Mittelalterlicher Osterteppich
Ein Meisterwerk der Nonnen
Im Kloster Lüne entstand vor 500 Jahren eine der wertvollsten Textilien des Mittelalters: Der Osterteppich mit dem auferstandenen Christus im Mittelpunkt. Heute ist das Bild voller Symbolik im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu bewundern.
500 Jahre alt ist der prachtvolle Wandteppich aus dem Kloster Lüne, aber die Geschichte, die er erzählt, ist heute so aktuell wie zur Zeit, als fleißige Nonnen ihn in einem der bekannten Heideklöster in mühsamer und jahrelanger Arbeit stickten: Jedes Bild, jede Symbolik dreht sich um die zentrale Aussage der christlichen Hoffung: die Auferstehung Christi.
Vor 70 Jahren kam der sogenannte Osterteppich aus Lüneburg in den Besitz des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe. Seitdem wurde er nur selten und kurz für die Öffentlichkeit ausgestellt. Aber seit der Eröffnung der Abteilung Weltreligionen, in der seit 2013 auch das Christentum präsentiert wird, ist das 20 Quadratmeter große Stück dauerhaft zu sehen und auch zwischen den vielen anderen sakralen Kostbarkeiten ein Höhepunkt.
Bildsprache des Mittelalters
Im Zentrum des Teppichs dominiert das überlieferte Geschehen der Osternacht: Gerade ist Christus aus dem Grab erstanden, mit einem Bein steht er noch im Sarkophag, mit dem anderen tritt er heraus. In der linken Hand hält der Auferstandene eine Siegesfahne, die rechte hat er segnend erhoben. Ein mit Diamanten besetzter Heiligenschein erstrahlt um sein Haupt. Wer genau hinschaut, entdeckt die Wunden der Kreuzigung – an den Händen, an den Füßen, an der rechten Seite. Flankiert wird Christus von zwei Engeln, die Zeugen des Wunders sind. Nur unscheinbar und klein sind die beiden Grabwächter dargestellt, sie spielen in der Szene keine Rolle mehr.
Der Osterteppich enthält eine Fülle an alter Symbolik, so weist der Morgenstern mit den sieben Zacken, der die Osterszene begrenzt, als Zeichen für Christus auf die frühe Stunde des Ostersonntags hin. Jeder Zacken wiederum ist von einem Stern gefüllt, jeder steht für einen Tag der Woche, zwölf Monde für die Monate. Auch Tiere sind zu erkennen: Löwe, Adler, Phönix und Pelikan, sie verdeutlichen die Aufopferung des Gottessohnes. Die Schrift auf dem Osterteppich lässt sich in etwa so übersetzen: „Ich bin das A und das O und der Morgenstern, ich, der ich Recht spreche und der Streiter für die Erlösung bin. Jetzt soll sich die Engelsschar freuen.“
Schon früh beschäftigten sich die Nonnen des 1172 gegründeten Klosters Lüne mit der Herstellung sakraler Textilien, es war eine der wichtigsten Arbeiten neben der im Skriptorium, der Schreibwerkstatt. Das Material für ihre Handarbeiten werden sie selber gesponnen haben, das Kloster verfügte über eigene Schafherden. Bemerkenswert ist, dass sich die Leuchtkraft der Farben sowohl beim Osterteppich als auch bei vielen anderen Textilien bis heute erhalten hat. Vermutlich verwendeten die Schwestern in den Werkstätten selbst hergestellte Farben, die sie aus Pflanzen gewannen. Schon seit der Antike waren Rezepte dafür bekannt, zum Beispiel die Herstellung von Beizen aus Alaun und Weinstein als Grundlage für die weitere Bearbeitung.
Für das Färben selbst nutzten die fachkundigen Frauen unter anderem Waid für das Blau, die Krappwurzel und die Kermeslaus für das Rot und für leuchtendes Gelb sogenanntes Färberwau.
Während der Teppich mit der Auferstehungsszene im Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen ist, zeigt das Museum des Klosters Lüne andere kostbare Textilien, die im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind. Zu den Objekten gehören mittelalterliche Altar- und Fastentücher. Gleichermaßen beeindruckend sind großformatige Bildteppiche und Banklaken, gestickt um 1500. Gezeigt werden auch Prozessionsfahnen, die um1410 gefertigt worden sind. Das Museum – eine Schatzkammer klösterlicher Kunst.
Von Stefan Branahl