Tadeusz Szymanski baute das Museum in Auschwitz mit auf
Ein Mann der ersten Stunde
Er war als Häftling in Auschwitz und kehrte nach der Befreiung dorthin zurück: Tadeusz Szymanski baute das Museum des Lagers mit auf.
Wenn Joanna Barcik über ihren Großvater spricht, betont sie gleich am Anfang, dass es sich um ihre Erinnerungen als kleines Mädchen handelt. Barcik ist heute erwachsen und Enkelin des Auschwitz-Überlebenden Tadeusz Szymanski. Ein "Mann, der das Leben bejahte", mit großer Offenheit, "absolut frei von Vorurteilen": So beschrieb Barcik den 2002 gestorbenen Großvater, den sie "dziadek", Opa, nennt, vor mehr als zwei Jahren anlässlich seines 100. Geburtstages am 18. Mai 1917. Es sind Erinnerungen an jemanden, dessen Leben eng mit Auschwitz-Birkenau verknüpft ist: vom Häftling zum Mitarbeiter der Gedenkstätte.
Als er 24 Jahre alt war, sperrten ihn die Nationalsozialisten in das größte deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager im damals besetzten Polen. Szymanski war Pfadfinder und im Widerstand aktiv gewesen. Die Rote Armee befreite vor 75 Jahren, am 27. Januar 1945, die in Auschwitz verbliebenen Häftlinge - kurze Zeit später kehrte Szymanski, Lagernummer 20034, zurück. An den Ort, der heute das Symbol für die Nazi-Verbrechen und den Holocaust ist. Schätzungen zufolge wurden dort etwa 1,1 Millionen Menschen ermordet.
"Am 1. Oktober 1946 war ich wieder in Auschwitz" - mit diesem Satz wird Szymanski oft zitiert. Er sollte mit anderen Überlebenden auf dem früheren Lagergelände bei der Stadt Oswiecim ein Museum aufbauen. Dort war Szymanski lange Kustos. Das Staatliche Museum Auschwitz- Birkenau eröffnete am 14. Juni 1947. Gezeigt werden konnte damals eine Teilausstellung. Heute sind es 191 Hektar. Seit 1979 gehören die Überreste des Doppellagers zum Unesco-Welterbe.
Auf dem Gelände des Museums mit internationalem Bildungszentrum befinden sich Reste der Häftlingsbaracken, Ruinen der Gaskammern und Krematorien sowie Dutzende Kilometer des ehemaligen Lagerzauns. Auch die Eisenbahnrampe, an der nach der Ankunft Häftlinge für die Ermordung in den Gaskammern herausgesucht wurden, ist erhalten. Besucher können mehrere Ausstellungen besichtigen.
Der spätere erste Museumsdirektor Tadeusz Wasowicz war am selben Tag wie Szymanski nach Auschwitz gebracht worden. Beide hätten es als eine Art Pflicht angesehen, Zeugnis von ihrer Zeit im Lager abzulegen, erklärt Enkelin Barcik. Das Leben ihres Großvaters sei stark mit dieser Mission verbunden gewesen. Er habe großen Wert auf Begegnungen und Gespräche von Angesicht zu Angesicht gelegt - auch mit Nachfahren von Tätern. Er sei überzeugt gewesen, dass die Töchter und Söhne keine Schuld auf sich geladen hätten. Gleichwohl habe er gewollt, dass sie sich für Versöhnung einsetzten.
Versöhnung als Lebensthema
Szymanski arbeitete mit der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste zusammen, die sich seit 1958 für eine kritische Auseinandersetzung mit den Folgen der Nazi-Verbrechen engagiert. Ein Lebensthema war für ihn nicht nur die polnisch-deutsche Aussöhnung, sondern es waren auch die Kinder von Auschwitz. Sie wussten nach ihrer Befreiung mitunter kaum etwas über sich, ihre Eltern und ihre Herkunft. Barcik erinnert sich daran, als auf der Beerdigung ihres Großvaters in Oswiecim Menschen auf sie zugekommen seien, deren Familienzusammenführung geglückt sei und die gesagt hätten: "Wir möchten uns bedanken bei Ihrem Opa."
Szymanski arbeitete nicht nur auf dem Gelände der Gedenkstätte, er lebte dort auch - in einem ehemaligen Verwaltungstrakt, wie der Geschäftsführende Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, sagt. So wie andere Ex-Häftlinge auch. "Sie haben das mit einem großen Bewusstsein von Freiheit getan." Und dem Gefühl: "Wir erzählen eine Geschichte für die Welt."
Sie hätten sich ganz deutlich als Stimme derer empfunden, die nicht überlebt hatten. Dies ging im sozialistischen Polen freilich nicht immer problemlos. Szymanski habe sich nicht vereinnahmen lassen und kein Propagandainstrument sein wollen, betont Heubner.
Einfachheit, Loyalität, Barmherzigkeit: Das treffe auf Szymanski zu, der für ihn auch ein Freund gewesen sei. Jedes weitere Lebensjahr sei ein Jahr gewesen, das er Auschwitz abgetrotzt habe. Der Tod anderer Überlebender habe Szymanski tief berührt, sagt Heubner und ergänzt: "Eigentlich müssten Überlebende unsterblich sein."
kna