Ehrenamtliches Engagement nach der Flut
"Eine Bereicherung fürs ganze Leben"
Die Bilder aus den Flutgebieten haben im vergangenen Sommer ganz Deutschland erschüttert. Viele Menschen haben sich seitdem bei Hilfsorganisationen gemeldet und wollen helfen.
Viele Menschen haben sich nach der Flut in Westdeutschland spontan ehrenamtlich unzählige Stunden im Katastrophengebiet engagiert - und gespürt, wie bereichernd es sein kann, anderen zu helfen. Das zeigt sich nun auch bei verstärkten Anfragen für ehrenamtliches Engagement bei Hilfsorganisationen und der Freiwilligen Feuerwehr.
Die Flutkatastrophe habe an vielen Orten dafür gesorgt, "dass Menschen sich für dieses Ehrenamt interessieren" und bereit seien, diese qualifiziert zu unterstützen und sich "an Technik und Taktik" ausbilden zu lassen, berichtet Karl-Heinz Banse, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV). Fast eine Million Menschen engagieren sich laut Banse bereits ehrenamtlich im Brand- und Katastrophenschutz und bei der Technischen Hilfeleistung. Aufgrund dieser breiten Unterstützung seien die Feuerwehren bei Großeinsätzen wie der Flut "immer und überall präsent"; sie stellten "das mit weitem Abstand größte Kontingent".
Zahlreiche Anfragen beim Technischen Hilfswerk
Reges Interesse an Mitarbeit verzeichnet auch das Technische Hilfswerk (THW). Schon in den ersten zwei Wochen nach der Flutkatastrophe haben sich laut THW-Sprecherin Tamara Schwarz über 2.500 Personen über ein Kontaktformular gemeldet und signalisiert, einen der 668 Ortsverbände tatkräftig unterstützen zu wollen. Gut vier Monate nach der Flut sei die Zahl auf über 5.000 Personen angestiegen - über die Hälfte im Alter zwischen 18 und 39 und und 30 Prozent Frauen. "Die Flutkatastrophe hat vielen Menschen vor Augen geführt, wie wichtig es ist, sich für andere Menschen einzusetzen", beobachtet Schwarz. Die Berichterstattung über die vielfältige Arbeit des THW bei der Flut habe dann "den finalen Anreiz" gegeben, sich zu melden.
Das THW sei für viele attraktiv aufgrund der "spannenden Technik", die dort zum Einsatz komme. Als "Gegenleistung" bekomme man nicht nur ein spannendes Hobby mit neuen Freundinnen und Freunden, sondern auch Ausbildungen und Qualifikationen, "die man auch in seinem privaten und beruflichen Umfeld nutzen kann". Und nicht zuletzt sei es befriedigend, etwas "Sinnstiftendes" zu machen, "mit dem man auch noch Menschen hilft". Ehrenamt sei das "Rückgrat unserer Gesellschaft; Menschen, die sich für andere Menschen einsetzen, halten unsere Gesellschaft zusammen".
Martin Voss, Leiter der Katastrophenforschungsstelle an der FU Berlin und Sozialanthropologe, erklärte im KNA-Interview, Menschen seien nun einmal soziale Wesen und weniger egoistisch als gemeinhin angenommen: Das Gemeinschaftsgefühl beim Helfen sei ein "wichtiges Motiv für ehrenamtliches und freiwilliges Engagement". Gerade im Katastrophenschutz könnten Menschen "genau das besonders ausleben und erfahren". Vielleicht eine Form von gesundem Egoismus: "Mir geht es gut, wenn ich anderen helfe, also tue ich es auch für mich."
Malteser: "Wir brauchen mehr Leute im Bevölkerungsschutz"
"Wenn man mal einmal die Hilfsorganisationsluft geschnuppert hat, ist das für viele eine Bereicherung - menschlich und fürs ganze Leben", bestätigt Clementine Perlitt, Vizepräsidentin des Malteser Hilfsdienstes. Dennoch hat der Ende Oktober veröffentlichte erste "Malteser Ehrenamts-Monitor für Deutschland" ergeben, dass solches Engagement zwar sehr geschätzt werde, Menschen aber nur bedingt bereit seien, sich selbst regelmäßig ehrenamtlich zu engagieren.
Malteser-Sprecher Klaus Walraf beobachtet zwar "gesteigertes Interesse" - die Frage sei aber, ob sich das in den kommenden Monaten auch in den Ausbildungszahlen niederschlage. So wichtig es sei, dass Menschen - wie bei der Flutkatastrophe - "spontan die Schippe in die Hand nehmen"; benötigt würden Menschen, "die eine Qualifikation haben, um im Katastrophenfall sachkundig helfen zu können".
Und da ist aus Sicht der Malteser noch Luft nach oben: "Wir brauchen mehr Leute im Bevölkerungsschutz", so Walraf. Um das zu erreichen, setzt sich die Hilfsorganisation - analog etwa zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr - für einen einjährigen "Gesellschaftsdienst im Bevölkerungsschutz" ein. Ziel ist es, interessierte Ehrenamtliche gezielt auszubilden und bundesweit in die bestehenden Katastrophenschutz-Strukturen der großen Hilfsorganisationen einzubinden.
kna/Angelika Prauß