Idee zu diesem musikalischen Projekt hatte im Sommer 2000 Pfarrer Uwe Hahne. Er war auf der Suche nach einer Glocke für einen Hof auf dem Stadtgebiet, als er in einer Gießerei auf ein Glockenspiel stieß. Er war sofort begeistert und dachte, solch ein Instrument würde gut in den Turm in Geisa passen. Die Mitglieder der Pfarrei und der Kommunalverwaltung ließen sich von seiner Begeisterung anstecken. Bald wurde ein Glockenspielverein gegründet. Schließlich wird eine niederländische Werkstatt mit dem Gießen der Glocken beauftragt. Die Kosten betrugen 164 641 Euro. 2003 wurde das aufwendige Instrument erstmals öffentlich gespielt. „Es war toll. Alle haben mitgemacht. Es ist wirklich ein Instrument von den Bürgern für die Bürger in Geisa“, sagt Astrid Weimann-Heim.
Eine schmale Leiter führt ins Turmobergeschoss. Hier hängen sie, die 49 Bronzeglocken mit einem Tonumfang von b1 bis c2 bis d2. An den Wänden befinden sich kleine Fenster, die sich beim Spielen des Carillons automatisch öffnen, sodass der Klang hinausziehen kann. „Jede der Glocken hat ihre ganz eigene Geschichte. Das finde ich wunderschön. Gegen eine Spende konnte man Patenschaften übernehmen und sich eine Inschrift wünschen. Ich erinnere mich an eine Gruppe Freunde. Einer von ihnen ist schwer erkrankt, und um ihm Hoffnung zu geben, haben sie ihm eineGlocke gewidmet. Sie erklingt noch heute für ihn“, erzählt Astrid Weimann-Heim.
Auch ihr schenkt die Musik, die vom Turm schallt, Hoffnung auf Frieden. Astrid Weimann-Heims Lieblingslied ist die mittelalterliche Weise: „Meie, din lichter schin“ (Maien, dein heller Schein) von Neidart von Reuenthal. Es endet mit der Zeile: „Diese Strophe sende ich der Welt zur Besserung!“ „Das passt so toll zum Kirchturm in Geisa“, sagt sie.
Infos zu Führungen und Konzerttermine: www.glockenspiel-geisa.de