Bischof Gebhard Fürst über den Katholikentag in Stuttgart
"Eine Chance, aus der Lethargie zu kommen"
Gebhard Fürst (74) ist Mitgastgeber des Katholikentags Ende Mai in Stuttgart. Im Interview erläutert der Rottenburg-Stuttgarter Bischof, was er sich von dem Christentreffen erwartet.
Herr Bischof Fürst, als Sie vor ein paar Jahren gefragt wurden, ob in Stuttgart ein Katholikentag stattfinden kann, hätten Sie damals auch nur im Entferntesten mit den Problemen gerechnet, die sich seitdem ergeben haben?
Die Anfrage des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) hatte ich mit großer Freude aufgenommen. Als ich dann 2018 in Münster die Einladung offiziell ausgesprochen habe, waren natürlich weder Corona noch der Krieg gegen die Ukraine ein Thema. Insofern mussten wir die Veranstaltung unter schwierigsten Bedingungen planen. Solche Probleme hatte in den vergangenen Jahrzehnten sicher kein zweiter Kirchen- oder Katholikentag. Permanent gab es ein auf und ab, ein hin und her mit vielen Unsicherheiten.
Überwiegt nun die Vorfreude, dass die Veranstaltung tatsächlich stattfinden kann?
Ja, wir sind sehr zuversichtlich. Es hat einen besonderen Charme, dass die Veranstaltungen nach der langen Zeit der Pandemie wieder live und in Präsenz sind. Wir können uns wieder begegnen, miteinander sprechen, feiern, singen und beten. Der brutale Krieg in der Ukraine verändert aber noch einmal die Situation und führt zu der Frage, wie angesichts der furchtbaren Vorkommnisse dort bei uns gefeiert werden kann. Das ist eine Herausforderung. Aber der Katholikentag ist auch eine große Chance, aus der Lethargie herauszukommen.
Welche Programmpunkte interessieren Sie persönlich?
Vor allem freue ich mich, dass viele Menschen zusammenkommen. Etwa am Mittwoch in der Innenstadt beim Abend der Begegnung. Gespannt bin ich auf die Katholikentagsinseln, also auf die Bühnen und Stände, auf denen sich Verbände, Aktionen und Einrichtungen präsentieren. Und ich freue mich auf die großen Gottesdienste. Hervorheben will ich auch noch, dass der Bundespräsident und der Bundeskanzler nach Stuttgart kommen. 1.500 Veranstaltungen werden ein buntes Bild der katholischen Kirche widerspiegeln - den Großteil bestreiten Gruppen aus unserer Diözese!
Hoffen Sie, dass sich das ramponierte Bild ihrer Kirche durch einen Katholikentag etwas aufpolieren lässt?
Angesichts der große Glaubwürdigkeitskrise wünsche ich mir das sehr. Ich hoffe, dass wir zu den wesentlichen Fragen unserer Zeit Beiträge leisten können. Nicht nur durch Worte, sondern auch durch Taten. Ohne das Engagement der beiden großen Kirchen würden wir in einer Gesellschaft leben, deren humanitäre Temperatur deutlich niedriger wäre.
Mit Blick auf die Bischofskonferenz und deren Synodalen Weg ist es scheinbar kaum gelungen, die Spannbreite der Meinungen in Stuttgart darzustellen. Woran liegt das? Gab es keine Einladungen oder keine Zusagen?
Als Mitgastgeber habe ich in der Bischofskonferenz mehrfach alle informiert und herzlich eingeladen. Das ZdK und wir sind froh über jeden Bischof, der da ist. Die Menschen wollen die Verantwortungsträger kennenlernen können. Wer nicht kommt, der hat sich nicht angemeldet - ausgesperrt wurde niemand.
Was finden Sie wichtiger: die Debatten über die innerkirchlichen Reizthemen wie Zölibat und Frauen oder Diskussionen über gesamtgesellschaftliche Probleme wie Klima, Krieg und Corona?
Wir müssen uns allen Fragen der Zeit stellen. Die Themen des Reformprojekts Synodaler Weg kommen allein in 30 Veranstaltungen vor. Aber Katholikentag bedeutet mehr als innerkirchliche Debatten. Wir müssen aufpassen, dass unsere eigenen Fragen nicht die anderen Probleme überdecken. So scheint die Klimakatastrophe aktuell wieder in den Hintergrund gedrängt zu sein. Aber wenn wir uns nicht darum kümmern, werden wir schuldig, es geht um nichts weniger als das Überleben der Menschheit. So wie Frauen zurecht Geschlechtergerechtigkeit einfordern, für so notwendig halte ich Generationengerechtigkeit. Ein weiteres Thema ist die Digitalisierung. Sie bringt an vielen Stellen Fortschritte, aber auch große Probleme mit sich - etwa Hass, Aggression und Lügen im Netz.
Welches Signal wünschen Sie sich aus Stuttgart?
Dass wir als Christen wahrgenommen werden, die glauben, dass Tod und Hass nicht das letzte Wort haben, dass wir mit Hoffnung in die Zukunft blicken und dass wir als Christen einen guten Beitrag zu dieser Zukunft leisten können.
kna